Medien-Ereignis Olympia:Casanova und andere weibliche Helden

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"Unpraktisch, uninteressant und unästhetisch": Wäre es nach Pierre de Coubertin, dem Vater der neuzeitlichen Olympischen Spiele, gegangen, gäbe es heute keine Frauen bei den Wettbewerben. Doch mittlerweile entsenden alle Teilnehmer-Länder Athletinnen. Die sehen gut aus, bringen Höchstleistungen - und sorgen für Skandale.

Johanna Bruckner

Tag sieben im Aquatics Centre ist nicht irgendein Tag, das wird gleich zu Beginn der Übertragung aus der Londoner Wassersportarena klar. "Der größte Schwimmer aller Zeiten tritt ab", sagt Katrin Müller-Hohenstein, mit einer Nüchternheit, die nicht so recht zur Tragweite der Ankündigung passt.

Olympics Day 6 - Gymnastics - Artistic

Anstrengung bis das geglättete Haar in seine naturkrause Form strebt. "Gabby" Douglas gewinnt Gold im Mehrkampf der Turnerinnen.

(Foto: Getty Images)

Doch dass die ZDF-Moderatorin genau den richtigen Ton getroffen hat, wird klar, als wenig später eben jener Schwimmer in Richtung Startblock schlappt. Wie immer trägt Michael Phelps Kopfhörer, darunter Badekappe, darüber Kapuze, und sein Gesichtsausdruck spiegelt eher Konzentration als Abschiedsschmerz wider.

Für emotionale Ausbrüche ist an diesem Abend eine Frau zuständig. Mama Phelps sackt nach dem Sieg ihres Sohnes über 100 Meter Schmetterling überwältigt an der Bande der Zuschauertribüne zusammen. Gut, es ist die 21. Olympia-Medaille des 27-jährigen US-Amerikaners, seine 17. goldene - aber wo bleibt der Freudentanz am Beckenrand?

Anregung hätte sich Phelps beispielsweise beim Trainer der Gewichtheberin Svetlana Podobedova holen können. Der hüpfte nach dem Sieg seines Schützlings so ausgelassen herum, dass der Eurosport-Kommentator schon Mutmaßungen anstellte, der Mann habe heldenhaft herumliegende verbotene Substanzen eingenommen, um seine Athletin vor einer positiven Dopingprobe zu bewahren.

Phelps hingegen rollt nicht mal ein Tränchen der Rührung über die schmalen Wangen. Vielleicht guckt Daniela Katzenberger ja deshalb lieber Athletinnen zu. Bei einem Benefiz-Turnier für Kinder habe sie "zwei Mädels vom Bodenturnen kennengelernt", sagte die Berufs-Blondine jüngst angesprochen auf Olympia. "Nach denen halte ich immer Ausschau."

Frauen stellen im Zweifelsfall nicht nur die größeren Gefühle zur Schau (siehe Mama Phelps), sie sehen auch besser aus. Findet zumindest Daniela Katzenberger: Die Olympioniken seien ihr "alle viel zu dünn", so das harte Urteil der Personality-Doku-Darstellerin und Buchautorin.

Nun mag Mann einwenden, dass eine Kritikerin, die ihre Bekanntheit auf die Stirn tätowierten Augenbrauen verdankt, eher zum Spott-Objekt als zur Sport-Expertin taugt. Doch auch wenn die "Katze" von professioneller Körperertüchtigung keine Ahnung haben mag, sie hat einen Riecher für Trends: Und in London sind Frauen präsenter denn je. Nicht nur, dass erstmals alle Teilnehmer-Länder Sportlerinnen entsandt haben - selbst Saudi-Arabien hat zwei Athletinnen auf die Insel geschickt.

Die Damen haben längst in allen relevanten Disziplinen zu den Herren aufgeschlossen: Sie liefern Hingucker, Höchstleistungen - und Skandale. Seien es die vielzitierten Beachvolleyballerinnen in ihren nun nicht mehr ganz so knappen Outfits. (Der Rock-Zwang für Amateurboxerinnen wurde ja bedauerlicherweise von einem Beauty-Banausen, mutmaßlich weiblich, doch noch gekippt.) Seien es Schwimmerinnen, die schneller durchs Wasser gleiten als der aktuell beste Mann in dieser Disziplin, oder Basketballerinnen, die tatsächlich Dunken können, was in diesem Fall eine Frau, nämlich ZDF-Moderatorin Jana Thiel, kaum glauben mag. (Von selbigem abgefallen sein dürften auch die australischen Basketballerinnen, die ihre langen Glieder auf dem Flug nach London in der Economy Class anziehen mussten - während sich ihre männlichen Kollegen in der Business Class entspannen konnten.)

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