Süddeutsche Zeitung

"The European Collection":Drei Länder, eine Mediathek

Öffentlich-rechtliche Sender aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz starten eine gemeinsame Programminitiative. So was wie Netflix mit Europasternchen also? Ein Test.

Von Kathrin Müller-Lancé

Es gibt eine kleine, aber gemeine Fehlermeldung, die die große Idee vom europäischen Fernsehen bislang noch ziemlich oft ausbremst. Wer schon mal versucht hat, von Frankreich aus den Tatort live zu streamen oder von Deutschland aus die Abendnachrichten von France 2 zu gucken, kennt sie vermutlich, so oder so ähnlich: "Dieser Inhalt ist in Ihrem Land leider nicht verfügbar."

Dank einer neuen Initiative kann das europäische Publikum aufatmen, zumindest ein bisschen. Das Versprechen nennt sich "The European Collection": Eine gemeinsame Programminitiative von Arte, ARD, ZDF, der Schweizer Radio- und Fernsehgesellschaft SRG SSR und den französischen France Télévisions (hier heißt das Ganze übrigens, traditionell anglizismenkritisch: "la collection européenne"). Finanziell unterstützt wird das Programm von der Europäischen Union.

Thematisch geht es weit über die drei beteiligten Länder hinaus

Erster Wermutstropfen: Eine schicke neue Plattform, ein Netflix mit Europasternchen, gibt es nicht. Das Programm ist lediglich über die Mediatheken der Sender zu finden. Heißt: Beim ZDF sieht "The European Collection" nach ZDF aus, bei Arte nach Arte. Das Angebot beschränkt sich auf Reportagen und Dokus - Spielfilme und klassische Nachrichtenformate findet man hier nicht. Im Grunde handelt es sich um ein Upcycling zeitloser Inhalte: Die Beiträge wurden nicht extra für die neue Kooperation produziert, sondern stammen aus den Archiven der Sender. Ein kurzer Vorspann mit klassischer Musik sorgt vor jedem Video für Bildungsbürger-Spirit.

Bei Arte und der ARD sind die Videos nach Themen (zum Beispiel Demokratie, Klima, Gesundheit) sortiert, beim ZDF steht alles durcheinander: Jugendarbeitslosigkeit in Spanien neben schmelzenden Gletschern in den Alpen neben Winterschwimmen in Estland. Thematisch geht es also weit über die drei Länder hinaus, die bei der Initiative mitmachen. Es gibt 3-Minuten-Beiträge genauso wie längere Dokumentarfilme. Insgesamt sollen die Inhalte etwa 90 Tage lang online bleiben. Das Angebot werde sich regelmäßig erneuern, teilt Arte als federführender Sender mit, ein fester Rhythmus sei aber nicht vorgesehen.

Wer gerne in der Originalsprache guckt, dem sei die Arte-Mediathek empfohlen: Arte-Produktionen findet man hier wie üblich auf Deutsch und Französisch, die Untertitel decken außerdem Englisch, Italienisch und Spanisch ab. Bei ARD und ZDF gibt's die meisten Beiträge nur in deutscher Fassung - schade.

Ist das der Durchbruch der europäischen Öffentlichkeit? Die europäische Super-Digital-Plattform, von der der ehemalige BR-Intendant Ulrich Wilhelm immer träumte? Eher nicht. "The European Collection" ist am Ende vor allem eine Art aufgehübschte Arte-Mediathek. Der Großteil der eingestellten Sendungen stammt von dem deutsch-französischen Sender, zum Beispiel viele Folgen der Formate Re: oder Mit offenen Karten.

Dass in den Mediatheken die Ländergrenzen aufgeweicht werden, ist trotzdem schon mal ein erster Schritt. Für alle, die sich für Politik und Gesellschaft in Europa interessieren, kann sich ein Blick auf die Seiten durchaus lohnen. Vielleicht weitet sich das Programm ja noch aus. Und im Gegensatz zu Netflix ist immerhin alles kostenlos.

"The European Collection", über arte.tv.

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