Maischberger zum Niedergang der Volksparteien:Für Frauke Petry heißt es zurücklehnen und lächeln

MAISCHBERGER

Gegensätzliche Pole: Frauke Petry von der AfD und Sahra Wagenknecht von der Linken bei Sandra Maischberger

(Foto: WDR/Max Kohr)

Warum stecken die Volksparteien in der Krise? Sandra Maischbergers Talkshow bietet dazu eine Erkenntnis. Allerdings ist das nicht das Verdienst der Moderatorin.

TV-Kritik von Benedikt Peters

Für einen Gast läuft an diesem Abend alles nach Plan. Das lässt sich nach etwa zwanzig Minuten auf Sendung beobachten: SPD-Generalsekretärin Katarina Barley und Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht sind gerade in eine hitzige Diskussion darüber verstrickt, ob die SPD eigentlich links genug ist - was Barley natürlich energisch bejaht und Wagenknecht ebenso energisch bestreitet.

Eine dritte Frau sitzt zwischen den beiden, sie hat die Beine locker übereinander geschlagen und sich in ihrem Sessel zurückgelehnt. Jetzt lächelt sie verschmitzt. Es ist Frauke Petry, die Chefin der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland.

Petry ist in gewisser Weise der Grund dafür, dass sich die Frauen an diesem Abend treffen. Sandra Maischberger hat zur Talkrunde geladen, es ist die erste Sendung nach der Sommerpause, und in dieser Pause ist die deutsche Parteienlandschaft erschüttert worden.

Vor zweieinhalb Wochen hat Mecklenburg-Vorpommern ein neues Landesparlament gewählt, vor einer halben Woche Berlin. Dabei hat sich ein Trend verfestigt, der sich schon seit Längerem abzeichnet: Die Ergebnisse der großen Parteien werden schlechter und schlechter. Zuletzt traf es insbesondere die CDU. In der Hauptstadt steht sie auf einem historischen Tiefpunkt, in Mecklenburg-Vorpommern nur auf Platz drei, noch hinter Petrys AfD. Vor einem halben Jahr in Sachsen-Anhalt lief es bereits ähnlich schlecht, SPD und CDU verzeichneten große Verluste, wie auch die Linke, die zumindest in Ostdeutschland eine Volkspartei sein will.

Tatsächlich liefert die Sendung Erkenntnisse

Die Frage, zu der Maischberger an diesem Abend in der ARD diskutieren lässt, ist daher spannend, sie ist eine, die sich aufdrängt: "Das schwarz-rote Debakel - Volksparteien ohne Volk?" Es soll um die Gründe für die Krise gehen, in der sie stecken. Und tatsächlich wird die Sendung dazu eine Erkenntnis liefern, obwohl man dies nicht unbedingt Moderatorin Sandra Maischberger anrechnen darf.

Die Besetzung der Talkrunde etwa ist nur halb geglückt: Katarina Barley kann als Generalsekretärin gut für die SPD sprechen, das ja, ebenso wie Sahra Wagenknecht für die Linke. Und die AfD könnte nicht prominenter vertreten sein als durch ihre Chefin Frauke Petry.

Trotzdem fehlt eine wichtige Stimme, nämlich die eines gewichtigen Vertreters aus der Partei, die derzeit am allermeisten leidet: Der CDU. Mit Peter Radunski spricht bei Maischberger einer für die Christdemokraten, der zwar kein Unbekannter ist - seit den 1970ern managte er die Wahlkämpfe Helmut Kohls. Radunski kann elegante Sätze sagen, etwa, wenn er an diesem Abend formuliert, Kohls Nachfolgerin Angela Merkel sei "wie mit dem Zauberstab durch bisherige Wahlkämpfe gegangen", sie habe sie "fast feenhaft" gewonnen. Doch er ist schon lange nicht mehr dabei. An Kohls Seite hörte er in den 1990ern auf, heute ist er 77 Jahre alt. Spannender wäre gewesen, einen Jüngeren zu hören, einen, der gerade in der Partei Verantwortung trägt.

Enttäuschend: Parteienforscher Albrecht von Lucke

Enttäuschend ist auch der Auftritt des zweiten Herrn in der Runde: Der Parteienforscher Albrecht von Lucke könnte Erklärungen aus der Wissenschaft beisteuern, warum die Volksparteien an Stimmen verlieren. Studien dazu gibt es etliche. Stattdessen aber nutzt Lucke seinen Auftritt (nicht den ersten in der Sendung, wohlgemerkt, er war schon hier und hier bei Maischberger zu Gast), um in alle Richtungen zu kritisieren: Die SPD für die Agenda 2010, die Linke für ihr ständiges Gerede vom Neoliberalismus, die AfD für ihre teils rechtsradikalen Mitglieder.

Über diese wird dann noch länger diskutiert, was an einem aktuellen Fall liegt, den die Süddeutsche Zeitung publik gemacht hat: Der in Berlin gewählte Abgeordnete Kay Nerstheimer schmähte Flüchtlinge als "widerliches Gewürm", wie Moderatorin Maischberger noch einmal das Publikum erinnert.

Frauke Petry aber kann der Fall nicht in die Defensive bringen - gelassen verweist sie darauf, extreme Mitglieder seien normal in einer schnell wachsenden Partei, die AfD prüfe derzeit Konsequenzen. Noch während die Sendung läuft, macht bereits die Meldung die Runde, dass Nerstheimer der Berliner Fraktion doch nicht angehören wird, er wird wohl als Fraktionsloser im Abgeordnetenhaus sitzen.

Maischberger lässt zu, dass die Diskussion zerfasert

Ohnehin fragt sich der Zuschauer an dieser Stelle, was die Diskussion um den Rechtsextremismus in der AfD eigentlich mit dem Niedergang der Volksparteien zu tun hat, um den es an diesem Abend doch eigentlich gehen soll. Doch Maischberger ficht das nicht an. Sie lässt zu, dass die Diskussion zerfasert.

Die Szene, die dennoch etwas über den Niedergang der Volksparteien verrät, entsteht daher eher unfreiwillig. Es ist eben die nach 20 Minuten, als sich Petry gelassen lächelnd zurücklehnt. Barley und Wagenknecht reden wild durcheinander, deswegen versteht man nur einzelne Worte. "Agenda 2010", "Ceta", "Soziallabbau", "Kartell", "Neoliberalismus". Es bräuchte jemanden, der den Zuhörern, den Wählern, etwas zu diesen Worten erklärt. Und zu der Politik, die dahintersteckt. Doch den Versuch unternimmt niemand.

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