Streit um "Judenstern"-Kolumne:Harald Martenstein verlässt "Tagesspiegel"

Streit um "Judenstern"-Kolumne: Kolumnist Harald Martenstein: "Ich habe meine Meinung nicht geändert."

Kolumnist Harald Martenstein: "Ich habe meine Meinung nicht geändert."

(Foto: Britta Pedersen/dpa)

Der Journalist schreibt nicht mehr für die Zeitung, nachdem die Chefredaktion seine umstrittene Kolumne über "Judensterne" auf Corona-Demos löschte.

Von Claudia Tieschky

Der Journalist Harald Martenstein verlässt den Berliner Tagesspiegel, nachdem die Zeitung vorige Woche seine umstrittene Kolumne "Nazi-Vergleiche" aus dem Internet gelöscht hat. Das erklärt er in seiner Kolumne auf der ersten Seite der Zeitung an diesem Sonntag. Es sei kein Geheimnis, schreibt Martenstein, "dass die Chefredaktion des Tagesspiegels sich in aller Form von einem meiner Texte distanziert und gelöscht hat. Ich war in diese Entscheidung nicht eingebunden". So etwas bedeute in der Regel, dass man sich trenne. "Ich habe diese Entscheidung getroffen."

Martenstein, der auch Kolumnist im Zeit-Magazin ist, hatte am 6. Februar im Tagesspiegel über das Tragen von "Ungeimpft"-Armbinden in der Form von "Judensternen" bei Demos gegen die Corona-Maßnahmen geschrieben. Demonstranten wollten sich dadurch "zum totalen Opfer machen", schrieb Martenstein. Das sei "immer eine Anmaßung, auch eine Verharmlosung, es ist für die Überlebenden schwer auszuhalten". Jedoch sei der "Judenstern" bei den Demos "sicher nicht: antisemitisch", denn seine Träger identifizierten sich ja mit den in der NS-Zeit verfolgten Juden.

An dieser Sichtweise gab es, wie die Tagesspiegel-Chefredaktion dann vergangene Woche in einer Erklärung mitteilte, "sowohl innerhalb der Redaktion als auch von Leserinnen und Lesern" starke Kritik. Die Staatsanwaltschaft ermittelt inzwischen zunehmend gegen Impfgegner, die sich mit den im Nationalsozialismus verfolgten Juden vergleichen - das verharmlose den Holocaust. Martensteins Kolumne hätte so nicht veröffentlicht werden sollen, zu diesem Schluss sei man "nach eingehenden Gesprächen - auch mit Wissenschaftlern und Betroffenen" gekommen. Es gehöre zwar zum Selbstverständnis des Tagesspiegels, ein breites Meinungsspektrum abzubilden. Aber "nicht alles, was rechtlich betrachtet gesagt werden darf, ist dem Ton des Tagesspiegels angemessen", heißt es wörtlich.

Martenstein dagegen kritisiert die Löschung und steht zu seinen Aussagen: "Ich habe meine Meinung nicht geändert. Vielleicht irre ich mich. Wo man glaubt, nur man selber sei im Besitz der Wahrheit, bin ich fehl am Platz". Der Journalist arbeitete seit 1988 für die Berliner Regionalzeitung.

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