Süddeutsche Zeitung

Alice Weidel bei "Markus Lanz":"Das war eben schon falsch"

Die mögliche Spitzenkandidatin der AfD zur Bundestagswahl erhält in der Talkrunde von Markus Lanz viel sachlichen und präzisen Widerspruch. Zum Gaga-Gespräch wird der Abend teilweise dennoch.

Von Cornelius Pollmer

Die Sendung von Markus Lanz hatte zuletzt häufiger was vom Boxen. Der Moderator saß da, im Maßanzug, akkurat bis in die Zahnzwischenräume. Er lockte seine Gäste mit Blumenwürfen ("freue mich sehr, dass Sie da sind"), auch mit andeutungsweiser Zustimmung ("da haben Sie 'nen Punkt"). Markus Lanz holzte dann aber wirklich wie von Sinnen los, sobald die Leute eingelullt genug waren, um ihre Deckung kurz aufzugeben.

Zu den großen Kämpfen des Moderators in diesem Jahr gehören ein sehenswertes Unentschieden gegen Markus Söder und ein technischer K.-o. gegen Armin Laschet. Laschet saß am Ende der Behandlung ungläubig erschüttert in seiner leidenschaftslos cremefarben gepolsterten Sitzschale, als hätte er gerade eine schlimme Diagnose vom Arzt bekommen und das hatte er ja in gewisser Weise auch.

Am Dienstag trat Alice Weidel gegen Markus Lanz an. Weidel sei jemand, den man gar nicht erst einladen dürfe, hieß es sofort beim Hausmeister- und Kurznachrichtendienst Twitter, wo Leute gegen die Langeweile gerne Programmbeschwerden formulieren. Alice Weidel ist aber auch Co-Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, sie ist damit nominell Oppositionsführerin und sie kandidiert zudem, wie sei bei Lanz offenbarte, als Co-Spitzenkandidatin der AfD zur Bundestagswahl. Muss niemand gut finden.

Auch wenn das kein Mensch zugeben wird, war das Setting der Sendung voll auf Weidel ausgerichtet. Zwischen ihr und dem Moderator saß FDP-Generalsekretär Volker Wissing, den Lanz recht unmittelbar zu einer Art Vorkampf forderte. Wissing kritisierte die aus seiner Sicht fehlende Verhältnismäßigkeit von Eingriffen in Grundrechte und nannte als Beispiel die Ausgangssperre. Lanz arbeitete Rechthaberei und Wankelmut der FDP in der Corona-Politik heraus.

Zu Weidels anderer Seite saßen Ann-Kathrin Müller, Redakteurin des Spiegel, und Timo Ulrichs, Mikrobiologe und Professor. Wenn Weidel nun abstritt, die AfD repräsentiere parlamentarisch durchaus sogenannte "Querdenker", oder wenn sie insinuierte, in Deutschland sei spätestens sehr bald eine "De-facto-Impfpflicht" zu beklagen, dann war die Frage nicht, ob jemand aus der Runde sie überwiegend sachlich korrigieren würde. Es war einzig die Frage, wer dies tun würde.

Weidel wurde durch Müller daran erinnert, dass das Freiheitsrecht einer Gruppe, sich nicht impfen zu lassen, das Grundrecht auf Gesundheit einer womöglich viel größeren Gruppe einschränken könne. Weidel wurde daran erinnert, dass man Corona-Daten auch mutwillig falsch deuten kann ("Mit Zahlen, Daten, Fakten hat Ihre Partei ja auch ein bisschen ein Problem", sagte Ulrichs ruhig). Und Alice Weidel wurde auch gestellt, wenn sie Verdrehtes ein zweites Mal an- und unterbringen wollte. Lanz sagte: "Das war eben schon falsch".

"Quatsch", rief Weidel da mal zurück. "Haben Sie gerade Quatsch gesagt?", fragte Lanz. "Ich habe gerade Quatsch gesagt", sagte Weidel. Dafür gab es von der Jury siebeneinhalb Kohlköpfe auf der nach oben offenen Louis-de-Funès-Skala für Gaga-Gespräche in Bild und Ton. So viele gab es sonst nur noch an einer einzigen weiteren Stelle dieses Abends, als nämlich Lanz und Weidel sich wie folgt nicht einig wurden: "Nein." - "Doch." - "Nein." - "Doch." Ohh.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5284753
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/aner
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.