Süddeutsche Zeitung

"Me Too"-Debatte:Maria Schrader soll bei Film über Weinstein-Enthüllungen Regie führen

Der Film "She Said" soll die Recherchen zweier Reporterinnen der "New York Times" nachzeichnen, die die "Me Too"-Bewegung ins Rollen brachten.

Von Juri Auel

Knapp vier Jahre nachdem Berichte der New York Times über sexuelle Übergriffe des einstigen Film-Moguls Harvey Weinstein die "Me Too"-Debatte auslösten und damit weltweit den Blick auf sexualisierte Gewalt und Missbrauch lenkten, soll die Arbeit der federführenden Journalistinnen hinter den Enthüllungen in einem Film nacherzählt werden. Die deutsche Regisseurin und Schauspielerin Maria Schrader wird bei dem Film, der den Titel "She Said" trägt, Regie führen.

"Ich freue mich sehr über diese Herausforderung", sagt Maria Schrader in einem Statement. "Was die beiden Reporterinnen Megan Twohey und Jodi Kantor vor vier Jahren aufgedeckt haben, hat unsere gesamte Gesellschaft nachhaltig verändert. Dass mir die Regie bei diesem Projekt angeboten wurde, ist eine große Ehre und Freude." Für Schrader markiert dieser Regieauftrag aus den USA einen gewaltigen Karrieresprung.

Der Film soll die Recherchen der beiden New-York-Times-Journalistinnen Twohey and Kantor nachzeichnen, die mit ihrer Berichterstattung über Machtstrukturen in der Filmbranche und die sexuellen Übergriffe des mittlerweile verurteilten Weinstein weltweit für Aufsehen sorgten. Für die Rollen der beiden mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneten Reporterinnen stehen Berichten zufolge Carey Mulligan und Zoe Kazan in letzten Verhandlungen.

Schrader gewann für ihre Regie bei der deutschen Netflix-Serie "Unorthodox" mit dem Emmy den wichtigsten amerikanischen Fernsehpreis. Nach dem autobiografischen Bestseller von Deborah Feldman erzählt "Unorthodox" die Geschichte der jungen Jüdin Esty, gespielt von Shira Haas, die in der ultraorthodoxen Satmarer Gemeinschaft im New Yorker Viertel Williamsburg aufwächst und aus den Zwängen und ihrer unglücklichen Ehe nach Berlin flieht. Schrader selbst stand zum Beispiel als skrupellose kommunistische Spionin Lenora Rauch in der knalligen Amazon-Serie "Deutschland 89" vor der Kamera.

Weinstein legte Berufung ein

Weinstein, der bestritten hat, dass seine sexuellen Handlungen nicht einvernehmlich waren, wurde im März 2020 in New York zu 23 Jahren Gefängnis wegen Vergewaltigung von und sexueller Übergriffe auf zwei Frauen verurteilt.

Die Jury war überzeugt, dass Weinstein im Jahr 2006 die ehemalige Produktionsassistentin Mimi Haleyi zum Oralverkehr gezwungen hatte. Außerdem sprach sie ihn der Vergewaltigung der früheren Schauspielerin Jessica Mann schuldig. Vor Gericht wurde nur über einen winzigen Bruchteil der Masse an Vorwürfen verhandelt, die mehrere Frauen zuvor gegen Weinstein erhoben hatten. Vorwürfe, die teils verjährt waren oder nach finanziellen Vergleichen beigelegt wurden, kamen nicht vor das Gericht. Dennoch war von einem Meilenstein der Rechtsgeschichte die Rede, selbst die Vereinten Nationen sprachen von einem "Wendepunkt" im Umgang mit Opfern sexueller Gewalt.

Inzwischen hat der 69-Jährige Berufung eingelegt und ein neues Verfahren beantragt. Gleichzeitig droht ihm die Auslieferung von einem Hochsicherheitsgefängnis im US-Bundesstaat New York nach Los Angeles, um sich weiteren Anklagen wegen Vergewaltigung zu stellen.

"Während der Weinstein-Recherche war uns klar geworden, wie viele Frauen aus Angst schweigen, weil sie fürchten, dass ihr Ruf beschädigt werden könnte. Dann veränderte sich etwas in der Gesellschaft, was wir nie hätten vorhersehen können - die Stille wurde durchbrochen. Wenn es um sexuelle Belästigung und Missbrauch geht, sind das Problem ja nicht nur einzelne Männer, sondern das System, dass es diesen Männern ermöglicht, ihre Spuren zu verwischen und immer weiterzumachen. Dieses System wurde sichtbar, nicht nur in den USA, sondern auf der ganzen Welt", sagte Twohey in einem Interview mit der SZ.

Die Produktion des Films, dessen Drehbuch Deadline zufolge die oscarprämierte Autorin Rebecca Lenkiewicz verfasst, soll noch in diesem Sommer starten. Grundlage für das Skript soll Twoheys und Kantors Beststeller "She Said: Breaking the Sexual Harassment Story That Helped Ignite a Movement" sein.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5315277
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/bix/khil
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.