Süddeutsche Zeitung

"Hart aber fair" über Schule:75 Minuten Bildungstalk für Dummies

Frank Plasberg lässt über die Sinnhaftigkeit klassischer Bildung im Schulunterricht diskutieren und liefert eine lauwarme Sendung ab. Das liegt auch an der mangelhaften Gästeauswahl.

Von Matthias Kohlmaier

Einer der wichtigsten Grundsätze, die jeder Journalist lernt: Wer ein Thema umfassend beleuchten will, muss möglichst alle Seiten zu Wort kommen lassen. Muss jedem die Chance geben, seine Meinung darzulegen und gegebenenfalls auf Anschuldigungen oder Vorwürfe zu reagieren. So sollte er jedenfalls sein, der Journalismus.

Auch Frank Plasbergs allmontagliche Talksendung ist Journalismus - nur das mit dem Alle-Beteiligten-zu-Wort-kommen-Lassen, das klappt noch nicht so richtig. "Problemfall Schule - zu viel Goethe, zu wenig Google?" lautet der Titel der aktuellen Ausgabe. Nun müssten, um bei den journalistischen Standards zu bleiben, zum Thema Schule folgende Protagonisten gehört werden: Schüler, Lehrer, Eltern, Politiker, Experten aller Art. Eine überschaubare Gästeliste, eigentlich. Man muss der Redaktion von "Hart aber fair" womöglich zugestehen, dass derzeit deutschlandweit Abiturprüfungen stattfinden, und deshalb vielleicht am Montagabend um 21 Uhr einfach kein einziger Schüler Zeit hatte. In die Runde hat es aus dem Lager der von Schule Hauptbetroffenen leider keiner geschafft. Wie so oft, wenn es um schulische Themen geht, sprachen im Wesentlichen mittelalte Männer mit mittelalten Männern über Dinge, über die mittelalte Männer nun mal mit mittelalten Männern sprechen.

Wie bei Stefan Raab

Moment: Schüler wurden freilich auch gehört. In einem Einspieler wurde an einem Düsseldorfer Gymnasium "stichenprobenartig" nach Kenntnissen über Steuererklärung, Dispokredit und anderem Gedöns gefragt. Das war notwendig, weil Anfang Januar eine Schülerin in einem Tweet bekannt hatte, von eben jenen Dingen keine Ahnung zu haben. Das ist vier Monate her, musste aber immer noch als Aufhänger für die Sendung herhalten. Aber das nur am Rande.

Was muss das nun für eine Genugtuung für die Sendungsmacher gewesen sein, einen Clip aus vermeintlich doofen 18-Jährigen zusammenzuschneiden, die von nichts, aber auch absolut gar nichts Ahnung haben. Immer frei nach dem Motto: Guckt mal, die dummen Kinder lernen ja gar nichts mehr! Was jetzt ein bisschen nach lustigen Einspielern à la Stefan Raab klingt, ist aber immer noch eine ernstgemeinte Recherchemethode.

Um fair (aber zugleich, gemäß Sendungstitel, hart) zu bleiben, wurden den anwesenden Studiogästen später drei Abituraufgaben vorgelegt, von denen eine erfunden war. Und alle sollten raten, welche das wohl sein könnte. In diesem Fall nach dem Motto: Guckt mal, die ach so gescheiten Erwachsenen wissen ja gar nicht, was wirklich in der Schule abgefragt wird! Es ist schon sehr schwer zu glauben, dass den Machern dieser Sendung irgendetwas an der Sache gelegen sein könnte, derart lauwarm wie das Thema aufbereitet wurde. Montagabend, 75 Minuten Bildungstalk für Dummies, bitte, danke, egal.

Goethe und Effi und Internet

Völlig erkenntnislos blieb die Sendung allerdings nicht. Klassische Bildung mit etwas Goethe hier und einem Häppchen "Effi Briest" dort, ist wichtig. Trotzdem muss man immer überlegen, wie sich aktuelle Entwicklungen, von tagesaktuellen Nachrichten bis zu diesem Internet, von dem ständig alle reden, vernünftig ins Unterrichtsgeschehen integrieren lassen. Für diese beiden Erkenntnisse brauchte die Runde um Josef Kraus, Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Ties Rabe, Hamburger Bildungssenator, Florian Langenscheidt, Unternehmer, Barbara Eligmann, Moderatorin und dreifache Mutter - eingeladen wegen Letzterem - und Mirko Drotschmann, Welterklärer via Youtube, etwa 45 Minuten.

Danach versuchte man noch das, wovor Elternverbände Schüler seit Jahren bewahren wollen: viel Stoff in wenig Zeit unterzubringen. So wurde binnen weniger Minuten jede halbwegs aktuelle Bildungssau durchs Schuldorf getrieben: eine aktuelle Studie zu gestressten Grundschülern; die - zu Recht - vielkritisierte Methode "Schreiben nach Gehör", mit der Grundschüler zu Beginn schreiben dürfen, wie es ihnen passt; die Grundschule, in der keine Noten, sondern nur noch schriftlich ausformulierte Zeugnisse gereicht werden.

Alles Themen, die es wert sind, diskutiert zu werden, unbedingt sogar. Bei Plasberg waren pro Thema immerhin etwa fünf Minuten Zeit dafür, man einigte sich schnell auf ein paar Meinungen und widmete sich dem nächsten Komplex vom Umfang einer Doktorarbeit.

Und am Ende stand dann noch der Klassiker einer jeden Schuldiskussion. "Es muss viel mehr Geld (für Bildung; Anm. d. Red.) ausgegeben werden", sagte Barbara Eligmann, Moderatorin und dreifache Mutter, eingeladen wegen Letzterem. "Das höre ich hier wöchentlich bei jedem Thema", antwortete Frank Plasberg, der zum Glück nicht wöchentlich eine so irrelevante Sendung abliefert.

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