"Maischberger" nach Niederlande-Wahl:Smarte Außenpolitik gegen Machotum

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Sandra Maischberger und ihre Gäste (von links) Jeroen Akkermans (niederländischer TV-Journalist), Christian Lindner, (FDP-Parteivorsitzender), Ursula von der Leyen, (Bundesverteidigungsministerin), Sylke Tempel (Außenpolitikexpertin), Haluk Yıldız (deutsch-türkischer Politiker) und Necla Kelek (Publizistin) (Foto: WDR/Max Kohr)

Steckt Europa in der Populistenfalle? Nach dem Wahlsieg von Premier Rutte in den Niederlanden war die Runde bei Maischberger zunächst erleichtert. Doch das hielt nicht lange.

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Große Notlagen für die Nation sind nicht das, was sich Regierungschefs gewöhnlich wünschen. Es sei denn, sie stehen kurz vor Wahlen.

Gerhard Schröder machte das 2002 vor, als er bei der Elbe-Jahrhundertflut in Sachsen in Gummistiefeln eine gute Figur abgab und so einen uneinholbar erscheinenden Rückstand in den Umfragen bis zum Wahltag noch drehte.

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Daran erinnerte sich womöglich der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte, als er die Eskalation zwischen den Niederlanden und der Türkei kurz vor den gestrigen Parlamentswahlen im Nachbarland mit dem rigorosen Verbot der Auftritte von AKP-Politikern noch anfeuerte.

Das habe dem niederländischen Regierungschef sehr genutzt, sagte der aus Den Haag zugeschaltete ARD-Reporter Markus Preiß in der gestrigen Talk-Show "Maischberger", die gerade anfing, als die ersten Exit Polls vorlagen. Denn nicht der Rechtspopulist Geert Wilders war der Sieger des Abends, wie lange im Vorfeld befürchtet worden war. Den stellte vielmehr der Amtsinhaber Mark Rutte, der mit seiner rechtsliberalen Partei VVD erneut die stärkste Kraft im Binnenhof von Den Haag stellen wird.

"Viele Niederländer haben den Eindruck gehabt, dass er diese Sache sehr, sehr gut gemanagt hat", sagte Preiß: "Zum einen, weil er da eine sehr, sehr klare Haltung gegenüber Erdoğan eingenommen und da auch rote Linien gezogen hat, und zum anderen auch, weil er sich danach nicht als Held aufgespielt, sondern die Dinge ganz sachlich diskutiert hat."

Was ist, wenn gerade einmal keine Wahlen sein sollten?

Damit war eine Frage der Talk-Runde bei Maischberger abschließend geklärt, die unter dem Titel "Zwischen Wilders und Erdoğan: Europa in der Populistenfalle" stand: Wenn überall Populisten sind, also auf der einen Seite ein Geert Wilders, der maximal gegen Zuwanderung und Muslime agiert, und auf der anderen Seite einer aus der Türkei kommt und auch Wahlkampf machen will, dann kann eine gut dosierte Dosis Populismus offenbar auch jenen nicht schaden, die bisher als seriös galten. Rutte habe das gemacht, was immer gefordert werde, "Klare Kante gezeigt", sagte die geladene Außenpolitikexpertin Sylke Tempel, "und das hat ihm genutzt."

Dem wollte in der Runde, der neben Tempel Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, FDP-Chef Christian Lindner, der niederländische TV-Journalist Jeroen Akkermans, der deutsch-türkische Politiker Haluk Yıldız und die türkischstämmige Publizistin Necla Kelek angehörten, niemand widersprechen.

Doch was ist, wenn bei uns oder unseren Nachbarn zufällig mal gerade keine Wahlen sein sollten, und ein populistischer Autokrat wie Erdoğan seine Adepten schickt, damit die seine Lehre verbreiten? Sollen ausgerechnet wir, die wir die freie Meinungsäußerung als hohes Gut betrachten, das offene Wort verbieten? Auch wenn das Verbot Leute betrifft, die einen Putsch für Säuberungen instrumentalisieren, unschuldige Journalisten ins Gefängnis werfen und einen Ein-Mann-Staat anstreben?

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An dieser Frage spaltete sich die Runde in zwei Gruppen. Zur einen gehörten Lindner, Kelek und mit Abstrichen Akkermans, die das Rederecht Erdoğans und seiner AKP-Leute bei uns als verwirkt betrachteten. Demgegenüber waren von der Leyen, Tempel und Yıldız der gegenteiligen Auffassung, wenngleich die zwei Frauen dafür ganz andere Gründe hatten als der deutsch-türkische Mann.

Tempel wünscht sich Regierungen, "die nicht das gleiche Machotum aufbringen"

Die jeweiligen Argumente waren nach 25 Minuten ausgetauscht, doch das störte die Diskutanten weniger - sie bewiesen in der restlichen Sendezeit einen deutlichen Hang zur aggressiven Wiederholung: Lindner forderte immer wieder die Orientierung an den fundamentalen Werten der deutschen Verfassung im Kontakt mit Erdoğan ein: "Dass diese mit Blick auf die Türkei gefährdet sind, daran kann ja kein Zweifel bestehen", so der FDP-Politiker: "Da ist ein deutscher Journalist inhaftiert worden, ohne dass wir wissen, was ihm vorgeworfen wird."

Ähnlich klang die Bewertung Erdoğans durch Kelek: "Mit jemandem, der so auftritt, kann man doch keine Staatsverträge abschließen. Wir in Deutschland haben davon bisher doch gar nichts gehabt."

Tempel teilte diese Einschätzungen größtenteils sogar, doch sie kritisierte die Lehren, die ihre Gesprächspartner daraus zogen. Provoziert fühlte sie sich vor allem von Lindner: "Das ist 'ne Art dicke Eier zu zeigen, mit 'ner Art dicke Eier zu zeigen, zu beantworten. Ich würde mir Regierungen wünschen, die nicht genau das gleiche Machotum aufbringen, sondern die smart sind", sagte die Außenpolitikexpertin.

Das heiße erstens die Meinungsfreiheit zu schützen, zweitens die Situation nicht so eskalieren zu lassen, dass man hinterher einen Scherbenhaufen in den Außenbeziehungen habe, drittens Mittel der Konfrontation zu nutzen, die Erdoğan nicht ganz so offensichtlich die Gelegenheit gäben, die Türken als Opfer undemokratischer Sanktionen darzustellen. Reisewarnungen etwa durch das Auswärtige Amt böten sich dafür an.

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Erdoğans Taktik, die Europäer als Feind zu stilisieren, damit er sich dem Volk als starker Mann darstellen kann, betrachtete auch von der Leyen als eigentliches Problem: "Sie geben schnell nach bei der Verteidigung der Redefreiheit, der Pressefreiheit und der Meinungs- und Versammlungsfreiheit" sagte sie an die Adresse Lindners gerichtet. Und: "Sie lassen sich vorführen vom türkischen Präsidenten, der genau das will. Wenn wir die Lindner'sche Tour nehmen, dann hat er genau das erreicht, was er erreichen wollte. Dann hat er den Feind draußen." Viel schlimmer sei es für Erdoğan, wenn er bei den Punkten getroffen werde, wo er bereits schwach sei, etwa in der Tourismusbranche.

Zumindest waren sich fast alle Gäste der Runde einig, dass Erdoğans Vorgehen nicht akzeptabel ist - bis auf einen, den deutsch-türkische Politiker Haluk Yıldız. Nicht die Türken hätten die rote Linie mit ihren Faschismus-Vergleichen zuletzt überschritten, sondern vielmehr die deutsche Politik mit ihrer undifferenzierten Haltung zum Genozid an den Armeniern: "Man lässt im deutschen Parlament zu, 80 Millionen Türken als Nachkommen von Mördern zu stigmatisieren und regt sich dann auf, dass Erdoğan solche Vergleiche zieht."

Darauf, dass Erdoğan 17 Millionen Niederländer kürzlich kollektiv als "Nazi-Nachfahren" bezeichnet hatte, ging Yıldız nicht ein. Vermutlich, weil sich die Niederländer nach dieser für sie erlösenden Wahl nicht mehr so sehr darüber aufregen.

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