Süddeutsche Zeitung

"Make Love" in MDR und SWR:Löffelchen ohne Quetschung

Lesezeit: 3 Min.

Die erfolgreiche Aufklärungsreihe "Make Love" von MDR und SWR geht in die Fortsetzung. Zuweilen ist der Sexunterricht für Erwachsene zum Kichern, man kann aber auch Trost finden.

Von Luisa Seeling

Was ist nicht alles geschrieben worden, als die TV-Serie Make Love - Liebe machen kann man lernen vergangenes Jahr ausgestrahlt wurde. "Die schärfste Doku des Jahres" kündigte Bild an, die Protagonistensuche auf Facebook wurde kurzerhand zum "Schniedel-Casting", der Focus fand die Reihe "provokativ". Die ganze Aufregung verpuffte dann aber schnell. Make Love stellte sich als unaufgeregtes und kein bisschen schlüpfriges Format heraus, in dem sich normale Menschen mit ihren alltäglichen sexuellen Nöten einer Expertin anvertrauen. Ja, echter Sex war auch zu sehen. Vor allem aber wurde viel geredet über das, was zwischen den Laken passiert - oder eben auch: nicht passiert.

Nach den ersten fünf Folgen geht Make Love nun mit drei neuen in die Fortsetzung. Auch diesmal hat die vielfach ausgezeichnete Gebrüder-Beetz-Filmproduktion die Reihe für MDR und SWR produziert; die Firma hat Erfahrung mit Doku-Serien und interaktiven Formaten. Den Sendern zufolge haben 3,66 Millionen Menschen bundesweit mindestens eine Folge der ersten Staffel gesehen. Die Zuschauerreaktionen seien "durchweg positiv" ausgefallen, heißt es beim Pressegespräch in Berlin.

Die Serie lebt wesentlich von der Glaubwürdigkeit seiner Protagonisten

Produzent Christian Beetz versichert, in den Programmgremien habe es vorab keinen Gegenwind gegeben. Zwar sei die erste Staffel von Make Love "ein Sprung ins kalte Wasser" gewesen, das Format sei schließlich für MDR und SWR kein ganz typisches. Die Rundfunkräte hätten es dennoch durchgewunken. Ein Grund dafür, aus Beetz' Sicht: Die Macher hätten den Anspruch der Seriosität wie ein Schild vor sich hergetragen. Zudem beschäftige das Thema Sex doch alle, "auch Rundfunkräte".

Make Love basiert auf dem gleichnamigen Aufklärungsbuch für Jugendliche, das die dänische Neuropsychologin und Sexologin Ann-Marlene Henning 2012 gemeinsam mit der Journalistin Tina Bremer-Olszewski veröffentlicht hat. Henning, gebürtige Dänin, betreibt in Hamburg eine Praxis, ist aber inzwischen im Begriff, ein regelrechtes Make-Love-Imperium aufzubauen. Ihr Buch hat sich mehr als 200 000 Mal verkauft und ist in acht Sprachen übersetzt und in den deutschen Feuilletons ausführlich besprochen worden. Es ist angereichert mit ästhetischen Fotografien von jungen Paaren beim Liebesspiel. Dieses Jahr ist Make More Love erschienen, die Version für Erwachsene.

Beides, die Bücher und die Fernsehserie, durchzieht eine leise, pastellfarbene Leichtigkeit. Die Psychologin Ann-Marlene Henning hat dem Thema Sex einen ganz eigenen Sound verliehen: irgendwas zwischen witzig und sachlich, niemals flapsig oder albern. Ihre Aufklärung kommt ohne Zeigefinger aus. In jeder Folge trifft die Sexologin auf ein Paar mit einem bestimmten Sexproblem. Die Begegnungen sind eine Art Therapiegespräch in mehreren Sitzungen, mal finden sie im Grünen statt, mal im Wohnzimmer.

In der Auftaktfolge "Sex ab 40" wagen sich die Bremer Silke, 50, und Andreas, 47, vor die Kamera. Sie sprechen, anfangs verlegen, dann immer gelöster darüber, wie es um ihr Sexleben steht. Silke erzählt, wie sie sich gefühlt hat, als sie einmal nackt ins Zimmer kommt und Andreas nicht einmal vom Computer aufschaut. Er wiederum kann sich mit Stellungen nicht anfreunden, bei denen er an nichts anderes denkt als an Silkes Bein, das er "plattliegen" könnte.

Die Expertin trägt dem Paar eine Hausaufgabe auf: Sie sollen zwei Stellungen ausprobieren. Ann-Marlene Henning zeigt Silke und Andreas einen Clip auf ihrem iPad, darin macht ein Modellpärchen die Stellungen vor. Sachlich erklärt die Sexologin, wo welches Bein hingehört, damit sich die Hüften frei bewegen können. Silke und Andreas hören zu wie beflissene Schüler. Und kichern, als Henning die beiden Varianten "Teelöffelchen ohne Quetschung" und "verdrehter Missionar mit und ohne Quetschen" tauft.

Es geht also darum, wie sich Lust im Alter verändert, wie sie bewahrt und der Sex abwechslungsreicher gestaltet werden kann. Eingebettet ist die Pärchenhandlung in Expertenstatements, Projektionen und Statistiken. Zwischendurch besucht Ann-Marlene Henning eine Gruppe Senioren, die mit anarchischem Witz berichten, was bei ihnen im Bett noch alles geht.

Passende Paare sind schwer zu finden

Um bahnbrechende wissenschaftliche Erkenntnisse geht es Make Love eher nicht. Klar, im Alter verändert sich die Sexualität. Und ja, es ist wichtig, miteinander zu reden, vor allem über Ängste; den Mann treibt die Furcht vor Potenzverlust um, die Frau trauert ihrer Jugendlichkeit hinterher. Aber die wahre Stärke der Sendung liegt darin, dass sie so tröstlich ist. Wie Silke und Andreas erst stockend, dann offener über Wünsche sprechen, oder wie sie einander auf Zettelchen mitteilen, was sie aneinander erregend finden, ist berührend. Die beiden kommen überhaupt sehr authentisch rüber.

Das ist einer der Gründe, sagt MDR-Unterhaltungschef Peter Dreckmann, weshalb es vorerst bei drei neuen Folgen bleibt: Passende Paare seien nicht leicht zu finden, obwohl sich viele Interessenten gemeldet hätten. Und Make Love lebt nun einmal wesentlich von der Glaubwürdigkeit seiner Protagonisten.

Ausgestrahlt wird Folge eins am 16. November im MDR und am 26. November im SWR, jeweils um 22 Uhr. In der zweiten und dritten Folge geht es um Pornokonsum und Unlust beim Mann. Wie schon vergangenes Jahr ist Make Love auch diesmal trimedial angelegt: Aufgeklärt wird nicht nur im Fernsehen, sondern auch im Radio und im Netz. Auf der begleitenden Website www.make-love.de finden sich Erklärvideos, Radiobeiträge und die TV-Folgen, die nach der Ausstrahlung sieben Tage lang abgerufen werden können. Allerdings nur zwischen 22 und sechs Uhr. Beim Jugendschutz hört die Liebe auf.

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Quelle:
SZ vom 06.11.2014
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