Süddeutsche Zeitung

Medienaufsicht:Schmids Reisen

Ausgerechnet der oberste Lobbyist des Privatfernsehens wird im Oktober neuer Direktor der Medienaufsicht in NRW. Kann das funktionieren?

Von Claudia Tieschky

Bald wird er aus der Rundfunkabgabe bezahlt, und sogar Tobias Schmid selber findet, "das hat eine gewisse Komik". Vergangenen Freitag ist Schmid, 46, von den dortigen Gremien zum Direktor der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM) gewählt worden, die aus der Haushaltsabgabe finanziert wird; er führt künftig die Aufsicht über Privatrundfunk und Mediendienste in NRW. Bislang allerdings ist Schmid Vorstandsvorsitzender des Privatsenderverbands VPRT - der beständig anprangert, dass seine Mitglieder im Gegensatz zu den abgabenfinanzierten Öffentlich-Rechtlichen im harten Wettbewerb bestehen müssen. Zudem ist Schmid Bereichsleiter Medienpolitik bei RTL, also ein wichtiger Stratege im Sender.

Das wirft natürlich Fragen auf. Was trieb ihn in dieses Amt (in dem er nicht schlecht, aber weniger verdient als jetzt)? Schickt ihn RTL als Geheimwaffe in die Aufsicht? Kann einer wie er die nötigen Einwände gegen Privatsender vortragen, gegen, sagen wir Sachen wie Werbeverstöße?

Schmid findet ja. "Sonst würde ich es ja auch nicht machen." Als Argument führt er etwa ins Feld, dass seine bisherige Aufgabe bei RTL eine Art "Dolmetscherfunktion in zwei Richtungen" gewesen sei, bei der es auch darum gehe, dem Unternehmen nahezubringen, was Politik und Regulierung vom ihm wollen. Man vertrete natürlich als Angestellter von RTL ein bestimmtes Interesse, "aber wir arbeiten ja alle innerhalb des gleichen Systems".

Richtig daran ist, dass mit der Digitalisierung manche Kämpfe zwischen Privaten, der Aufsicht und den Öffentlich-Rechtlichen anachronistisch geworden sind. Den scheinbar unkontrollierbaren Internet-Medien, den globalen Konzernen und ihren Geschäftsmodellen werden hierzulande mühsam Regeln hinterhergebastelt - Workshop für alle. Oder wie man auch sagt: Konvergenz. Dass sich die Empörung über Schmids Nominierung doch sehr in Grenzen hielt, liegt wohl auch daran, dass er in diesem Umbruch zum kleinen Kreis kompetenter Akteure zählt, die nicht völlig überfordert wirken. "Ist es wirklich so kompliziert", fragt er etwa, "den geltenden Ordnungsrahmen auch bei internationalen Akteuren im Netz durchzusetzen - oder müsste man es nicht einfach nur tun? Wir geben doch nicht die Rechtsordnung auf, nur weil es komplizierter geworden ist." Dem Ziel, Menschenwürde, Jugendschutz und Werberegeln im Internet Geltung zu verschaffen, kann sich Schmid als LfM-Chef nicht im Alleingang nähern. Die 14 föderal organisierten Medienanstalten arbeiten mehr und mehr zentral: auch bei bundesweiten Sendern wie RTL (das der Aufsicht in Niedersachsen unterstellt ist) entscheidet nicht eine Anstalt, sondern eine gemeinsame Kommission. Schmid will sich dort bei Fällen zu RTL für eine Übergangszeit vertreten lassen. Bedeutungsverlust ist für die LfM mit ihm aber kaum zu erwarten. Klar ist aber, dass der Aufseher Schmid wegen dem Lobbyisten Schmid unter verschärfter Beobachtung stehen wird.

Der Sohn eines Professors für physikalische Chemie und einer Altphilologin begann einst beim Verkaufskanal HSE. Auf Fotos wirkt er spröder als er ist. Eigentlich ist der in Freiburg geborene, promovierte Jurist ein Typ, der reichlich schnoddrig formulieren kann und von anderen Anzugträgern gut zu unterscheiden ist: an den hippiemäßig bunten Schnüren des Handy-Headsets, das seine Tochter mit Plastikperlen ausstaffiert hat.

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SZ vom 27.06.2016
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