Medien in Ungarn:Auf der Liste

Knapp zwei Wochen nach der Schließung der ungarischen Zeitung "Népszabadság" stellt sich deutlicher denn je die Frage: Übernimmt die Regierung tatsächlich eines der letzten kritischen Medien des osteuropäischen Landes?

Von Cathrin Kahlweit

Das nächste Kapitel über die Geschichte der Schließung der ungarischen Traditionszeitung Népszabadság wird offenbar gerade geschrieben, aber es sind verschiedene Autoren am Werk. Die Redakteure selbst, die beurlaubt sind, weil die Eigentümerin, die ungarische Mediaworks, eine Einstellung des Blattes aus wirtschaftlichen Gründen verkündet hatte, sind am Donnerstag mit einer Kooperation an die Öffentlichkeit gegangen: Sie schlossen sich für eine Sonderausgabe mit den Machern der Obdachlosenzeitung Fedél Nélkül zusammen. In Gastbeiträgen forderten Autoren den Erhalt des kritischen Blattes; bisherige Népszabadsag-Redakteure publizierten Artikel über soziale Ausgrenzung, Armut und Obdachlosigkeit - auch mit Blick darauf, dass die Redaktion von den Eigentümern der Zeitung ohne Vorwarnung ausgesperrt worden war. Mitarbeiter berichten, die Idee sei ein riesiger Erfolg ; viele Käufer hätten freiwillig Hunderte Forint für die Kooperations-Ausgabe mit Fedél Nélkül bezahlt, um den Kampf für den Erhalt des regierungskritischen Blattes zu unterstützen.

Allerdings: Ungarische Medien melden, dass der Verkauf des Blattes an einen der Regierungspartei Fidesz nahestehenden Eigentümer schon beschlossen sei. Dabei soll es sich um Gabor Liszkay, Herausgeber der regierungsnahen Zeitung Magyar Idök, handeln. Liszkay wolle gemeinsam mit Lörinc Meszarös, Unternehmer und Freund von Ministerpräsident Viktor Orbán, das ganze Portfolio von Mediaworks übernehmen. Dazu gehören ein Dutzend lukrative Regionalzeitungen. Népszabadság-Redakteure geben an, es kursierten bereits Listen mit Mitarbeitern, die eventuell übernommen würden. Heinrich Pecina, Aufsichtsrat von Vienna Capital Partners, der Muttergesellschaft von Mediaworks, war zu einem Kommentar nicht bereit. Sollte Liszkay das Blatt übernehmen, wäre eines der letzten kritischen Medien letztlich in Regierungshand.

© SZ vom 21.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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