Süddeutsche Zeitung

Margarita Broich im Frankfurter "Tatort":Krimi zum Gedenken

Die von Margarita Broich gespielte neue Frankfurter "Tatort"-Kommissarin wird nach einem Holocaust-Opfer benannt. Der Hessische Rundfunk lobt sich selbst für eine "Geste gegen das Vergessen", die Jüdische Gemeinde in Berlin ist etwas anderer Meinung.

Von Katharina Riehl

Im Kosmos des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gibt es viele kleine Könige mit sehr vielen Statthaltern, doch die Krone der gebührenfinanzierten Schöpfung sitzt nicht im Eckbüro eines Intendanten. Die darf sonntags im Tatort einen Mord aufklären. Tatort-Kommissare, erklärte die Fernsehspielchefin des Hessischen Rundfunks Liane Jessen dem Berliner Tagesspiegel, seien "die modernen Helden unserer Zeit".

Liane Jessen hat diesen Umstand noch einmal erläutern müssen, weil man in Frankfurt beim HR eine Idee von sogar für ARD-Verhältnisse wirklich beeindruckendem Wahnsinn hatte. Derzeit wird in Frankfurt der erste HR-Tatort mit einem neuen Ermittlerduo gedreht, Margarita Broich und Wolfram Koch haben Joachim Król und Nina Kunzendorf beerbt.

Margarita Broich nun, so bestätigt es der Sender auf Nachfrage, hatte die Idee, ihre Kommissarin nach einer historischen Person zu benennen: nach einem Holocaust-Opfer. Selma Jacobi wurde 1943 von den Nazis in Theresienstadt ermordet, ein Stolperstein in Broichs Berliner Nachbarschaft erinnert an sie.

"Kleine Geste gegen das Vergessen"

Selma Jacobi, die Tatort-Kommissarin, ist wiederum "Quereinsteigerin, die vor ihrem Einsatz in Frankfurt die Polizei in Berlin psychologisch beraten hat". In ihrem ersten Fall wird sie "mit dem schrecklichen Mord an einer ganzen Familie konfrontiert". Ein Krimi zum Gedenken, darauf muss man erst einmal kommen, die Jüdische Gemeinde in Berlin und die Initiative Stolpersteine haben die Idee schon als "befremdlich" kritisiert.

Macht aber nichts, zumindest nicht in Frankfurt, wo man sich für "eine kleine Geste gegen das Vergessen" lobt, und wo sich weitere Fragen ohnehin erübrigen, weil man den höchsten Segen für die Namensgebung ohnehin zu haben glaubt. Liane Jessen, Fernsehspielchefin offenbar mit Draht ins Jenseits, zumindest weiß, dass es Selma Jacobi "sicher gefallen" hätte, "als Heldin wiederaufzuerstehen". Sie "wäre glücklich in meinem Grab, wenn auf diese Art und Weise an mich erinnert werden würde". Dieser Satz, zumindest, dürfte unvergesslich sein.

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SZ vom 21.03.2014/mkoh
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