MDR-Rundfunkrat lehnt Bernd Hilder ab:Von Anfang an fragwürdig

Beim MDR spitzt sich die Krise zu: Nach dem Kika-Millionen-Skandal und den dubiosen Geschäften des ehemaligen Unterhaltungschefs Foht lässt der Rundfunkrat Bernd Hilder als Intendanten durchfallen. Die Gremienvertreter zeigen sich dennoch erfreut.

Christiane Kohl, Leipzig

Hat am Ende vielleicht tatsächlich dieses Formular den letzten Ausschlag gegeben? Jene mit krakeliger Handschrift ausgefüllte Gebührenanmeldung des Intendantenkandidaten Bernd Hilder aus dem Jahr 2005. Die in Magdeburg erscheinende Zeitung Volksstimme hatte am Wochenende darüber berichtet. Hilder hat, ausweislich der Kopie seiner Gebührenanmeldung, auf die Frage: Bezahlen Sie Rundfunkgebühren?, ein "Ja" angekreuzt und dazu das Wort "leider" handschriftlich hinzugefügt. An diesem Montag sollte er, bisher Chefredakteur der Leipziger Volkszeitung, Nachfolger des MDR-Gründungsintendanten Udo Reiter werden. Nach den Regie-Vorgaben aus der sächsischen Staatskanzlei hätte der Journalist mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit des 43 Mitglieder zählenden Rundfunkrates gewählt werden sollen.

Intendantenwahl beim MDR - Hilder einziger Kandidat

"Endlich Zeit, nach einem guten Kandidaten zu suchen", lautete eine der Stimmen nach Bernd Hilders gescheiterten Wahl zum MDR-Intendanten.

(Foto: dpa)

Doch es kam anders in der ehemaligen Fleischbörse des früheren Leipziger Schlachthofes, einem schmucken gelben Backsteinbau, in dem die Intendanz des MDR residiert. Es kam zum Aufstand. Von 41 anwesenden Rundfunkräten votierten nur zwölf für Hilder, 29 stimmten gegen ihn - eine vernichtende Niederlage, nicht nur für den 52-jährigen Hilder, der mit gerötetem Gesicht das Ergebnis entgegen nahm. Auch sein Mentor, der Chef der sächsischen Staatskanzlei Johannes Beermann (CDU), dürfte durch das Debakel beschädigt sein. Beermann, der seit einigen Monaten im Namen des sächsischen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich (CDU) die Medien-Koordination der christdemokratischen Länder übernommen hat, gilt als Drahtzieher der missglückten Wahl.

Das in die Öffentlichkeit gebrachte GEZ-Papier, drei Seiten, das die Gebühreneintreiber der Rundfunkanstalten bei ihren Kontrollgängen in den Briefkasten werfen, wenn sie meinen, einen Schwarzseher entdeckt zu haben, soll jetzt bei der Entscheidung des MDR-Rundfunkrates keine Rolle gespielt haben, ist aus dem Umfeld von Udo Reiters zu erfahren. Auch habe Hilder das "leider" möglicherweise gar nicht selbst eingefügt. Das ausgefüllte Formular wird, in elektronischer Form, auf dem Server der GEZ in Köln gelagert, als "Teilnehmerkonto". Auf diesen Server hat man aber von verschiedenen Richtungen aus Zugriff und damit wohl in jeder ARD-Anstalt.

Zufall ist das nicht, dass dieses Papier gerade jetzt aufgetaucht ist. Ein Faksimile des Gebühren-Formulars war nun in der Magdeburger Volksstimme veröffentlicht worden. Entsprechend musste Hilder bei seiner kurzen Vorstellung im Rundfunkrat auch darauf eingehen. Nach den Berichten von Sitzungsteilnehmern erklärte er etwas vage, dass es sich wohl um eine Fälschung handeln müsse. Ob er denn bereits Strafanzeige wegen dieses ungeheuren Vorwurfs gestellt oder eine Gegendarstellung verlangt habe, kam als Nachfrage im Gremium. Hilder habe sich herausgeredet, "es kam kein wirklich handfestes Dementi", sagt Wolfgang Marr, der als Mitglied des Deutschen Journalistenverbands (DJV) im MDR-Rundfunkrat sitzt.

Wann die Demontage begonnen hatte

Dass ein Intendant nicht bei den Rundfunkgebühren tricksen darf, ist klar, und ob Hilder wirklich gefehlt hat, ist noch nicht erwiesen. Doch seine Demontage hatte lange vorher begonnen - im Moment seiner Nominierung.

Am 5. September hatte der Verwaltungsrat des MDR Hilder offiziell als einzigen Kandidaten für das Intendanten-Amt benannt. Dass ein Zeitungsmann einen mächtigen ARD-Sender führen soll, wäre zumindest erklärungsbedürftig gewesen - aber es ist nie richtig erklärt worden. Stattdessen wurde Hilder in vier quälenden Wahlgänge von den sieben Mitgliedern des Verwaltungsrates zum Kandidaten gemacht.

Die Umstände der Nominierung waren an diesem Montag auch ein Thema im Rundfunkrat. So wurde kritisiert, dass Verwaltungsrat Gerd Schuchardt (SPD) den Kandidaten Hilder später nur in einer kurzen schriftlichen Erklärung dem Rundfunkrat zur Wahl empfohlen habe. Verärgert konterte Schuchardt: In der Sitzung des Verwaltungsrates sei ganz offenbar versucht worden, einzelne Mitglieder zu beeinflussen - nach jedem Wahlgang sei unterbrochen worden - weil sich die CDU-Vertreter berieten?

Offenbar brauchte es am Ende nur noch eine Kleinigkeit, um Hilder zu stürzen. Nun spitzt sich die Krise im Skandal-Sender MDR weiter zu: In einer der größten öffentlich rechtlichen Anstalten war erst der Millionen-Skandal beim Kindersender Kika aufgeflogen und dann die dubiosen Geldgeschäfte des ehemaligen MDR-Unterhaltungschefs Udo Foht. Schließlich das Hickhack im Vorfeld der Intendanten-Wahl, und nun der Showdown mit dem rasanten Durchfall des Kandidaten Hilder.

Mitarbeiter des MDR, die gleich nach Bekanntwerden der gescheiterten Wahl spontan auf den Hof vor der Fleischbörse traten, schienen erstaunlicherweise gar nicht so unglücklich über das Ergebnis: "Endlich Zeit, nach einem guten Kandidaten zu suchen", lautete eine der Stimmen. Auch DJV-Vertreter Wolfgang Marr schien die Lage nicht zu beunruhigen. Nun sei "kein Zeitdruck" angebracht: "Das war ein Sieg der Aufrechten", charakterisierte er das Ergebnis, eine Entscheidung, "bei der die politische Farbenlehre keine Rolle gespielt hat". Es müsse "in aller Ruhe" nach einer Lösung gesucht werden: "Der MDR spielt in der Champions-League", so Marr, "er hat einen entsprechenden Kandidaten verdient." Noch der letzte Satz des Rundfunkratsvorsitzenden Johannes Jenichen, der ebenfalls nicht unglücklich über das Ergebnis schien: "Ich habe einen tollen Rundfunkrat, das Ergebnis ist ein Zeichen unserer Unabhängigkeit."CHRISTIANE KOHL

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