Maischberger-Talk:Trumps inoffizielle Pressesprecherin

Maischberger-Talk: Nadja Atwal kennt Donald Trump eigenen Angaben zufolge sehr gut.

Nadja Atwal kennt Donald Trump eigenen Angaben zufolge sehr gut.

(Foto: Max Kohr/WDR)

Bei Sandra Maischberger rechtfertigt eine PR-Frau Trumps abfällige Äußerungen über Migranten - und kommt damit durch.

TV-Kritik von Hakan Tanriverdi

Rein vom Casting her ist der Sendung "Maischberger" ein Glücksgriff gelungen und zwar in Form von Nadja Atwal. Die gebürtige Deutsche zog vor 14 Jahren nach New York und führt dort eine PR-Firma. "Made in Germany, mad about NY" schreibt sie über sich auf Twitter. Nach eigenen Angaben hat sie bereits für Donald Trump gearbeitet. Sie feiert den Milliardär - und ihren fact check während der Sendung.

Die Maischberger-Sendung trägt den Titel: "Trump for President: Wer versteht die Amerikaner?" Das ist eine unnötig antiamerikanische Grundhaltung, als Frage getarnt, über die neben Atwal drei Männer diskutieren sollen: der ehemalige US-Botschafter in Deutschland, John Kornblum, Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele und WDR-Intendant und Ex-US-Korrespondent Tom Buhrow.

Ein Abkanzeln von oben herab als Einladung in eine Diskussionsrunde zu verwenden, ist absurd. Ganz davon abgesehen, dass sich die gleiche Frage auch über Good Old Germany stellen ließe: "Frauke Petry: Wer versteht die Deutschen?" Kornblum spricht den Titel der Sendung an und sagt, dass Trump auf die Angst in der Gesellschaft anspielt. Dieses Phänomen gebe es auch in Europa.

"Er liest die Emotionen der Amerikaner"

Frau Atwal teilt mit, gleich nach der Antrittsrede von Donald Trump im Juni Wetten angenommen zu haben, dass der Milliardär zum republikanischen Kandidaten werden würde (auf Twitter behauptet sie das seit Ende Februar). "Er ist ein PR-Genie. Er liest die Emotionen der Amerikaner."

Während der Sendung tritt sie auf wie die inoffizielle Pressesprecherin von Trump. Exemplarisch lässt sich das an zwei Beispielen aus der ersten Hälfte der Sendung zeigen.

Zuerst fragt Maischberger nach, ob der 69-Jährige ein Rassist sei. In einem Einspieler wurden zuvor dessen Zitate über mexikanische Einwanderer angesprochen (Trump nennt sie unter anderem "Vergewaltiger", dazu gleich mehr). Atwal protestiert und betont, dass Trump keine solche Aussage getätigt habe. "Er hat nur von den illegalen Einwanderern gesprochen", schiebt sie hinterher und nennt Zahlen. Der Anteil an Kriminellen unter den "Zurückgeschickten" liege bei "40 Prozent".

Einreisestopp nicht umsetzbar

Atwal macht weiter und sagt, dass Trump auch "keinen Stopp für Muslime" gefordert habe. Das Einreiseverbot sei eher symbolischer Natur gewesen. Die Trump-Anhängerschaft habe ihr zufolge das Gefühl, dass man mal innehalten, also stoppen, müsse. Trump wisse selbst, dass ein echter Einreisestopp nicht umsetzbar sei, erklärt Atwal.

Das zweite Beispiel läutet Maischberger mit der Frage ein, ob Donald Trump ein Sexist ist (mehr dazu hier). Natürlich nicht, sagt Atwal. In seinem Management seien die besten Positionen mit Frauen besetzt. "Ich habe mit vielen Frauen gearbeitet. Ich habe noch nicht eine Frau gehört, die sich schlecht behandelt fühlte," sagt Atwal.

Die Aussagen von Atwal sind nicht nur deswegen interessant, weil sie die Verteidigungslinie und Taktik von Trump so gut kennt, dass sie mitunter auch spricht wie er - Trump redet ebenfalls sehr oft davon, dass er vieles "viel (viel, viel) besser" könne als der Rest. Atwal argumentiert auch wie Trump. Ein echter Glücksgriff also in einer Sendung, in der dieser Mann beschrieben werden soll.

Es wäre also spannend gewesen, hätte ihr irgend jemand Paroli geboten. Das ist leider zu selten passiert.

O-Ton Trump: "Sie schicken Vergewaltiger"

Die Aussage über Mexikaner ist der laute Knall gewesen, mit dem Trump seine Kandidatur angekündigt hatte. Entsprechend lange hallt sie auch nach. Sie ist es wert, an dieser Stelle im Kontext zitiert zu werden.

"When Mexico sends its people, they're not sending their best. They're not sending you. They're not sending you. They're sending people that have lots of problems, and they're bringing those problems with us. They're bringing drugs. They're bringing crime. They're rapists. And some, I assume, are good people."

Also: "Wenn Mexiko seine Leute schickt, schicken sie nicht ihre Besten. Sie schicken nicht Leute wie euch. Sie schicken nicht Leute wie euch. Sie schicken Leute, die viele Probleme haben, und die bringen diese Probleme zu uns. Sie bringen Drogen. Sie bringen Kriminalität. Sie sind Vergewaltiger. Und einige, glaube ich, sind gute Menschen."

An dieser Stelle hätte man Atwal widersprechen müssen. Das Zitat verkörpert all die Schwammigkeit, die Trump und dessen Rhetorik auszeichnet. Jeder findet seine eigene Weltsicht wieder. Trump spricht aber klar abfällig über Einwanderer aus Mexiko. Eine Einschränkung auf Menschen, die illegal in den USA leben, macht er nicht. Anstatt dass Maischberger also jenes Zitat, das sie dem Publikum in einem Einspieler präsentiert, korrekt einordnet, fragt sie Atwal, ob damit nur illegale Einwanderer gemeint sind - die bejaht natürlich. Und anschließend widerspricht die Moderatorin unverständlicherweise nicht.

"Wir sind mitten in einer echten Revolution"

Dass es anders gegangen wäre, zeigt der ehemalige Botschafter Kornblum. Auf Hillary Clinton angesprochen sagt er, die Demokratin habe sehr schnell gemerkt, dass die Art Politik zu betreiben, die noch bei Bill Clinton ins Weiße Haus geführt habe, nicht länger gültig sei. "Wir sind mitten in einer echten Revolution", urteilt Kornblum.

Clinton habe das verstanden. Amerika bestehe aus vielen Ethnien. Im Kampf um die Präsidentschaft, der noch Monate dauern wird, sei es auch wichtig, eine rainbow coalition zu bilden. Also möglichst viele Teile der Gesellschaft anzusprechen. "Trump kann das nicht", sagt Kornblum. Es ist einer der wenigen Momente, in den Atwal keine Antwort parat hatte.

Die US-Diskussion wird ausgeblendet

Die restliche Sendung ist zweigeteilt. Die letzten 20 Minuten wird über den Fall von Debra Milke gesprochen, die 22 Jahre lang unschuldig in einer US-Todeszelle saß und als Gast im Studio sitzt. Eine sehr traurige Geschichte. Als Zuschauer weiß man nicht, warum sie an diesem Ort erzählt wird.

Ansonsten versuchen die Gäste, das Phänomen hinter Trump zu verstehen. Dass es in den USA eine Bewunderung für "zur Schau gestellten Reichtum und für flamboyante Exzentriker" gibt, gehörte da noch zu den spannenderen Erkenntnissen.

Das ist schade, gerade weil in den USA erbittert diskutiert wird, was hinter dem Aufstieg von Trump steckt.

Was der deutsche Zuschauer nicht erfährt

Für konservative Denker in den USA ist Trump ein schwer zu lesendes Buch. So schrieb der einflussreiche Radiomoderator, Kommentator und Medien-Unternehmer Erick Erickson kürzlich, dass er niemals Donald Trump wählen würde - nachdem er zuvor angekündigt hatte, für Trump zu stimmen, sollten sich die Republikaner auf ihn einigen. Grund für den Meinungswechsel war Trumps Haltung gegenüber Planned Parenthood. Das ist eine Organisation, die neben Vorsorgeuntersuchungen auch Abtreibungen anbietet - und damit von Erzkonservativen massiv angefeindet wird.

Donald Trump hat mehrfach über die Klinik gesagt, dass sie "wundervolle Dinge" tue und "Millionen Frauen" geholfen habe. Die Abtreibungen nimmt er von diesem Lob explizit aus und betont, dass er pro-life sei, also gegen Abtreibungen (er akzeptiert "Ausnahmefälle", etwa nach Vergewaltigungen). Doch für Erickson ist diese Aussage bereits ideologisch zu nah an Planned Parenthood - so jemanden könne ein gläubiger Christ nicht wählen.

Im Härtefall: Hillary Clinton

Auch Max Boot kündigte an, im Härtefall nicht Donald Trump, sondern Hillary Clinton zu wählen. Boot steht dem von Trump so kritisierten "Establishment" nahe und er sagt im Interview mit der Nachrichtenseite Vox, dass ihm die bloße Aussicht auf Präsident Trump schlaflose Nächte bereite: "Offen gesagt löst die bloße Vorstellung einen Schrecken in mir aus, dass jemand so intolerantes und ungebildetes wie Donald Trump an die Spitze des stärksten Militärs der Welt gesetzt werden könnte." (Eine Übersicht zu weiteren Stimmen von eher gemäßigten Republikanern finden sie in diesem Text des Magazins New Yorker.)

Donald Trump, der Anti-Politiker

Howard Kurtz, Moderator einer Mediensendung bei Fox News, fasst den konservativen Protest zusammen: "Zeigt dies irgendeine Wirkung? Die Anziehungskraft von Trump ist so groß, dass sie auch ohne Kämpfer-Kolumnisten zieht. Aber deren Opposition, oder gar Schweigen, wäre nicht hilfreich in einer Umgebung, in der liberale Kommentatoren sich für Hillary Clinton aussprechen."

Der deutsche Zuschauer erfährt all das in dieser Sendung nicht. Außer einer diffusen Ablehnung gegenüber dem Establishment gibt es kaum Antworten. Das ist zu wenig.

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