Süddeutsche Zeitung

MDR:Fürchtet euch nicht

Peter Escher gilt als "Robin Hood" des MDR-Fernsehens, nun macht er sich auf zu neuen guten Taten: Im "Mutcamp" hilft er Menschen mit alltäglichen Phobien.

Von Cornelius Pollmer

Peter Escher wurde einmal der "Robin Hood des MDR" genannt, aber das war deutlich untertrieben. Escher, 62, hat für den Mitteldeutschen Rundfunk schon Help-TV produziert, als man Nepper, Schlepper und Bauernfänger noch Nepper, Schlepper und Bauernfänger nannte. Escher kannte den Enkeltrick schon, als heutige Großeltern noch gar keine Enkel hatten. Und Escher liegt mit seinem 2008 erschienen Lebensbericht noch immer auf Platz zwei in der inoffiziellen Amazon-Kategorie "Bücher >Biografien & Erinnerungen >Memoiren Prominenter mit naheliegendem Titel". Auf seine Sendung Ein Fall für Escher folgte die Biografie Ein Fall für mich. Das war gut, genügte aber natürlich nicht, um Karl Dall von Platz eins zu verdrängen: Auge zu und durch.

Augen zu und durch, das ist im Grunde auch das Motto von Eschers neuer Sendung, die er an der Seite der Psychotherapeutin Shital Balser bestreitet. Im Mutcamp läuft zwar gleich zu Beginn eine Spinne über eine Holzkiste, weshalb man kurz fürchten muss, Sonja Zietlow würde nun für eine Regionalvariante des Dschungelcamps aus dem Hochseilgarten in der Dresdner Heide zugeschaltet. Tatsächlich aber kümmern sich Balser und Escher mit Ernst und bekömmlicher Heiterkeit um die Phobien ausgewählter Zuschauer aus dem Sendegebiet. Für Kinder gab es das bereits, nun sind Erwachsene dran: Simone gruselt sich vor Spinnen, Ute vor Enge, Patricia vor Höhe. Maik hat Angst vor dem Fliegen, aber das ist schon wieder deutlich untertrieben. Schon auf einer kleinen Außentreppe befällt Maik der Schwindel, ein klarer Fall für Escher: "Halt dich fest, du hast mich ja."

Über fünf Folgen arbeiten Balser und Escher mit den Freiwilligen, Letzterer gibt vorweg ein Versprechen: "Es muss niemand ewig mit seinen Ängsten leben, dafür gibt's uns ja!" Das klingt zunächst nach einem, der weder Höhe noch Hochmut fürchtet, aber der Fall bleibt aus. Patricia wird vom MDR mit der Hebebühne zu Hause abgeholt, die Flugangst von Maik wird in kleineren Schritten angegangen, wie die Off-Stimme protokolliert: "Schon der Besuch des Flughafens sorgt bei ihm für Herzrasen und weiche Knie." Diese Off-Stimmen kippen manchmal ein wenig ins Bauer-sucht-Frau-hafte ("die lebenslustige Vertriebsleiterin"). Sie stiften auch Verwirrung, wenn der On-Air-Escher vom hörbar Eierkarton-umbauten Off-Escher direkt abgelöst wird. Doch diese Mängel bleiben welche in der B-Note eines wegen seiner Protagonisten gelungenen Versuchs.

Zu sehen sind vier Menschen, die sich teilweise bewundernswert ihren populären Ängsten stellen, ohne ihren Versuch zu heroisieren. Simone lässt sich via VR-Brille in ein Terrarium beamen. Ute besteigt trotz Todesangst den gläsernen Fahrstuhl der üppig konzipierten Media City des MDR in Leipzig. Selbst Maik krabbelt nach anfänglichen Rückschlägen - "Flug hier, Flug dort, ich kann das ni' mehr hör'n" - in einen Heißluftballon. Es lohnt, Zeuge dieses Normalbürgermuts zu werden. Und es keimt die kleine Hoffnung, Peter Escher könnte mit seiner nächsten Sendung einen dann allerdings aussichtsarmen weiteren Versuch unternehmen. Ein Wutcamp für cholerische Nörgelsachsen, wäre das nichts?

Mutcamp, MDR, 19.50 Uhr, 1. bis 4. und 6. August

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Quelle:
SZ vom 01.08.2016
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