Söder bei "Maischberger":Techtelmechtel mit dem grünen Markus

Söder Maischberger

Bei Sandra Maischberger erklärt der CSU-Chef seinen grünen Sinneswandel.

(Foto: WDR/Melanie Grande)

Der CSU-Chef nutzt das neue Format bei "Maischberger" zur Selbstvermarktung. Er spürt: Sein Wandel zum Umweltschützer könnte ein politischer Coup werden.

TV-Kritik von Thomas Hummel

Zum Schluss wird es fast kitschig. "Die Menschen erwarten, dass wir uns für sie zerreißen, und das tue ich auch", sagt Markus Söder, als er sich offenbar sicher ist, dass er die Moderatorin Sandra Maischberger samt ihrer Zuschauer schon komplett eingewickelt hat mit seinem Charme. Es kommt von nirgendwo her ein Stoppschild für zu viel Sich-ins-rechte-Licht-setzen. Um endgültig in Fußballphrasen zu verfallen, fehlen eigentlich nur noch Sätze wie "Wir müssen Gras fressen" oder "Um jeden Meter kämpfen". Volksnähe ist da garantiert.

Es ist kaum verwunderlich, dass Markus Söder gleich in der zweiten "Maischberger"-Sendung nach der Sommerpause auftritt, denn das neue Format hat im Vergleich zu den sonstigen Talkrunden einen großen Vorteil: Es gibt keine Widersacher. Niemanden, der ein fieses Gegenargument parat hält oder einem verbal auf den Zeh steigt.

Der bayerische Ministerpräsident und Vorsitzende der CSU darf quasi ungestört das tun, was er am besten kann: sich selbst vermarkten. Moderatorin Sandra Maischberger ist ihm da kaum gewachsen, sie gehört eher nicht zu den harten, unbequemen Fragestellerinnen, sondern besticht durch ihre charmant ausgleichende Art. Dadurch entsteht ein wunderbares Wohlfühl-Interview mit Söder, der ebenfalls sehr liebenswürdig sein kann, wenn er mag. Ein Techtelmechtel der ganz sympathischen Art.

Dabei darf der 52-Jährige dem Wahlvolk in der Sendung mal erklären, was eigentlich mit ihm los ist. Er ist das derzeit kurioseste Phänomen der deutschen Politik. Während sich die meisten Politiker der (ehemaligen) Volksparteien CDU, CSU und SPD unheimlich schwer tun mit den Themen Umwelt und Klima hat sich Söder entschlossen, diese zu umarmen, zu vereinnahmen und sich an die Spitze der Bewegung zu setzen. Die Leute blicken auf die Ergrünung des Markus Söder und wissen nicht, was sie davon halten sollen. Ist es wieder nur eine Volte zum Erhalt der eigenen Macht? Oder steckt tatsächlich ein Erkenntnisgewinn dahinter?

Söder wiederholt bei "Maischberger", was er seit Wochen sagt: Das Volksbegehren zum Artenschutz, das in Bayern fast 1,8 Millionen Bürger unterschrieben haben, sei der Impuls gewesen, der bei ihm ein Umdenken veranlasste. Jetzt sagt er zur Klimakrise: "Es wäre doch geradezu ignorant, diese Herausforderungen nicht anzunehmen. Da geht's nicht um die Frage: Grün oder nicht. Es geht um die Bewahrung der Schöpfung, um die Lebensgrundlage unserer Kinder und Kindeskinder." Und weiter: "Es ist die Aufgabe, Themen anzugehen und nicht nur zu jammern drüber, oder zu ignorieren oder schlau drüber zu reden, sondern Politik muss Handlungen bringen." Hätte jemand Markus Söder zuletzt vor einem Jahr reden hören, der könnte heute seinen Ohren kaum glauben.

Söder bietet sogar Lösungen an: Höhere Steuern auf CO₂-Verbrauch will er nicht und auch keine Verbote von klimaschädlichem Handeln. Sondern er will neue Technologien fördern: Elektromobilität, Wasserstoff, Brennstoffzellen, synthetische Kraftstoffe - wer soll da was dagegen haben? Das tut niemandem weh und wirkt wie eine Prophezeiung aus der schönen, neuen Welt. Die Sendung hätte hier wahrlich einen oder mehrere Experten brauchen können, der die Söderschen Vorschläge vorher unter die Lupe nimmt und sie auf Stichhaltigkeit prüft. Ist das alles realistisch und vorwärtsgewandt, oder dient es nur der Verbesserung des Ansehens und es steckt wenig dahinter?

Nach Söders Auftritt geht es im Schweinsgalopp durch die Themen

Sandra Maischberger konfrontiert Söder immerhin mit dem Vorwurf, er sei ein Opportunist. Diesen wischt der aber weg: Das Leben bestehe aus Veränderung, Politik aus dem Annehmen von Herausforderungen. Die neue Wendung beschert ihm jedenfalls extrem gute Umfragewerte, es wird schon über eine Kanzlerkandidatur spekuliert. Dies weist Söder zwar weit von sich. Dennoch sitzt da einer, der weiß, dass er gerade viel richtig macht.

Er bekräftigt seine (ebenfalls veränderte) Haltung zur AfD. Diese entwickle sich zur neuen NPD, eine Zusammenarbeit sei ausgeschlossen. Die Debatte um den ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen halte er für überschätzt, die Bedeutung des Mannes ebenfalls. Im Zusammenspiel mit Maischberger fühlt er sich immer wohler und so zeigt er zunehmend seine humorige Art. Söder kann sich auch im Gespräch wandeln von einer Sekunde auf die andere: Vom breitbeinigen Bestimmer zum schmunzelnden Spitzbub.

Nach einem Einspieler aus dem Jahr 1995 sagt er über sich selbst nur: "Tolle Frisur." Wandern würde er lieber mit Angela Merkel als mit Erzrivale Horst Seehofer, weil mit dem Horst sei er ja schon viel zusammen durch die CSU gewandert. Jammern findet er nicht gut, weil "meine alte Tante hat immer gsacht: Wer jammert, bekommt nie Besuch." So hätte das noch lange weitergehen können, dem Södermarkus wären die Anekdoten sicher nicht ausgegangen. Doch zurück zur Sendung.

Bei Maischberger soll es nicht mehr nur um ein Thema gehen, sondern um alle Themen, die gerade so aktuell sind. Dazu sitzen diesmal der Focus-Journalist Jan Fleischhauer (gibt wie immer den Anti-Grünen-Provokateur), die ARD-Moderatorin Anja Reschke und Kabarettist Florian Schroeder am Tisch. Und so wird es dann auch eine Mischung aus Komödianten-Runde und Presseschau. Zwischen Brexit, Trump, SPD und Greta Thunberg geht allerdings viel Substanz verloren. Vorher debattiert das Publikum noch über die Frage, wie viel Fleischkonsum vertretbar ist. Und danach berichtet eine Frau, wie sie vor 30 Jahren im ungarischen Sopron als DDR-Bürgerin mit ihrer Familie in den Westen geflohen ist.

Vieles wird angerissen, doch was bleibt hängen? Maischberger probiert mal was anderes, das beweist Mut zur Veränderung (Siehe Söder!). Doch wenn nur wenig Zeit bleibt für ein Thema, müssen die Wortbeiträge perfekt sitzen. An dem Anspruch kann man auch scheitern.

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