Verlegerverband:Ein unmoralisches Angebot

Verlegerverband: In Essen ist man wütend: Die Funke Mediengruppe von Verlegerin Julia Becker will zum nächstmöglichen Termin aus dem BDZV austreten.

In Essen ist man wütend: Die Funke Mediengruppe von Verlegerin Julia Becker will zum nächstmöglichen Termin aus dem BDZV austreten.

(Foto: Eventpress/imago images)

Julia Becker forderte den BDZV-Präsidenten Mathias Döpfner zum Rücktritt auf, dann bietet man ihr den Posten der Vizepräsidentin an. Über eine Frau in einem Riesendilemma.

Von Aurelie von Blazekovic

Für das Dilemma, in dem Funke-Verlegerin Julia Becker gerade steckt, musste einiges zusammenkommen. Die Enthüllungen über Julian Reichelt und sein Gebaren als Chefredakteur der Bild, die neueren Enthüllungen über Springer-Vorstand Mathias Döpfner und seine Versuche, die Affäre zu vertuschen, und außerdem: Ein Verband von Zeitungsverlegern, von dem bis vor ein paar Monaten die wenigsten nur gehört haben dürften.

Der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV), dessen Präsident Döpfner seit 2016 ist, zeichnete sich bisher, zumindest in der Öffentlichkeit, nicht durch einen Hang zum Dramatischen aus. Doch seit Döpfner von den Verlegern in dem 17-köpfigen Präsidium des BDZV - unter ihnen übrigens nur eine einzige Verlegerin (Inken Boyens der in Heide ansässigen Boyens Medien) - trotz der Springer-Affäre in seinem Amt bestätigt wurde, und nach den neueren Enthüllungen aus dem Januar gar nicht erst erneut infrage gestellt wurde, kommt es im BDZV um die Person Döpfner zu Wendungen und machtpolitischen Schachzügen, die jeden Drehbuchautoren begeistern müssten.

Julia Becker drohte schon mit dem Ausstieg der Funke-Gruppe aus dem Verband

Nachdem Döpfner im Präsidium zunächst großen Rückhalt erfahren zu haben schien, anders als im gesamten Verband, wo sich seit Beginn der Springer-Affäre Kritik an dem Präsidenten regte, bebte es in den letzten Wochen auch in den obersten Riegen des BDZV. Döpfners Stellvertreter Thomas Düffert trat aus dem Präsidium zurück. Ohne dessen Namen zu nennen, spielte Düffert, der Geschäftsführer der Zeitungsgruppe Madsack, in einem Schreiben zu seinen Beweggründen auf die Causa Döpfner an: Klar sei, dass man als Branche nur dann beste Chancen habe, sich Gehör zu verschaffen, wenn man "gemeinsam vertrauensvoll" zusammenarbeite.

Eine, die weiter ging, ist Julia Becker, Verlegerin der Funke-Gruppe. Sie und Funke forderten Döpfner in der vergangenen Woche zum Rücktritt auf. In einem Schreiben hieß es, man halte die "geforderte Trennung von Präsidentenamt und Person für nicht haltbar", sehe die Glaubwürdigkeit der gesamten Branche gefährdet. Bereits bei einer BDZV-Sitzung im Februar drohte Funke mit dem Austritt aus dem Verband. Damit "wollen wir ein deutliches Zeichen setzen, dass sich etwas ändern muss", hieß es in dem Statement.

Julia Becker ist nicht selbst Teil des Präsidiums, hat als Verlegerin der drittgrößten Verlagsgruppe Deutschlands aber besonderen Einfluss im Verband. Der Mitgliedsbeitrag im BDZV ermisst sich an der Auflagenstärke. Funke mit seinen zwölf Regionalzeitungen (u. a. WAZ, Berliner Morgenpost und Hamburger Abendblatt) gehört zu den größten Beitragszahlern, der Geschäftsführer der Funke-Mediengruppe Christoph Rüth ist Teil des Verbands-Präsidiums. So viel zur Vorgeschichte.

Döpfner oder nicht Döpfner, das ist jetzt die Frage

Nun also zum nächsten Schachzug und damit zum Dilemma. Wie am Dienstag bekannt wurde, bieten jetzt die drei übrigen Vize-Präsidenten des BDZV Julia Becker den durch Thomas Düffert frei gewordenen vierten Stellvertreterposten an. Julia Becker könnte also von der harten Kritikerin Döpfners zu seiner Stellvertreterin avancieren. Pragmatisch könnte man jetzt sagen: Sie könnte im Falle einer Zusage echten Einfluss in der auch von ihr kritisierten Führung des Verbands ausüben. Man muss dann aber auch sagen: Sie würde auf Döpfners Seite der Macht wechseln.

Döpfner oder nicht Döpfner. Sagt sie Ja zu einer Beteiligung an Döpfners Präsidentschaft, den sie gerade noch als Gefahr für die Glaubwürdigkeit der Branche darstellte? Oder sagt sei Nein, um in diesem Punkt integer zu bleiben, was aber auch den Verzicht auf die Chance bedeutete, eine zentrale Stimme unter den deutschen Zeitungsverlegern zu werden und tatsächlich Dinge zu verändern. Becker steht unter Zugzwang.

Auf Nachfrage bei Funke bittet eine Sprecher am Mittwoch um Verständnis, dass man sich noch nicht zu dem Schreiben der Vizepräsidenten äußern könne, "erst mal beantwortet Frau Becker es". Dass sie für diese Antwort, für die Entscheidung für oder gegen mehr Einfluss, für oder gegen Döpfner, ein wenig Zeit brauchen wird, ist nachvollziehbar. Becker, 1972 geboren, Enkelin des Gründers der WAZ Jakob Funke und Stieftochter des jahrelangen Funke-Geschäftsführers Günther Grotkamp, ist nicht nur in ihrem Konzern, sondern auch in der deutschen Verlegergemeinschaft fest verwurzelt. Das spricht aber auch dafür, dass man sie in ihrem taktischen Geschick für den Umgang mit Verband und Verlegern nicht unterschätzen sollte. Der nächste Schachzug, dieser von Julia Becker, wird zeigen, wie revolutionsbereit sie wirklich ist.

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