Markus Schächter im Gespräch:"Das ZDF ist wieder auf Kurs"

ZDF-Intendant Markus Schächter über ein schweres Jahr, Wunden, eine Programmreform 2011 und seine Zukunft.

Christopher Keil

SZ: Herr Schächter, was hat das ZDF dem vom Verwaltungsrat geschmähten früheren Chefredakteur Nikolaus Brender zu verdanken?

Markus Schächter, Foto: dpa

"Mein Sohn wird nicht Intendant".

(Foto: Foto: dpa)

Markus Schächter: Die klare Haltung eines unabhängigen Publizisten und eines professionellen Journalisten. Eine präzise Vorstellung von der Zukunft der Information in einer digitalen Welt und ein ökonomisches Mitdenken, das uns sehr geholfen hat.

SZ: Reden Sie sich da eine für Sie sehr brisante Personalie schön?

Schächter: Brender, das wusste man, als er vom WDR kam, ist kein einfacher Mensch. Mit seinen ambitionierten Zielen ist er immer auch ein hartes Gegenüber gewesen, ein knorriger, selbstbewusster Denker, besessen von seiner Vorstellung, das beste Informationsprogramm zu realisieren.

SZ: Brenders Nachfolger Peter Frey ist ein offenbar verträglicher Mensch. Wird er ein Konsenschefredakteur, geduldet vom Verwaltungsrat, von Ihnen in der Not nominiert?

Schächter: Alles falsch - Peter Frey ist jetzt schon der Typ des außergewöhnlich respektierten Chefs, mit dem man gemeinsam lange Wege gehen will. Konziliant und zielstrebig, kollegial und entscheidungsfreudig, sehr unabhängig.

SZ: Die Ablehnung Brenders durch den auch mit Ministerpräsidenten wie Roland Koch (CDU) besetzten Verwaltungsrat hat Ihnen eine Führungskrise und dem Sender eine Glaubwürdigkeitskrise gebracht. Selten wurde der Zugriff der Politik auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk deutlicher. Hätten Sie, mit den heutigen Einsichten auf die Abläufe, etwas anders machen können?

Schächter: Ich hatte Brender vorgeschlagen. Der Vorschlag ging nicht durch, das habe ich zu akzeptieren. Das Jahr hat Kraft gekostet, aber der Weg war ohne Alternative. SZ: Die unterschiedlichen Interessen der Politiker auszugleichen, ist Teil Ihres Alltags. Hat Sie trotzdem die Brutalität überrascht, mit der Koch und die Unionsmehrheit im Verwaltungsrat ihre Interessen durchgesetzt haben?

Schächter: Ich hatte guten Grund zur Annahme, dass sich eine einvernehmliche Lösung erreichen lässt. Das ist nicht eingetreten.

SZ: Sind Sie Brender dankbar, weil an seinem Beispiel sichtbar wurde, dass Staatsferne nur im Staatsvertrag steht? Schächter: Der Verwaltungsrat hatte nach den Regeln die Möglichkeit, meinen Vorschlag abzulehnen. Das hat er getan. Ich habe unmittelbar danach die Handlungsfähigkeit des Senders gesichert. In einer kurzfristig einberufenen Sondersitzung hat das Gremium meinen Vorschlag, Peter Frey zum neuen Chefredakteur zu berufen, einstimmig angenommen. Ich habe zweitens die Politik aufgefordert, für klare Rechtsgrundlagen zu sorgen. Der ZDF-Staatsvertrag wird jetzt vom Bundesverfassungsgericht geprüft. Es wird eine Klärung geben.

"Die Wunden im System bleiben sichtbar"

SZ: Die Wunden im System bleiben trotzdem sichtbar.

Schächter: Es liegt vor allem an uns, den Heilungsprozess zu beschleunigen. Wir sind emotional, konzeptionell und strategisch so aufgestellt, dass wir mit aller Kraft nach vorne gehen. Das ZDF ist wieder auf Kurs. Klar, Narben bleiben, als Mahnung, dass wir für unsere Unabhängigkeit kämpfen müssen.

SZ: Was bedeutet, das ZDF ist wieder auf Kurs?

Schächter: Wir arbeiten mit der ganzen Kraft eines zentralen, gut aufgestellten Unternehmens und mit einer Geschäftsleitung, die sich als Team versteht, unsere Prioritätenliste ab. So wird auch das Programmschema für das nächste Jahr optimiert.

SZ: Reagieren Sie damit auf den Privatsender RTL? RTL drängt an die zweite Position im Markt.

Schächter: Wir reagieren damit auf Veränderungen im Zuschauerverhalten.

SZ: Welche Züge wird das neue Schema tragen?

Schächter: Klare Profile und Kanten in Kenntnis des Zuschauerverhaltens in einer veränderten Medienwelt. Was die Zukunftsfähigkeit des ZDF angeht, so sind wir besser aufgestellt als die meisten Sender in Europa. Wir bauen den alten Einkanalsender ZDF zu einem Multimedia-Haus um. Die KEF (Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten) hat uns gerade für unsere Planung gelobt. Die lobt selten.

SZ: Ihre Konkurrenten aus den kommerziellen TV-Unternehmen sehen sich angesichts der Wirtschaftskrise im Nachteil. In den vergangenen Monaten wurde Pro Sieben Sat1 von der Medienpolitik deutlich daran erinnert, dass auch privates Fernsehen eine gesellschaftliche Verantwortung tragen muss - beispielsweise, indem es für seriöse Nachrichten sorgt. Welche Verantwortung haben die Gebühren-Sender ARD und ZDF gegenüber ihren Partnern im dualen System?

Schächter: Das duale System braucht ein starkes kommerzielles Gegengewicht. Ein starker Wettbewerb zwingt uns, die Qualität und den Erfolg unserer Angebote ständig zu prüfen. Die Erfolgsgeschichte der BRD ist ja auch eine Erfolgsgeschichte der Qualitätsmedien in diesem Land. Verlage und Sender haben dazu beigetragen, dass Öffentlichkeit funktioniert. Daher ist jede Fehlfunktion - sei es, dass Private ihren Informationsauftrag reduzieren oder das System eine ökonomische Schlagseite bekommt - ein Hinweis auf ein zu lösendes Problem.

SZ: ARD und ZDF könnten auf Werbung verzichten, fast acht Milliarden Gebühren sollten reichen.

Schächter: Das Beispiel Frankreich zeigt, dass Werbung, die nicht mehr bei öffentlich-rechtlichen Sendern geschaltet werden kann, keineswegs automatisch zu kommerziellen Anbietern geht. In Frankreich steigt die Erkenntnis, dass das Modell Allemande, also die in Zeit und Umfang eingeschränkte Werbung, optimal ist. Umfragen dort zeigen, dass von den 600 relevanten Unternehmen 100 angeben, nur beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu werben, weil sie dort ihre Zielgruppen finden. Ein Wort bitte noch zur beklagten Finanznot der kommerziellen Sender: Wenn ich höre, dass die Rendite von Pro Sieben Sat 1 bei 26Prozent liegt, also deutlich höher als bei stolzen Unternehmen wie Eon, Daimler oder der Telekom, dann hält sich mein Mitgefühl doch sehr in Grenzen.

"Wir sparen auch"

SZ: Auch die Verleger kritisieren das öffentlich-rechtliche Milliardenspiel. Die Printbranche fühlt sich bei ihren Versuchen, im Internet Geschäftsmodelle zu entwickeln, durch die finanzielle Feudalherrschaft von ARD und ZDF mit presseähnlichen Portalen behindert.

Schächter: Ich verstehe die Ängste. Deshalb hat das ZDF erklärt, im Netz, also dort, wo wir seit einigen Jahren aufeinandertreffen, an keiner Stelle kommerzielle Interessen zu verfolgen.

SZ: ARD und ZDF verzichten auf Werbung im Internet.

Schächter: Keine Werbung, keine Anzeigenportale, keine Stellen- und Tauschbörsen und so weiter. Die Verleger können erkennen, dass im großen weltweiten Netz für uns alle Platz ist. Wir sollten schauen, dass wir im Internet gemeinsam gestalten können. Ich biete das gerne an.

SZ: Herr Schächter, Ihre Amtszeit geht noch bis 2012.

Schächter: Eine lange Zeit.

SZ: Was sind bis 2012 die wichtigsten Aufgaben?

Schächter: Wir setzen unsere langfristige Digitalstrategie Schritt für Schritt um und sind damit technisch, inhaltlich für die Zukunft gut aufgestellt.

SZ: Mit Gebührenerhöhungen können ARD und ZDF nicht mehr rechnen, stattdessen mit zunehmenden Gebührenausfällen. Passen teure Sportrechte noch zum Versorgungsauftrag auf allen Vertriebswegen? Andere Inhalte müssen sich deswegen beschränken.

Schächter: Wer weniger Sport bietet, schafft weniger Bindung beim Gesamtpublikum. Die großen Sportereignisse Fußball-WM, Olympia, Bundesliga, werden bleiben. Aber wir sparen auch. Es wird im ZDF vom Sommer an kein Boxen mehr geben. Das ist ein zweistelliger Millionenbetrag, den wir anders einsetzen können. Wir werden im Sport unseren Produktionsaufwand reduzieren, Synergien heben und Prioritäten setzen.

SZ: Die Olympiarechte können Sie ja praktischerweise im Sender verhandeln. IOC-Vizepräsident Thomas Bach ist Mitglied des ZDF-Fernsehrates.

Schächter: Nein, er ist nicht mehr Mitglied des Fernsehrats. Auch als er das noch war, hat er nie aus dieser Funktion heraus mit uns verhandelt.

SZ: Gibt es einen Abschluss für die Spiele 2014/16?

Schächter: Nein, wir wissen aber, was wir zahlen können.

SZ: Denken Sie als Hierarch dynastisch?

Schächter: Wenn Sie meine Nachfolge ansprechen: Mein Sohn wird nicht Intendant.

SZ: Die Frage war, ob Sie Ihre Nachfolge aktiv mitgestalten werden?

Schächter: Wenn Sie aus dem Fenster schauen, dann sehen Sie: Ich sitze hier an der Biegung eines großen Flusses.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: