Süddeutsche Zeitung

Makeover:"Queer4you":Fast wie neu

Der rbb wagt eine deutsche Version von "Queer Eye": Vier schwule Männer helfen bei der Runderneuerung.

Von Maresa Sedlmeir

Dass Makeover faszinieren, weiß man spätestens, seitdem Tine Wittler Häuser aufgemöbelt hat. Später ging es immer mehr um Menschen und weniger um Häuser, auch wenn das irgendwie zusammengehört. Der rbb hat mit der Sendung Queer4you ein neues Runderneuerungs-Format, das sich der Thematik auf eine andere Weise nähert: Vier schwule Männer verbringen eine Woche mit einem Kandidaten oder einer Kandidatin, um diese, nun ja, zu makeovern. Im besten Falle nicht nur äußerlich.

Zugegeben, so neu ist die Serie dann doch wieder nicht. In den USA lief Anfang der Nullerjahre die erfolgreiche Reality TV-Show Queer eye for the straight guy - im Deutschen anfangs mehr als unglücklich mit dem Titel Schwuler Blick macht Heteros schick versehen. Eine deutsche Adaption namens Schwul macht cool (kein Witz) gab es für kurze Zeit auch. 2018 hat Netflix dann das Format als Queer Eye wieder aufgenommen, nun kümmern sich fünf neue Coaches, die "Fab Five", auch um Frauen und Paare. So erfolgreich, dass die Serie gerade um eine fünfte Staffel verlängert wurde.

Und wieder probiert man es in Deutschland. Die Neuadaption spielt in Berlin. Sie macht keinen Hehl daraus, sich viel von der amerikanischen Version abgeguckt zu haben. Ein Coach weniger, ein bisschen mehr klavierunterspülte Melodramatik - so könnte man "das deutsche Queer Eye" zusammenfassen. Die vier Männer bezeichnen sich selbst als Experten: Fabian Hart ist Modejournalist, shoppt die Klamotten. Sven Rebel ist integraler Coach, pusht das Selbstbewusstsein. Chris Glass ist Interior Designer, renoviert die Wohnungen. Und Christian Fritzenwanker ist Hair & Make Up Artist, schneidet die Haare. Damit wäre eigentlich alles gesagt - doch etwas tiefer geht queer4you schon. Da sprechen die Coaches über Therapie, über ihr Coming-Out, über Ängste und mangelndes Selbstbewusstsein. Dass sie alle vier schwul sind, ist das "Sahnehäubchen", wie es im Vorspann heißt - das "Queersein", also anders zu sein, hilft ihnen unter Umständen, die Kandidatinnen und Kandidaten besser zu verstehen. Um es kurz zu machen: Nein, queer4you kommt nicht an die amerikanische Version heran. Aber wann war das Plagiat jemals besser als das Original? Queer4you hätte auch richtig peinlich werden können. Das ist es auch dank seiner, wie man in Bayern sagt, "herzigen" Protagonisten nicht. Besonders die Krankenschwester Beate aus der ersten Folge würde man am liebsten in den Arm nehmen, wenn sie verloren vor einem Spiegel steht und sagen soll, was sie an sich mag. Später kichert sie wie ein Schulmädchen, als ihr Christian, der Friseur, Komplimente macht wie "Schatz, du hast so ein junges Gesicht!".

Selbstliebe, Achtsamkeit, Empowerment, "woke" sein - queer4you trifft den Zeitgeist, auf ganz gemütliche Weise. Die Coaches sind nicht so quietschig wie die im Original, es war ihnen wichtig, nicht als "Paradiesvögel" wahrgenommen zu werden, wie sie selbst in einem Interview sagten. Es ist allgemein ein sehr ruhiger und unaufgeregter Zugang, den man beim rbb für diese Serie gewählt hat, was klug ist. Und Makeover machen einfach Spaß.

Queer for you, in der ARD-Mediathek.

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Quelle:
SZ vom 28.01.2020
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