Im besten Fall sind Superhelden-Filme oder -Serien keine Studien der Übermenschlichkeit, sondern von Menschlichkeit. Wandavision bietet in diesem Sinn schon mal eine gute Prämisse, denn die Superhelden Wanda (Elizabeth Olsen) und Vision (Paul Bettany) werden in die allerspießigste, engste Version einer US-Kleinstadt der 1950er-Jahre geworfen, wo sie sich den Ritualen der dort lebenden Menschen anpassen wollen, um nicht aufzufallen.
Vision ist ein Android, ein fast schon transzendentales Wesen aus dem Marvel-Kosmos, reine Intelligenz eigentlich, sehr mächtig, aber gelegentlich rührend unbedarft. Wanda, seine Partnerin, ist nicht ganz so mächtig, aber immerhin noch sehr stark in der Telekinese. So sieht man sie in der ersten Folge beim verzweifelten Versuch, seinem Chef und dessen Frau ein spontanes Abendessen zu zaubern, im Wortsinn. In der Küche schweben Töpfe, Pfannen, Rührbesen und Hummer wie an Nylonfäden umher, als gebe es noch keine computergenerierten Effekte, sondern als müsste jede Illusion noch wie zu Zeiten von Raumpatrouille Orion mit physischen Tricks erzielt werden. Überhaupt ist Wandavision eine Metaerzählung, denn nicht nur tut moderne Tricktechnik so, als sei sie alte Tricktechnik - die ganze Serie ist eine Persiflage einer Serie, zu Beginn schwarz-weiß, im 4:3-Format, dargeboten im Stil einer altbackenen Comedy, mit Lachern vom Band.
In der zweiten Folge werden Wanda und Vision durch Sozialdruck genötigt, bei einem Talentwettbewerb mitzumachen, sie entscheiden sich für eine Zaubershow, was zu Komplikationen führt, denn beide können Dinge herbeiwünschen oder verschwinden lassen, sie müssen es aber für die Kleinstädter so aussehen lassen, als seien das Täuschungen und nicht wirkliche Fähigkeiten. Wanda und Vision versuchen also beide, sich als schwächer, dümmer und kleingeistiger auszugeben, als sie eigentlich sind. Ihr Bemühen, menschlich zu wirken, verhilft der Serie nicht nur zu Humor, sondern auch zu Wärme. Der Ehealltag von Cape-Trägern ist obendrein mal eine spannende Perspektive.
Allerdings muss man schon sehr kundig sein im Marvel-Kosmos, in dem Wanda und Vision bislang eher Nebenfiguren waren, um die erste Folge mit Gewinn zu sehen. Selbst wenn man jeden Avengers-Teil kennt, entgehen einem viele Anspielungen. Die Serie ist nicht nur als Metaerzählung angelegt, sondern Meta-Meta.
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Das wird spätestens in der dritten Folge klar, wenn Wanda und Vision sich in den 1970er-Jahren einfinden, die Farben nun knallbunt, die Haare lang, die Röcke kurz, obwohl die Handlung bruchlos weiterläuft. Wanda wird schwanger und bringt wenige Stunden später Zwillinge zur Welt. Da Vision im bislang letzten Teil der Avengers-Serie sterben musste, erscheint es möglich, dass die Serie bis hierhin überhaupt eine Illusion war, im Sinne von Edgar Allan Poes Gedicht: nur ein Traum in einem Traum. Leider sind von Disney erst drei Folgen zur Voransicht zur Verfügung gestellt worden, man weiß also nicht, ob es daraus ein böses oder schönes Erwachen gibt. Aber bis dahin macht es Vergnügen, diesen zwei Superhelden dabei zuzusehen, wie sie versuchen, absolut nicht super zu sein.
Wandavision , bei Disney+.