Marie Curie:Zwei Nobelpreise für ein Leben

Sie war die erste Frau, die einen Nobelpreis erhielt, Pionierin der Physik und Chemie und eine der herausragendsten Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts: An diesem Montag vor 144 Jahren wurde Marie Curie geboren, vor 100 Jahren erhielt sie ihren zweiten Nobelpreis.

Zwei Nobelpreise in zwei verschiedenen Disziplinen - bis heute ist die am 7. November 1867 in Polen geborene Marya Salomea Sklodowska alias Marie Curie die einzige Frau, der diese Ehre zuteil wurde. Und das, obwohl sie in ihrer polnischen Heimat als Frau nicht einmal studieren durfte und schon 1891 nach Paris umziehen musste, um das zu tun, was ihr Leben bestimmen sollte: forschen. Ihren Erfolg erarbeitete sich Marie Curie gegen alle Widerstände. Google ehrt sie heute mit einem Doodle.

marie curie

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(Foto: dpa)

"Marie Curie befreite sich von den Zwängen ihrer Rolle als Frau und ging ihrer genialen Begabung nach", erklärt die Psychoanalytikerin Margarete Mitscherlich. "Sie bekam als erste Frau in zwei unterschiedlichen Disziplinen, die immer als männlich galten, den Nobelpreis - in Physik und Chemie."

Mit ihren Entdeckungen auf dem Gebiet des radioaktiven Zerfalls veränderte sie unser Weltbild. Und an der Pariser Universität Sorbonne lehrte sie als erste Professorin. Familie und Karriere zu vereinen, schien für die fast schon besessen forschende Curie ebenfalls kein Problem zu sein: Sie experimentierte kurzerhand gemeinsam mit ihrem Mann Pierre Curie, brachte 1897 ihre erste Tochter zur Welt und entdeckte 1898 gleich zwei neue Elemente: Radium und Polonium.

Experimente mit rätselhaften Steinen

Seit das Uran in Reinform bekannt ist, wusste Marie Curie, dass es von alleine leuchten kann - schwach, aber sichtbar. Die Curies vermuteten einen Fall von Lumineszenz, ein Nachleuchten, das auch andere Stoffe auszeichnet, wenn sie zuvor starken Lichtquellen ausgesetzt waren. Eher zufällig entdeckte nun, im Jahre 1896, Becquerel, dass Uran auch dann strahlt, wenn es im ewigen Dunkel verharrte.

Auf die Spur kommt er ihm, als er im Schrank auf eine fotografische Platte ein Stück Uran legt und dessen Umrisse darauf hinterher klar erkennt. Die Effekte erinnern an jene Strahlen, die Wilhelm C. Röntgen ein Jahr zuvor auf elektromagnetischem Weg erzeugt hatte - eine revolutionäre Neuheit. Die Röntgenstrahlen und ihre fantastischen Möglichkeiten waren es auch, die die inzwischen sogenannten Becquerelstrahlen aus dem Forscherinteresse verdrängten.

"Ich mag ja das Radium"

Es war nur halb im Scherz gemeint: "Ich mag ja das Radium", schrieb Henri Becquerel an die Freunde Marie und Pierre Curie, "aber das nehme ich ihm übel." Der Brief war etwa zur vorletzten Jahrhundertwende aufgegeben worden, und die Beschwerde traf nicht die Falschen.

Pierre Curies Entdeckungen fürs Atomzeitalter

Marie und Pierre Curie forschten ihr Leben lang Seite an Seite.

(Foto: dpa)

Das Pariser Physiker-Ehepaar Marie und Pierre Curie hatte das Radium, ein silbriges Metall, erst kurz zuvor entdeckt, besser gesagt: zum ersten Mal extrahiert, am 21. Dezember 1898. Es war für die schmächtige Marie eine Knochenarbeit an schwarzen, sehr rätselhaften Steinen.

Was Becquerel, Physikprofessor ebenfalls aus Paris, dem Radium verübelte: Ein Stück hatte ihm quälende Verbrennungen am Oberkörper beigebracht, als er es längere Zeit in seiner Weste aufbewahrt hatte, ganz absichtlich. Ihm war bekannt gewesen, dass Radium es in sich trug. Er wusste, dass das Metall 900 mal so stark strahlt wie ein anderes, dessen wundersame Eigenschaften er selbst zwei Jahre zuvor aufgespürt hatte: das Uran. Aber dass es so aggressiv sei?

Die Curies hatten ihn dazu mit ihren eigenen Selbstversuchen angestachelt. Sie hatten dies der Akademie der Wissenschaften vorgetragen, nachdem sie "genüsslich", wie Curie-Biografin Françoise Giroud schreibt, die Veränderungen an ihrem Körper beobachtet hätten, ausgelöst durch das Berühren von Radium.

Von "tiefen Verwundungen" war die Rede, von "Schuppenbildung" und "Verhärtungen" der Haut, die "manchmal sehr schmerzhaft" seien. Mutwillig stürzten sich die Forscher in ihre Experimente, weil die Wissenschaft große Hoffnungen hegte in mögliche Heilkräfte des Radiums. Die Erwartung: die Strahlung könnte wuchernde Krebszellen angreifen. Man stand in internationalem Wettbewerb, hatte schon von Selbstversuchen deutscher Forscher gehört.

Pechblende und das Radium

Curie starb an Anämie

Bis die 30-jährige Studentin Marie Curie etwas später ein Thema für ihre Doktorarbeit suchte und auf die Becquerelstrahlen verfiel. Gemeinsam mit ihrem Mann untersuchte sie Uran, sie untersuchte Pechblende.

Da die Strahlen die Luft leitfähig machen, konnte Curie ihre Stärke leicht durch ein Elektrogerät messen. Was sie bald schon elektrisierte: Die Pechblende, der Ausgangsstoff, strahlte viermal so stark wie das extrahierte Uran. Wie konnte dieses Ergebnis zustande kommen? Es gibt nur eine Erklärung: Die Pechblende muss mindestens ein weiteres, weit stärker strahlendes Metall enthalten. In aufwendiger Handarbeit extrahierte Curie zunächst Polonium. Und zuletzt: Radium, die am stärksten strahlende Materie, die damals bekannt war.

Radium wurde zum Modebegriff, Gaststätten und Kinos wurden sogar nach ihm benannt. Die Strahlentherapie, ob mit Radium oder anderem Material, zog wie erwartet ein in die Schulmedizin. Otto Hahn entwickelte aus den strahlenden Stoffen 1938 die künstliche Kernspaltung, Robert Oppenheimer 1945 die Atombombe. Und die Pioniere?

Marie Curie klagte während ihrer Arbeit zunehmend über Mattigkeit, 1934 starb sie im Alter von 67 Jahren an Anämie, die manche Forscher auf ihren Umgang mit dem Radium zurückführen. Ihr Mann starb 1906 bei einem Verkehrsunfall. Ob Becquerels Tod 1908 mit seiner Arbeit zusammenhing, gilt als ungeklärt.

1984 wurde das Notizbuch von Marie Curie für umgerechnet 136.000 Mark versteigert, in Anwesenheit eines Zivilschutzbeamten. Das Buch ist noch heute so stark verstrahlt, dass es als unlesbar gilt.

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