Medienanwalt Ralf Höcker im Gespräch:"Kampagne gegen Herrn Kachelmann"

Medienanwalt Ralf Höcker vertritt Jörg Kachelmann. Hier äußert er sich über Taktik im Prozess, Gerichtsberichterstattung und einen Promi-Malus.

Christina Maria Berr

sueddeutsche.de: Herr Höcker, Sie sind Medienanwalt - worin liegen genau Ihre Aufgaben?

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Medienanwalt Ralf Höcker.

(Foto: picture alliance / dpa)

Ralf Höcker: Ich schütze Unternehmen, Prominente und sonstige Personen, die plötzlich ins Licht der Öffentlichkeit geraten, vor rechtswidriger Berichterstattung. Ich arbeite also vor allem juristisch. Doch auch die aktive Pressearbeit der Medienanwälte wird immer professioneller. Medienanwälte wildern vor allem bei Themen mit juristischem Bezug sehr erfolgreich im Revier der PR-Agenturen. Denn die verstehen nichts von Jura.

sueddeutsche.de: Sie meinen damit, dass versucht wird, ein bestimmtes Thema mit dem gewünschten Spin in die Öffentlichkeit zu bringen, sagen wir etwa: bei einem Gerichtsverfahren?

Höcker: Richtig. Gerade eben habe ich zum Beispiel mit Redaktionen telefoniert, die vielleicht über ein mögliches Wirtschaftsstrafverfahren berichten werden. Ich habe ihnen präventiv die wahren Hintergründe zu herumgeisternden Gerüchten erzählt und ihnen verdeutlicht, dass sie mich besser kontaktieren sollten, bevor sie irgendwelchen Unsinn schreiben. Der alberne aktuelle Modebegriff für solche Arbeit lautet "Litigation-PR". Ich nenne das schon immer "Anwaltliche Pressearbeit".

sueddeutsche.de: Wie wichtig ist die Rolle der Medien in einem Prozess?

Höcker: Jedenfalls nicht so wichtig, wie manche Journalisten glauben. Natürlich üben die Medien eine wichtige Kontrollfunktion aus. Der alte Satz, dass die Presse die "vierte Gewalt" sei, ist jedoch anmaßender Quatsch.

sueddeutsche.de: Kameras im Gerichtssaal sind mittlerweile vor Prozessbeginn zugelassen. Begrüßen Sie diese Entwicklung?

Höcker: Vor Verhandlungsbeginn halte ich eine Bildberichterstattung für vertretbar. Danach jedoch auf keinen Fall, denn mir kann niemand erzählen, dass ein Prozessbeteiligter vor Gericht genauso unbefangen aussagt, wenn er weiß, dass potentiell Millionen von Menschen, darunter Verwandte, Freunde und Kollegen, zusehen. Zu viel Öffentlichkeit ist schädlich für die Wahrheitsfindung. Zu wenig allerdings manchmal auch.

sueddeutsche.de: In den USA werden ganze Prozesse im Fernsehen übertragen. Wäre das auch hierzulande begrüßenswert?

Höcker: Nein, davon halte ich überhaupt nichts.

sueddeutsche.de: In Ihrem derzeit wohl prominentesten Fall als Medienanwalt im Fall Kachelmann hingegen werden die Öffentlichkeit und damit auch die Medien weitgehend ausgeschlossen. Wie bewerten Sie das?

Höcker: Ich halte das für falsch. Wenn zum Beispiel der behandelnde Psychotherapeut der Zeugin davon faselt, er könne "Todesangst riechen" und seine Patientin "stinke nach Todesangst", dann muss so etwas öffentlich werden. Denn immerhin haben die abstrusen, parawissenschaftlichen Thesen dieses Mannes dazu geführt, dass Herr Kachelmann länger in Untersuchungshaft sitzen musste.

"Einfluss auf die Gerichtsentscheidung"

sueddeutsche.de: Anderseits gelangen zahlreiche Akten an die Medien. Focus hat die Notizen des Opfers gedruckt, Spiegel und Zeit wussten hingegen schon früh Details zur Entlastung Kachelmanns. Wie kann so etwas durchsickern?

Höcker: Das fragen Sie besser die Staatsanwaltschaft. Ich habe vor einiger Zeit Staatsanwalt Oltrogge angerufen, weil ich in der Presse von angeblichen DNS-Untersuchungsergebnissen las, von denen wir Anwälte noch nie etwas gehört hatten. Oltrogge sagte mir, dass er das Ergebnis kenne, aber bisher nur eine telefonische Notiz seiner Ermittler hierüber habe. Die Information hatte den Kreis der Staatsanwaltschaft und ihrer Ermittler also noch gar nicht verlassen. Damit ist doch klar, dass entweder die Staatsanwälte selbst oder ihre Ermittler die Ergebnisse an die Presse gegeben haben müssen. Eine andere Möglichkeit fällt mir jedenfalls nicht ein. Ich lasse mich aber gerne eines hoffentlich Besseren belehren. Später stellte sich die Meldung übrigens als Ente heraus. Die angebliche DNS-Spur gab es gar nicht.

sueddeutsche.de: Staatsanwälte gehen bisweilen gerne mal mit Details an die Öffentlichkeit.

Höcker: Auch staatsanwaltschaftliche Pressearbeit ist in Ordnung und sogar wünschenswert - allerdings nur in den Grenzen, die die Landespressegesetze ziehen. Leider beachten viele Staatsanwälte diese Grenzen nicht. Zum Teil machen sie sogar den Eindruck, dass sie die Grenzen nicht einmal kennen. Sie wirken oft überfordert. Im Fall Kachelmann hat die Staatsanwaltschaft Mannheim eine eindeutig rechtswidrige Pressearbeit betrieben. Sie hat in Pressemitteilungen Schilderungen verbreitet, deren Bekanntgabe durch die Presse wir zuvor gerichtlich haben verbieten lassen. Damit hat sie diese rechtswidrigen Berichte auch noch nachträglich geadelt. Das war rechtswidrig. Die Staatsanwaltschaft hat sich so zum Komplizen von Focus und Bunte gemacht, die eine beispiellose Kampagne gegen Herrn Kachelmann führen.

sueddeutsche.de: Alice Schwarzer sagt viel und das ausführlich. Sie kommentiert den Kachelmann-Prozess für Bild und will nun auch ein Buch schreiben. Die Verteidiger Kachelmanns wollten das verbieten lassen. Warum lesen Sie das nicht erst mal?

Höcker: Das wollen wir doch, Frau Schwarzer lässt uns bloß nicht. Wir haben ihr angeboten, das Buch zu prüfen, bevor sie darin weiteren Unsinn verbreitet. Wenn man regelmäßig liest, was Frau Schwarzer zum Fall Kachelmann produziert, muss man ihr Buch nicht erst abwarten, um zu wissen, was davon zu halten sein wird. Wir haben beim Landgericht Köln schon drei einstweilige Verfügungen gegen ihre erschreckend einseitigen und unjournalistischen Artikel erwirkt. Man muss doch damit rechnen, dass ihr Buch wieder genauso viele Fehler und Rechtsverletzungen enthalten wird.

sueddeutsche.de: Verwundert es Sie, dass Frau Schwarzer Ihnen das Buch nicht zeigen will?

Höcker: Allerdings! Ihre Aufregung ist doch heuchlerisch, denn der Anzeigenerstatterin will sie das Buch schließlich auch zeigen. Frau Schwarzer selbst hat sich per Mail an das angebliche Opfer herangeschmissen, ihr das komplette Manuskript zum Lesen angeboten und sogar versucht, ihr einen bestimmten Medienanwalt aufzudrängen, der eine Medienstrategie für die Anzeigenerstatterin entwickeln sollte. Als sie in der Sendung Panorama zu diesem Vorgang befragt wurde, eierte die angeblich unparteiische Frau Schwarzer zunächst peinlich berührt herum. Als die Reporter sie schließlich mit ihren eigenen Mails konfrontierten, die Frau Schwarzer an Kachelmanns Ex-Bekannte geschrieben hatte, verließ sie das Interview, berief sich später auf die üblichen "Gedächtnislücken" und rechtfertigt die Kontaktaufnahme mit der Anzeigenerstatterin nun damit, dass sie "immer so arbeite". Schließlich müsse man Menschen, über die man schreibe, doch die Gelegenheit geben, sich zu äußern. Na also bitte! Da frage ich mich natürlich: Warum gilt das nicht für Herrn Kachelmann? Warum darf er das Buch nicht vorab lesen?

sueddeutsche.de: Ärgert Sie die Prozessberichterstattung?

Höcker: Natürlich stören mich falsche und persönlichkeitsrechtsverletzende Artikel über Herrn Kachelmann. Davon gibt es insbesondere bei Burda und Springer leider viel zu viele. Das Haus Hubert Burda fährt nach meiner Ansicht eine offensichtliche Kampagne gegen Jörg Kachelmann, die die Prozessberichterstattung pervertiert. Ich habe den Eindruck, dass man versucht, Einfluss auf die Gerichtsentscheidung zu nehmen. Einige seriöse Medien kritisieren Burda hierfür. Zu viele Journalisten üben sich aber in falsch verstandener Solidarität mit den Burda-Kollegen. Das halte ich für falsch und gefährlich.

sueddeutsche.de: Es ist aber äußerst fragwürdig, Durchsuchungen der Redaktionen zu fordern, wie das Kachelmanns Verteidiger Johann Schwenn gemacht hat. Gibt es einen Bonus für einen prominenten Angeklagten?

Höcker: Weder für Redaktionen noch für Prominente gibt es einen Bonus. Weshalb sollte man eine Redaktion nicht durchsuchen dürfen, wenn sie gegen das Recht verstößt? Und dass es für Herrn Kachelmann keinen Bonus gibt, sieht man doch an den unglaublichen Verrenkungen, mit denen im Verfahren die Aussage einer offensichtlich lügenden Belastungszeugin gerettet werden sollen (Anm. der Red.: Das ist die Meinung der Verteidigung. Ein Urteil des Gerichts wird für das neue Jahr erwartet.). Ein nicht prominenter Angeklagter wäre nach meiner Ansicht längst freigesprochen beziehungsweise gar nicht erst angeklagt worden. Er müsste sich nicht mit einem Reigen von Ex-Freundinnen auseinandersetzen, die alle als Zeuginnen gehört werden, obwohl sie nichts zu den konkreten Tatvorwürfen sagen können.

Ralf Höcker ist Medienanwalt und mit dem Fall Kachelmann betraut. Der 39-jährige Kölner hat selbst Medienerfahrung. Er moderierte die Show "Akte - Reporter decken auf" auf Sat 1 und auf RTL die Show "Einspruch - Die Show der Rechtsirrtümer." Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.

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