Maschmeyer gegen ARD-Doku:Die Papierflut-Taktik

Betrogene Kleinanleger und unglaubliche Vorwürfe: Wie Carsten Maschmeyer, Gründer des Finanzdienstleisters AWD, die ARD unter Druck setzt, um die Ausstrahlung eines Films über sich und die Politik zu verhindern.

Ralf Wiegand

Am liebsten, sagt das Opfer und wischt sich eine Träne aus dem Auge, "am liebsten würde ich der Frau Ferres einen Brief schreiben und ihr mitteilen, was der mit uns gemacht hat".

Carsten Maschmeyer

Carsten Maschmeyer, Finanzunternehmer und - wider Willen - erneut Thema einer Dokumentation.

(Foto: AP)

Der ist Dr.h.c. Carsten Maschmeyer, Lebenspartner der Schauspielerin Veronica Ferres und Hauptdarsteller wider Willen in der ARD-Reportage Der Drückerkönig und die Politik.

Dort erzählen um ihr Vermögen gebrachte Menschen dem Reporter Christoph Lütgert, wie sie angeblich von Beratern des Finanzdienstleisters AWD übers Ohr gehauen wurden. Manche hätten dabei ihr gesamtes Erspartes verloren, andere sogar Schulden gemacht, um in Anlagen des Finanzoptimierers zu investieren.

Maschmeyer, der sich erst vor kurzem wieder einem Millionenpublikum als Wohltäter in Erinnerung rief, als er 1,4 Millionen Euro für die Aktion Ein Herz für Kinder spendete, habe sein beträchtliches Vermögen und seinen gesellschaftlichen Rang auf dem Betrug von Tausenden von Kleinanlegern aufgebaut, behauptet der Film, wobei Kontakte in die höchste Politik wiederum die Geschäftserfolge befördert hätten.

Die steile These unters Volk zu bringen, macht dem NDR allerdings eine Menge Ärger. Denn Maschmeyers Anwalt Matthias Prinz hat alle Hebel in Bewegung gesetzt, die Ausstrahlung des Films zu verhindern, die Autoren zu diskreditieren, den gesamten ARD-Verbund zu verunsichern. "Dieses Vorgehen hat eine neue Qualität", sagt NDR-Justiziar Klaus Siekmann.

Scharmützel an drei Gerichtsorten

Reporter-Urgestein Lütgert hat Maschmeyers Aufstieg in die höchsten Kreise schon länger im Visier. Der Selfmade-Mann aus Hannover zählt Alt-Kanzler Gerhard Schröder und Bundespräsident Christian Wulff zu seinen persönlichen Freunden.

Schon am 8. September 2010 sendete der NDR, damals im Dritten, eine Dokumentation über Maschmeyer, den AWD und angeblich bis zum Totalverlust geschädigte Kleinanleger. Seitdem, sagt NDR-Justiziar Siekmann, "ist so gut wie kein Tag vergangen, an dem wir nicht mit dieser Angelegenheit beschäftigt gewesen wären".

Mit einer ganzen Reihe von juristischen Vorstößen hatte Maschmeyer, der das Unternehmen AWD 2007 verkaufte, über seine Anteile am Neueigentümer Suisse Life aber weiter davon profitiert, durch seinen Hamburger Anwalt Prinz versucht, die Wiederholung des strittigen Films vom September unmöglich zu machen.

Etliche Personen, die in dem Stück zum Teil nur am Rande ins Bild laufen, ließen sich nun von Prinz vertreten und ihre Persönlichkeitsrechte per Einstweiliger Verfügung schützen, andere Teile des Film sollten wegen strittiger Urheberrechte nicht wieder verwendet werden dürfen. Mal hatte Prinz Erfolg, mal nicht. Viele kleine Scharmützel, die Prinz gleich an drei Gerichtsorten initiierte.

"Forum shopping" nennen Fachleute diese Strategie, die Richter verärgert und vor allem den Beklagten eine Menge Arbeit macht. "Ich habe den Eindruck", sagt der stellvertretende Chefredakteur des NDR, Stephan Wels, dass so "möglichst viel existierendes Bildmaterial vom Markt genommen werden soll, um weitere Filme unmöglich zu machen".

Dass es einen neuen, zweiten Film gegen würde, wissen Maschmeyer und sein Anwalt Prinz seit Dezember aus einer Programmankündigung des NDR. Sie kennen das Stück aber nicht - und die Rundfunkanstalt achtete bei ihrer Pressevorführung am Dienstag auch tunlichst darauf, nur namentlich bekannte Pressevertreter zuzulassen.

Komplexe Anfragen

Denn inzwischen hat Prinz, der spätestens seit dem Caroline-Urteil als die Koryphäe für die Wahrung von Persönlichkeitsrechten Prominenter in den Medien gilt, die Schlagzahl noch einmal erhöht. Mit gleich mehreren Schreiben wandte sich der Anwalt an alle Intendanten und Justiziare sämtlicher neun ARD-Anstalten und warnte sie vor der Ausstrahlung des Films.

Die "zu erwartenden Rechtsverletzungen unseres Mandanten" seien geeignet, schrieb die Kanzlei, "dass das Handeln des NDR bzw. der ARD (...) als Präzedenzfall dazu geeignet wäre, die Grenzen der gebührenfinanzierten und gesetzlichen Grundversorgung gerichtlich feststellen zu lassen".

Beim NDR ist man empört über die Vorwürfe, die Maschmeyer über seinen Rechtsbeistand formulieren ließ. Die NDR-Reporter hätten ihn bedrängt und verfolgt, trotz mehrmaliger Aufforderung nie konkrete "Recherchefragen" gestellt. Eine "schlechtere Recherche" sei kaum denkbar.

Gegen jede journalistische Sorgfaltspflicht sei verstoßen worden. Mehr noch: "Das Vorgehen des NDR (...) legt den Verdacht nahe, dass die NDR-Redaktion von AWD-Wettbewerbern zur Geschäftsschädigung instrumentalisiert wird." NDR-Justitiar Siekmann übersetzt das so: "Wir sollen auf der Payroll der AWD-Konkurrenten stehen." Ein ungeheuerlicher Vorwurf.

Prinz sieht seine Post lediglich als Aufforderung, den zweiten Film auf die Wiederholung von Fehlern zu prüfen, die im ersten Beitrag seiner Meinung nach gemacht wurden.

Für die NDR-Redaktion hingegen steht eine Tsunami-Taktik dahinter: Alle möglichen Stellen sollen mit so komplexen Anfragen überschwemmt werden, dass die ARD-Sendung zum Risiko wird. An diesem Mittwoch, 21.45 Uhr, wird sie ausgestrahlt.

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