Öffentlich-rechtlichen Programmstrategen zufolge schauen nur noch armselige Boomer normales Fernsehen, oder Leute, die warum auch immer nicht mehr in der Lage sind, den Aus-Schalter zu betätigen. Alle anderen sind schon bei Mediatheken und Streamingdiensten. Wer als Hierarch von ARD und ZDF nicht in angemessen kurzer Zeit auf nonlineare Verbreitung, Social Media und kuratierte Empfehlungen zu sprechen kommt, riskiert, dass er das Riechsalzfläschchen gereicht bekommt.
Dabei deutet einiges darauf hin, dass in diesem linearen Fernsehen klammheimlich gerade ein sportlicher Konkurrenzkampf läuft. Oder wie soll man es verstehen, wenn der erste neue Tatort nach der Sommerpause ausgerechnet an dem Abend läuft, an dem RTL sein Kanzler-Triell vor der Bundestagswahl sendet - moderiert von der früheren Tagesthemen-Moderatorin Pinar Atalay? Reflexe zeigte auch das ZDF, bei dem sich die ARD-Hauptstadtstudioleiterin Tina Hassel neulich unter anderem mit dem Vorschlag um den Intendantinnenposten bewarb, das Programmschema öfter fürs Aktuelle aufzubrechen. Hassel zog ihre Bewerbung zurück, den Vorschlag von der Konkurrenz nahm das Zweite fix mit. Es brachte vorigen Dienstag zur Flutkatastrophe den ersten ZDF-Themenabend seit Menschengedenken, während das Erste weitgehend beim normalen Programm blieb.
Früher, in der guten alten Zeit, gab es solche Sachen auch dann, wenn nicht ganze Landstriche in der Flut untergingen. Man nannte das: Kampfprogrammierung, und es gehörte zum guten Ton beim Werben um Zuschauer. Bevorzugt übrigens zwischen den öffentlich-rechtlichen Sendern selber - so wie kürzlich, als es um Pläne im Ersten ging, Comedy wie das ZDF am Freitag zu bringen. Man könnte glatt ein Liedchen trällern vor Freude über diese Frechheit. Denn wollen wir bloß noch mit der Maus in Mediathekenware herumstochern, genau wie man den ganzen Tag über am Bildschirm in etwas herumstochert? Legt das Riechsalz weg, Sender! Traut euch an die Wettkämpfe um einen Abend, die mit der Fernbedienung entschieden werden, diesem, wir übersetzen mal: herrlich unsozialen Tool für ein absolut egokuratiertes Nutzererlebnis.