Medienkonzentration in Bulgarien:Mann im Schatten

Medienkonzentration in Bulgarien: Deljan Peewski: Sein Name fällt oft in diesen Zeiten in Bulgarien, wenn von Zeitungen die Rede ist.

Deljan Peewski: Sein Name fällt oft in diesen Zeiten in Bulgarien, wenn von Zeitungen die Rede ist.

(Foto: AFP)

Deljan Peewski ist Politiker, Unternehmer und mit 33 Jahren einer der mächtigsten Männer Bulgariens - auch weil er die größte Mediengruppe des Landes kontrollieren soll. Doch das Volk begehrt gegen ihn auf.

Von Klaus Brill

In Sofia hat kürzlich ein Mann einen Zeitungsladen betreten und den Händler gefragt, welche der Gazetten, die dieser vorhielt, denn nicht dem Herrn Peewski gehörten. Der Händler nannte zwei Titel, und der Kunde antwortete: "Die will ich haben." Die Sache ist nicht verwunderlich. Der Name Peewski fällt oft in diesen Zeiten in Bulgarien, wenn von Zeitungen die Rede ist. Die meisten Leute reden über diesen jungen Mann nicht gut, und mancher will eben auch seine Produkte nicht mehr haben. Sondern andere.

Deljan Peewski, 33 Jahre alt, ist eine der umstrittensten Persönlichkeiten in Bulgarien. Seiner Mutter Irena Krastewa gehört nach bulgarischen Presseberichten die 2007 gegründete Neue Bulgarische Mediengruppe, die größte ihrer Art.

Zu ihr gehören das auflagenstärkste Boulevardblatt, Telegraf, Zeitungen und Zeitschriften, Online-Dienste, ein Fernsehsender, eine Pressevertriebsgesellschaft und die größte Druckerei des Landes. Peewski, der Sohn, soll darin eine führende Rolle spielen. Er ist aber auch Politiker. Schon als 21-jähriger Jurastudent wurde er Staatssekretär im Kabinett des konservativen Ministerpräsidenten Simeon von Sachsen-Coburg-Gotha.

Nach dessen Abwahl wechselte er zur Bewegung für Rechte und Freiheiten (DPS), die die türkische Minderheit vertritt und als korruptionsanfällig gilt. Auch Peewski war in etliche Skandale verwickelt und wurde 2007 als stellvertretender Minister für Katastrophenschutz gefeuert, später aber vom Vorwurf der Korruption entlastet.

Die größte aller Aufregungen aber verursachte der junge DPS-Abgeordnete am 14. Juni dieses Jahres, als ihn das Parlament im Eilverfahren zum neuen Chef des Inlandsgeheimdienstes DANS wählte und dieser Behörde gleichzeitig die Bekämpfung der organisierten Kriminalität übertrug. Peewski brachte keinerlei Erfahrung für das Amt mit, deshalb hatten viele Bulgaren das Gefühl, es sei der Bock zum Gärtner gemacht worden.

Angestaute Frustrationen

In den sozialen Netzwerken entlud sich eine Woge der Wut, noch am selben Tag kam es zu Massendemonstrationen. Obwohl Peewski gleich wieder abdankte, gingen auch in den folgenden Wochen jeden Tag Tausende in Sofia auf die Straße und verlangten den Rücktritt der von den Sozialisten und der Partei für die türkische Minderheit getragenen Regierung, die von der rechtsradikalen Gruppe Ataka toleriert wird.

Der Fall Peewski wurde zum Katalysator für die angestauten Frustrationen vieler Menschen über all die Misswirtschaft, die auch 24 Jahre nach dem Kollaps des Kommunismus noch immer den Aufstieg Bulgariens aus der Armut verhindert.

Stets ging es bei den Demonstrationen auch um "Oligarchen", die als die eigentlich Mächtigen im Schatten gelten. Einer von ihnen soll der Bankier Zwetan Wassilew sein, der neben mehreren Investmentfirmen auch die größte bulgarische Telefongesellschaft und die wichtige Korporative Handelsbank kontrolliert. Diese Bank ist nach Presseberichten mit Peewskis Mutter Irena Krastewa geschäftlich verbunden; Wassilew bestreitet aber, dass sie Medien finanziere.

Gleichwohl sind die Verhältnisse im Pressewesen derzeit eines der meist diskutierten Themen. Es fiel auf, dass über die monatelangen Proteste in den Medien der Krastewa-Gruppe eher zurückhaltend berichtet wurde. Hingegen bemühten sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk und das Fernsehen nach allgemeinem Urteil erfolgreich um pluralistische Ausgewogenheit.

Spieler im Hintergrund

Diese Medien allerdings geraten derzeit unter Druck von Seiten der Regierung, wie die Vertreter eines unabhängigen Aufsichtsgremiums jüngst kritisierten. Eine wichtige Rolle spielen auch das Wirtschaftsblatt Kapital daily und das Online-Magazin Dnevnik, vormals eine Zeitung, an der das deutsche Handelsblatt beteiligt war. Beide Medien gehören zum Economedia-Verlag, dessen Hauptanteilseigner Iwo Prokopiew mit seiner Alfa Finance Holding rund 20 verschiedene Unternehmen steuert.

Prokopiew ist einer der schärfsten Kritiker der Neuen Bulgarischen Mediengruppe, deren Erzeugnisse er als "eine teure Rufmordmaschine" im Dienste der Oligarchie betrachtet, wie er jüngst der Wiener Zeitung Der Standard sagte.

Wegen kritischer Berichte seiner Zeitung Kapital seien in Krastewas Medien mehr als 1000 verleumderische Artikel über ihn und seine Partner erschienen. Um den Druck zu mildern, zog Prokopiew für eine Weile mit seiner Familie nach Singapur.

Von dem Bankier Wassilew indes werden Prokopiew und seine Freunde beschuldigt, sie hätten "Machtgelüste" und wirkten zusammen mit dem Staatspräsidenten Rossen Plewneliew, der die Demonstranten unterstützt und die Regierung kritisiert hat.

Für Außenstehende ist die Lage kaum zu durchschauen, zumal noch andere Spieler mitmischen, deren Hintergrund unklar ist. Dies betrifft zum Beispiel die vormals auflagenstarken, inzwischen arg abgemagerten Zeitungen 24 Stunden und Trud.

Sie gehörten bis 2010 zum Balkanimperium der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung, die wegen schrumpfender Werbeeinnahmen und wachsenden Ärgers ihr bulgarisches Portfolio an eine Investorengruppe um den Kaiser-Enkel Karl von Habsburg-Lothringen verkaufte.

Investigativer Journalismus wenig verbreitet

Der aber wurde von bulgarischen Partnern ausgebootet, inzwischen ist eine frühere Chefredakteurin von 24 Stunden Geschäftsführerin - doch wer in Wahrheit dahinter steht, ist ungeklärt. Vermutungen, auch hier habe längst Peewski seine Finger im Spiel, fanden bisher keine Bestätigung. Womöglich sind noch ganz andere Akteure am Werk.

Politische Interessen sind ebenfalls berührt, doch müssen sich Politiker auf allerhand gefasst machen. Zwar werden sie von Verlegern um Unterstützung angegangen und haben oft auch Subventionen bewilligt. Doch wenn sie die Macht verlieren, lässt man sie fallen. So wurde der frühere Ministerpräsident Bojko Borissow von Krastewas Gazetten lange gehätschelt, jetzt kommt er darin kaum noch vor.

Im Übrigen rücken generell vor allem in den Boulevardzeitungen politische Sachthemen immer mehr in den Hintergrund, investigativer Journalismus ist wenig verbreitet, und auf Tiefgang hofft man oft vergebens, wie die deutsche Konrad-Adenauer-Stiftung und die bulgarische Stiftung Mediendemokratie in mehreren Studien herausfanden. "Insofern sehen wir in ganz Südosteuropa eine große Bedeutung der Online-Medien, weil sie Lücken in der kritischen Berichterstattung füllen, die andere hinterlassen", sagt Christian Spahr, der Leiter des KAS-Medienprogramms Südosteuropa.

Die Demonstranten haben längst ein eigenes mediales Netzwerk aufgebaut - im Internet.

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