"Me Too":Attacke

May 30 2019 New York NY U S RACHEL MADDOW speaking at BookExpo in New York City on May 30 20

Hat seit elf Jahren eine Show zur besten Sendezeit: Die US-Moderatorin Rachel Maddow.

(Foto: Michael Brochstein/Imago)

Rachel Maddow hat seit elf Jahren eine Show zur besten Sendezeit. Jetzt hat sie ihre Chefs angegriffen - live im Fernsehen. Haben diese die Enthüllungen über Harvey Weinstein verhindert?

Von Willi Winkler

Rachel Maddow ist für viele Amerikaner und erst recht für die Fernsehkonsumenten im Land nur schwer zu verkraften. Sie ist überhaupt nicht blond und trägt auch noch diese strenge Lehrerinnenbrille, sie redet in komplizierten, hypotaktischen Sätzen mit vielen Fremdwörtern und greift alles an, was Namen und Ansehen hat.

Und dann ist sie auch noch ganz offensiv lesbisch. Bereits auf der Uni wurde sie unfreiwillig geoutet, was ihren Eltern, die der Tochter doch eine strengkatholische Erziehung angedeihen ließen, keine geringe Freude bereitet haben muss.

Dass sie in Stanford und Oxford studiert hat, lässt sie die Zuschauer ihrer Rachel Maddow Show, die seit elf Jahren jeden Abend zur besten Sendezeit läuft, nicht ungern spüren: Mit Hilfe eines fleißigen Teams gräbt sie in der US-amerikanischen Nachkriegsgeschichte und kann schlagend beweisen, dass die Politik nicht erst seit Donald Trump korrumpiert ist.

Hat ihr Sender vor zwei Jahren die Enthüllungen über Harvey Weinstein verhindert?

Dem gegenwärtigen Präsidenten verdankt sie ihre sagenhafte Quote; an manchen Tagen liegt sie sogar vor Sean Hannity, der als einzige Nicht-Blondine, aber als Trumps treuester Knappe beim Sender Fox News wirkt.

Auf diese Marktmacht kann die 46 Jahre alte Rachel Maddow offensichtlich vertrauen, denn sonst hätte sie am vergangenen Freitag nicht live, also ohne die Möglichkeit eines Zensureingriffs, ihren Arbeitgeber angegriffen. Die Rachel Maddow Show läuft bei MSNBC, der zu NBC gehört, jenem Sender, der vor zwei Jahren die Enthüllungen des Reporters Ronan Farrow als "nicht sendefertig" abgelehnt hat.

Diese Enthüllungen, die Ronan Farrow dann im Magazin New Yorker veröffentlichte, haben unter anderem zum Sturz des Filmproduzenten Harvey Weinstein geführt, die "Me Too"-Debatte befeuert und dem Autor schließlich den Pulitzerpreis eingebracht.

In seinem Buch "Catch and Kill" (deutsche Ausgabe unter dem Titel "Durchbruch") wirft er NBC vor, dass der Sender seine Ermittlungen behindert und die eigenen Mitarbeiter gedeckt habe.

Tatsächlich wurde später Matt Lauer gefeuert, der Chef der Today-Show, nachdem ihn eine Mitarbeiterin sexueller Übergriffe bezichtigt hatte. Ronan Farrow durfte seine Anschuldigungen, die NBC bestreitet, am Freitag bei Rachel Maddow wiederholen. Die Moderatorin ergänzte, dass es "nur sehr schwer zu verkraften" sei, "dass einflussreiche Leute in diesem Haus dabei mitgewirkt haben sollen, dass diese Kerle nicht zur Verantwortung gezogen werden".

Rachel Maddow ist nicht blond, aber ohne sie wäre das amerikanische Fernsehen noch weniger erträglich.

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