Maischberger-Sendung zu Ausländerfeindlichkeit:Plattform für Verharmlosungen

Menschen bei Maischberger, Folge 393

Sandra Maischberger im Gespräch mit Heinz Buschkowsky, Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln

(Foto: WDR/Max Kohr)

Sind Ausländer in Deutschland willkommen? Ohne Vorbehalte über diese Frage zu diskutieren, ist ebenso schwierig wie wichtig. Leider versäumt es Moderatorin Sandra Maischberger, in ihrer Sendung da einzuschreiten, wo es dringend notwendig gewesen wäre.

Eine TV-Kritik von Karin Janker

Plötzlich reden alle durcheinander: Nimmt Deutschland nun mehr Asylbewerber auf als andere Industrienationen oder nicht? Neuköllns Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky hatte das behauptet. Weltwoche-Journalist Philipp Gut widerspricht. Sandra Maischberger, Gastgeberin der Sendung, kann die Frage nicht klären. Ihr Blick sucht fragend die Kamera.

Momente wie diesen gab es viele in der gestrigen Maischberger-Sendung zur Frage "Sind wir Ausländerfeinde?". Momente, die der Klärung oder auch des vehementen Widerspruchs durch die Leiterin der Gesprächsrunde bedurft hätten. In denen Propaganda von Fakten hätte getrennt werden müssen. Und wo dies nicht geschah.

Eine Gesprächsrunde über Asylbewerber und ihre Ablehnung durch die Bevölkerung beispielsweise in Marzahn-Hellersdorf, setzt sich von vornherein der Gefahr aus, es sich in politisch korrektem Geplänkel gemütlich zu machen. Dieser Falle wollte Maischberger offenbar ausweichen - und tappt prompt in die der Gegenseite: Einige Demonstranten gegen das Asylbewerberheim in Hellersdorf hätten sich "dazu verleiten lassen, den Hitlergruß zu zeigen", sagt Maischberger zu Beginn. Und fragt in die Runde: "Haben Sie dafür Verständnis?"

Fadenscheinige Argumente

Gezielte Provokation der Gäste oder verharmlosende Naivität im Umgang mit Fremdenfeindlichkeit und Rassismus? Die Moderatorin bleibt auf diesem Grat: "Viele kommen, weil sie das Gefühl haben, dass sie hungern, dass sie in ihrem Land schlechtere Chancen haben."

Wie weit ist es da zu der offensichtlichen Propaganda eines Philipp Gut, des stellvertretenden Chefredakteurs der Schweizer Weltwoche, der von "kriminellen Elementen" faselt, die nach Europa gelangten, und der behauptet, Asylbewerber kämen auf der Suche nach "anderen Perspektiven" und nicht, weil sie in ihrem Land verfolgt und mit dem Tod bedroht werden?

Besonders fatal: Maischberger geht nicht dazwischen, wenn solche Parolen fallen. Sie liefert ihre Sendung dem Gast aus der Schweiz (man fragt sich zu Recht, ob Deutschland nicht selbst genügend Rechtskonservative hat, die man hätte einladen können) und seiner Propaganda aus. Und verpasst es abermals einzuschreiten, als Gut mehrmals behauptet, die Anerkennungsquote für Asylbewerber in Deutschland liege bei "gerade einmal 1,5 Prozent". Fadenscheinige Argumente richtigzustellen wäre das Mindeste gewesen, was Maischberger hätte leisten müssen, wenn sie sich einen so umstrittenen Gesprächspartner in die Sendung holt.

Kern der Problematik bleibt unberührt

Glücklicherweise hat die Redaktion einen kompetenten Gast eingeladen: Die Journalistin Caroline Walter stellt klar, dass in Deutschland etwa die Hälfte aller Asylbewerber bleiben darf. Sie ist es auch, die als Einzige von der menschenunwürdigen Situation in vielen Flüchtlingsunterkünften berichtet. Der Einspieler, der vom Schicksal der einzigen ehemaligen Asylbewerberin in der Runde erzählen soll, blendet genau an der Stelle aus, als das Innere einer Unterkunft gezeigt wird.

Überhaupt darf man sich fragen, ob Khadra Sufi, Diplomatentochter und heute TV-Moderatorin, mit ihrer Leidensgeschichte das exemplarischste Beispiel einer Asylbewerberin ist, wenn sie in Allgemeinplätzen davon spricht, dass "der Krieg ganz hässlich" ist. Interviews mit Asylbewerbern in deutschen Heimen hätten den Blick erweitert. Doch diejenigen, die die Feindseligkeit zu spüren bekommen, kommen nicht zu Wort.

Stattdessen zeigen die Einspieler aufgebrachte, besorgte, angsterfüllte oder einfach rassistische Bürger, die ihren Vorurteilen vor der Kamera freien Lauf lassen dürfen. In seinen Sessel geschmiegt lächelt Michel Friedman da nur über so viel Unvernunft. "Abholen" müsse man diese Menschen. Sie nicht mit ihren Ängsten alleinlassen, meint auch Buschkowsky. Dient hier die angeblich "typisch menschliche" Angst vor dem Fremden wieder einmal als Entschuldigung für Rassismus? Doch an dieser Stelle reißt die Diskussion ab, statt ins Mark der Problematik vorzudringen.

Wieder zieht TV-Journalistin Caroline Walter den richtigen Schluss: "Man muss sich mit dieser Fremdenangst beschäftigen." Der Zuschauer ahnt, dass es für die Debatte wertvoller gewesen wäre, die ARD hätte noch einmal die Reportage aus dem Jahr 2012 ausgestrahlt, für die Walter vier Wochen lang in einem Asylbewerberheim gelebt hat. Und dass sie mit ihrem Denkanstoß recht hat. Sich mit der Fremdenangst ernsthaft auseinanderzusetzen, wäre die Chance dieser Gesprächsrunde gewesen. Doch diese Chance wurde verpasst.

Und wenn am Ende einer solchen Sendung die Gäste einstimmig beteuern, Deutschland sei kein ausländerfeindliches Land, ist das nicht nur scheinheilig, sondern beschämend.

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