Maren Kroymann zum 70.:Eine klassische Spätzünderin

Maren Kroymann

Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere: Maren Kroymann

Die Schauspielerin, Sängerin und Kabarettistin Maren Kroymann macht scharfzüngige Satire am Puls einer Zeit, in der endlich mehr Frauen zum Zug kommen. Eine Gratulation zum 70.

Von Christine Dössel

Kurz vor ihrem 70. Geburtstag bekam die Schauspielerin und Kabarettistin Maren Kroymann eine Grußbotschaft von ihrem Körper. Grob zusammengefasst lautete sie: Stopp jetzt, altes Mädchen, fahr' mal einen Gang runter. Überbracht wurde sie auf denkbar rüde Weise. Kroymann war gerade dabei, ihren Koffer für eine Wanderung auf der Schwäbischen Alb zu packen, als sich ihr Fuß in einem Innengurt verfing, sodass sie stürzte und auf die linke Schulter knallte, die dabei zertrümmerte.

Nicht schön. Zwar ist die Operation gut verlaufen, und wenn man mit der Bühnenkünstlerin am Telefon spricht, klingt sie gesund und munter. Aber Fakt ist: Sie hat nun eine Platte und zehn Schrauben in der Schulter, muss konsequent Physiotherapie machen, und weh tut es immer noch. "Ich muss jetzt sehr demütig sein", seufzt Kroymann. Aber so leidig das alles ist - sie musste alle beruflichen Termine absagen -, sei "irgendetwas" in ihr doch erleichtert gewesen: "Der Unfall erzwingt die Pause, die ich längst hätte machen müssen." Heißt: Botschaft angekommen.

Ihren 70. Geburtstag an diesem Freitag feiert sie trotzdem; allerdings viel informeller, als es die Sendung Kroymann - Der Geburtstag suggeriert, die im Ersten in der Mediathek abgerufen werden kann. Unbedingt sehenswert. Es handelt sich um eine Spezialausgabe des preisgekrönten Sketch-Comedy-Formats Kroymann, mit dem die in Berlin lebende Satirikerin seit März 2017 das Niveau der kritischen deutschen Fernsehunterhaltung hochhält, wenn nicht - im Verbund mit einigen wenigen anderen - rettet.

Das Geburtstags-Spezial versammelt einige der besten Sketche der bisherigen Sendungen, eingebettet in eine fiktive Rahmenhandlung, in der Annette Frier - häufig Gastschauspielerin bei Kroymann - als Eventmanagerin Kroymanns "offizielle" Geburtstagsfeier in einem Nobelrestaurant plant. Auf der Gästeliste: die halbe Film- und Fernsehbranche. Einige, wie Cordula Stratmann, Uwe Ochsenknecht und Suzanne von Borsody, sind auch schon da und unterlaufen die Festvorbereitungen auf jeweils eigene komische Weise.

Kroymanns Satire ist preisgekrönte Spitzenklasse, mehr geht fast nicht

Mit der nach ihr benannten Satiresendung hat Kroymann in diesem Jahr nicht nur den Deutschen sowie den Bayerischen Fernsehpreis in den Kategorien "beste Comedy"/"Unterhaltung" abgeräumt, sondern auch, wie schon im Jahr zuvor, den Grimme-Preis. Das ist Spitzenklasse. Mehr geht fast nicht. In den Jurybegründungen werden Kroymanns Tempo, ihr Handwerk, ihr komödiantisches Timing gerühmt. Hier werde "Haltung zu Unterhaltung". Kroymann sei einfach "umwerfend gut geschrieben und gespielt".

Betrachtet man die Sendung im Vergleich mit ähnlichen weiblichen Comedy-Formaten wie Pussy Terror von Carolin Kebekus oder Ladies Night, ist es, als vergliche man prickelnde Schaumweine mit einem edlen, gereiften Bordeaux: pure Finesse, feinwürzige, vielschichtige Nase, elegant im Abgang. Kroymann schlüpft mit schöner Selbstironie in die unterschiedlichsten Rollen. Mal ist sie eine alte Feministin, die bei Femen aktiv werden will; mal "Frau Göttin" im Himmel (mit Merkel-Raute); mal ein knallharter Coach, der verunsicherten Führungskräften beibringt, wie sie trotz "Me Too" ihren "natürlichen Chauvinismus" rechtlich unbedenklich ausleben können, nämlich durch geschickten Machtmissbrauch. In "Die Macrons" spielt sie an der Seite von Max Bretschneider als französischem Greenhorn-Präsident dessen abgeklärte, altersweise Gattin Brigitte, très compétente. Dann ist sie wieder eine renitente Rentnerin oder eine Ärztin, die bei einem Patienten mit auffallenden Intoleranzerscheinungen diagnostiziert: "Ich fürchte, Sie sind AfD-positiv". Eine Krankheit, die meistens einhergehe mit "Filterblasenentzündung" und erhöhten "Antivolkskörpern im Blut".

Sie ist jetzt auf dem Höhepunkt ihrer Karriere angekommen. Das ist spät - "aber nicht zu spät"

Das ist scharfzüngige, intelligente Satire am Puls einer Zeit, in der endlich mehr Frauen zum Zug kommen. Die Schauspielerin, Sängerin und Kabarettistin Maren Kroymann ist im Aufwind dieser Zeitenwende auf dem Höhepunkt ihrer Karriere angelangt. Mit 70. Das ist spät, "aber nicht zu spät", wie sie mit der ihr eigenen Nonchalance sogleich hinzufügt. Kroymann ist ein heller, freundlicher Mensch, von Verbitterung keine Spur. "Es gibt mich ja noch. Ich bekomme jetzt die Anerkennung, die ich vor 25 Jahren nicht gekriegt habe. Und ich habe noch einiges vor."

Von 1993 bis 1997 hatte Kroymann schon einmal eine Comedy-Sendung in der ARD, Nachtschwester Kroymann. Es war die erste Satireshow einer Frau im öffentlich-rechtlichen Fernsehen überhaupt - anarchisch-böse, witzig, feministisch. Es ging neben dem privaten und medialen Alltagsirrsinn auch damals schon explizit um Geschlechter- und Machtverhältnisse, sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz und ähnliche Themen, die heute unter dem Schlagwort "Me Too" versammelt sind.

In einem zum Klassiker gewordenen Sketch sitzt Kroymann mit Dauerwelle und hochgeschlossener Bluse am Schreibtisch einer Behörde und wird von ihrem Kollegen vis-à-vis in dreister Anzüglichkeit gefragt, wann es ihr das letzte Mal "so richtig gekommen" sei. Darauf die Bürolady souverän: "Meinen Sie jetzt anal, vaginal oder oral?" Wie sie den Sabberer dann nach allen Regeln der Kunst als kleines Wichserwürstchen vorführt und ihm einen Geldschein reicht, für den alle Frauen in der Buchhaltung gesammelt hätten ("Sie gehören einfach mal wieder so richtig durchgefickt"), ist und bleibt ein großer Spaß.

Obwohl die Quoten gut waren, wurde das Format 1997 abgesetzt und mit ihm der Satireplatz am Sonntagabend. "Es gab eine sogenannte Programmstrukturreform in der ARD", sagt die Kabarettistin, "die eleganteste Art, jemanden loszuwerden." Beliebt war sie jedenfalls im Sender mit ihrem frechen Emanzenmundwerk und ihren Themen nicht sonderlich.

Noch dazu hatte sich die bekennende Feministin und linke Aktivistin fast gleichzeitig mit Start der ersten Staffel als Lesbe geoutet. "Das kam nicht so gut an." Die LGBT-Community aber (damals noch: LGB) hatte nun neben der einzig wirklich prominenten Lesbe Hella von Sinnen ein zweites öffentliches Gesicht. Eine Mitstreiterin, die einen ganz anderen Typus verkörperte als die robuste Hella: feminin, fein, sinnlich. Die höhere Tochter merkte man ihr immer an.

Natürlich sei die Abschaffung ihrer Sendung ein "Dämpfer" gewesen, sagt Kroymann, gute Rollenangebote als Schauspielerin kamen nach ihrem Coming-out zunächst auch nicht mehr. Aber Frust zu schieben war nie ihr Ding. "Bei mir überwog die Dankbarkeit, dass ich das überhaupt machen durfte. Ich kam ja mit Ende 30 erst spät zum Fernsehen, hatte damit vorher nichts am Hut und stand immer einen halben Schritt daneben. Das schafft Distanz." In den linken Kreisen, in denen sie seit dem Studium im alten Westberlin aktiv war, war Fernsehen verpönt. Als Kroymann für die ARD-Serie Oh Gott, Herr Pfarrer gecastet wurde, mit der 1988 ihre Fernsehkarriere begann, wurde sie von Freunden teils verachtet. Dabei spielte sie schon damals eine emanzipierte Pfarrfrau an der Seite von Robert Atzorn.

Eigentlich lief bei der Akademikertochter, geboren am 19. Juli 1949 als fünftes und jüngstes Kind des Tübinger Hochschullehrers und Philologen Jürgen Kroymann, alles auf eine Lehrerlaufbahn hinaus. Das Studium der Anglistik, Amerikanistik und Romanistik schloss sie denn auch mit Staatsexamen ab. Allerdings hatte das einzige Mädchen der Familie immer schon mit der Kunst geliebäugelt, hatte Ballettunterricht genommen, während eines USA-Aufenthalts Schauspielkurse besucht und daheim in Tübingen im Zimmertheater mitgespielt. Und weil sie viel und gerne sang, etwa in Chören, packte sie ihr politisch-feministisches Bewusstsein 1982 in ein erstes musikalisches Bühnenprogramm: In "Auf du und du mit dem Stöckelschuh" beleuchtete sie das Frauenbild im spießigen deutschen Nachkriegsschlager.

So fing die Schauspielerin Maren Kroymann als Diseuse an. Für Popsongs bringt sie eine tolle, seelenvolle Stimme mit und auch eine Divenqualität. 2000 folgte ihr Programm "Gebrauchte Lieder", in dem sie sich das Männerbild in der amerikanischen Popmusik der Fünfziger- und Sechzigerjahre vornahm. Und in ihrer jüngsten Bühnenshow "In my Sixties", die sie auch in ihren Siebzigern weiter aufführen will, erzählt sie sehr persönlich von ihrer Pubertät und Jugend in der schwäbischen Priovinz der Sechziger. Und singt dazu die sie prägenden, tröstenden Songs: Lieder von Dean Martin, den Kings und ihrer Seelenfreundin Dusty Springfield. Maren Kroymann auf der Bühne zu erleben, mit ihrem Charme, ihrer Herzlichkeit, ihrer würdevollen Kraft, ist ein Grund mehr, diese Frau zu lieben. Sie ist eine klassische Spätzünderin. Und ein Role Model fürs Älterwerden. Davon gibt es nicht so viele.

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