Marie Mouroum im Porträt:In der Ruhe liegt die Kraft

Lesezeit: 4 Min.

Marie Mouroum ist Stuntfrau, Model und Schauspielerin. Sie lebt in Berlin. (Foto: Abini Gold/Abini Gold)

Marie Mouroum lernte mit Kampfsport, sich zu wehren. Jetzt spielt sie als Stuntfrau in Filmen wie "Black Panther" und dem nächsten James Bond.

Von Jacqueline Lang

Den Kopf kahl geschoren, Kriegsbemalung quer über das Gesicht, den Speer fest in der rechten Hand, den Blick erhoben und ernst - so war Marie Mouroum 2018 im Kino zu sehen. Sie spielte ein Mitglied der Elite-Einheit Dora Milaje, deren Aufgabe es ist, den König von Wakanda alias Black Panther im gleichnamigen Kinofilm zu beschützen. Im Geschäft ist Mouroum, deren Afrolocken mittlerweile wieder schulterlang sind, allerdings schon viel länger. Es dauerte knapp ein Jahrzehnt, bis ihr Gesicht auf der Leinwand zu sehen war. Denn Marie Mouroum ist vor allem Stuntfrau und -double. Sie ist die einzige schwarze Stuntfrau in Deutschland und hat es jetzt auch nach Hollywood geschafft.

Fragt man die 28-Jährige, wie alles angefangen hat, sagt sie: "Meine Mama wollte, dass ich mich verteidigen kann." Um sich wehren zu können gegen die Skinheads, die in Berlin-Friedrichshain auch ein paar Jahre nach der Wende mit ihren Glatzen, Bomberjacken und Springerstiefeln noch gut als solche zu erkennen waren. Bei einem Spaziergang über das Gelände des Sportforums Hohenschönhausen erzählt Mouroum, eingepackt in einen knöchellangen, rosafarbenen Wintermantel, wie das damals war, als sie mit ihrem Bruder Marvin dort gemeinsam Leichtathletik trainierte. An der Sporthalle hätten sie immer gewartet und sind erst dann zur Haltestelle gelaufen, wenn die Straßenbahn eingefahren sei - um so den Rechten zu entgehen. Mouroum spricht über ihre Rassismuserfahrungen ohne Wut. "Du findest dich mit dem Gedanken ab, dass es Menschen gibt, die dich nicht hier haben wollen." Als Kind habe sie sich jedenfalls nie wehrlos gefühlt. Trotzdem sollte vieles, was sie in ihrer Jugend erlebt hat, keineswegs Normalität sein, sagt sie und verweist auf die Black-Lives-Matter-Bewegung. Die Proteste im vergangenen Jahr und die daran anknüpfenden Gespräche mit schwarzen Freunden haben bei Mouroum vieles an die Oberfläche gespült, was sie lange verdrängt hatte. Auf Instagram äußert sie sich inzwischen auch immer wieder zum Thema.

"Man ist nicht nur Double, sondern muss selber auch schauspielern können."

Als Jugendliche ging es für Mouroum aber bald nicht mehr nur um Selbstverteidigung; 2007 flog sie nach Singapur, zu den Weltmeisterschaften in Pencak Silat, einer indonesischen Vollkontakt-Kampfsportart. Sie wurde Junioren-Weltmeisterin. Etwa zeitgleich traf sie bei einer Show auf ihr Idol Jackie Chan, bekam ihre ersten Aufträge als Sportmodel und bewarb sich als Statistin für den Film "Ninja Assassin". Sie bekam die Rolle, obwohl sie als Tochter einer Deutschen und eines Kameruners eigentlich nicht ins gewünschte Profil asiatisch-gelesener Schauspieler und Statisten passte.

Damals, mit gerade mal 15, verschwendete Moroum aber noch keinen Gedanken daran, mit perfekt ausgeführten Backflips einmal dauerhaft ihr Geld verdienen zu können. "Ich wollte einfach nur besser werden", sagt Mouroum und lächelt verschmitzt. Für ihr Abitur und später ihren Bachelor in Sporttherapie und Prävention an der Uni Potsdam hat sie dann zwischen den Trailern am Filmset gelernt.

Mittlerweile wird sie immer häufiger auch als Schauspielerin angefragt, am liebsten würde sie bald nur noch eigene Rollen spielen. Aber dann kam das Angebot, in einem Bond-Film zu doubeln. Und zwar die erste Frau, die nicht mehr nur Neben-, sondern Hauptdarstellerin ist: Lashana Lynch ist die neue 007-Agentin, Mouroum ihr Double. Ganze acht Monate hat sie für den Film "Keine Zeit zu sterben" gedreht, dessen Veröffentlichung nun zum wiederholten Male verschoben wurde.

Was aber bedeutet das eigentlich, jemanden zu doubeln? "Man ist nicht nur Double, sondern muss selber auch schauspielern können, ist Trainer und Motivator", erklärt Mouroum. Es geht also um weit mehr als nur darum, die Schauspielerin und ihre Bewegungsabläufe zu imitieren und schwere Stunts zu übernehmen. Im besten Fall hilft Mouroum der Schauspielerin dabei, so viele Szenen wie möglich selbst zu drehen. Das macht das Schneiden des Films am Ende einfacher. Für die Schauspielerinnen, mit denen Mouroum arbeitet, bedeutet es aber auch hartes Training.

Und sie erklärt: Oft seien simple, große Bewegungen und Stunts leichter nachzuvollziehen für das ungeschulte Auge als hochkomplexe Bewegungsabläufe. Seit immer mehr Filme animiert werden, kämpft sie häufig auch mal gegen unsichtbare Gegner, die sie erst später zu Gesicht bekommt, wenn sie sich den Film im Kino anschaut. Beim Film "Avengers: Infinity War" etwa kämpfte sie tagelang gegen imaginäre Monster. "Dabei ernst zu bleiben ist auch nicht immer so leicht."

Wäre es nach Regisseur Coogler gegangen, hätte sie gar nicht in "Black Panther" mitspielen sollen

Doubeln kann Mouroum Frauen nahezu jeden Alters und jeder Statur. Notfalls nimmt sie zu oder ab, rasiert sich die Haare oder lässt sie sich wachsen. Nur Weiße oder Asiatinnen könnte und würde sie als Schwarze nicht spielen wollen. "Ich finde das schlimm, und das darf nicht passieren. Ich verstehe, dass es schwer ist, das passende Double zu finden, da ich die einzige schwarze Stuntfrau bin, aber dann muss die Produktion eben internationale Stuntleute einfliegen lassen." Mouroum weiß um die Gefahren des Stuntbusiness und kann von Stuntfrauen erzählen, die nicht gut genug ausgebildet waren und tödlich verletzt wurden.

Moroum selbst hat sich herausgekämpft - vor allem mit ihrer Rolle in "Black Panther". Dabei hätte sie, wäre es nach Regisseur Ryan Coogler gegangen, gar nicht in dem Film mitspielen sollen - weil er sie nicht schwarz genug fand. Mouroum sagt, sie könne das sogar verstehen, immerhin spielt die Geschichte in Wakanda, dem fiktiven afrikanischen Land, das als einziges nicht von Weißen kolonialisiert worden ist. Der Stunt-Koordinator wollte Mouroum aber unbedingt im Team haben, und so wurde sie schließlich die einzige am Set, deren Eltern nicht beide schwarz sind - und die einzige Deutsche.

Die innere Ruhe, die die junge Frau ausstrahlt, steht zwar im ersten Moment im großen Kontrast zu den harten Kämpfen, die sie auf der Leinwand austrägt, doch Mouroum sieht da keinen Widerspruch. Ihre positive Art hätte sie gerade dem Kampfsport zu verdanken, sagt sie. Ihre Trainer hätten sie gelehrt "humble", demütig zu sein, sagt Mouroum, die immer wieder englische Wörter in ihre Sätze streut. Und dann ist es wieder da, dieses leicht verschmitzte Lächeln, das man in Zukunft vermutlich häufiger auf der Leinwand sehen wird.

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