Annegret Kramp-Karrenbauer bei Maischberger:Neue Vorsitzende, neue Zeiten, neue Umgangsformen

Annegret Kramp-Karrenbauer zu Gast bei Sandra Maischberger

Sandra Maischberger diskutierte mit der CDU-Parteivorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer.

(Foto: WDR/Max Kohr)

Am Abend bei Sandra Maischberger zeigt Annegret Kramp-Karrenbauer selbstbewusst, wie sie die Erneuerung der CDU angeht. Nur eine Antwort vermeidet sie partout: Ob sie denn nun tatsächlich Kanzlerin werden möchte.

Von Stefan Braun, Berlin

Das Jahr 2019 startete für Annegret Kramp-Karrenbauer früh, und es begann bei denen, die ihre Vorgängerin sehr gequält haben. Für viele waren die Weihnachtsferien noch gar nicht zu Ende, da war die neue CDU-Vorsitzende schon zu Gast bei der CSU und ihrer Landesgruppe. Um Frieden zu schließen und viel von diesem neuen Frieden in die Welt hinaus zu tragen. Neue Vorsitzende, neue Zeiten, neue Umgangsformen - das will sich die 56-Jährige früh auf die Fahne schreiben.

Es folgte eine Vorstandsklausur der eigenen Partei, dazu Besuche in den Landesverbänden, insbesondere dem im Südwesten. Auch da hieß das Ziel Befriedung und Neustart. Vor allem in Baden-Württemberg gibt es viele, die im Dezember Friedrich Merz unterstützt hatten.

Bislang ist alles aufgegangen. Man trifft in diesen Wochen in der CDU kaum jemanden, der ein schlechtes Wort über die neue Chefin verlieren würde. Selbst Friedrich Merz, so sagt er es, möchte unbedingt ihren Erfolg. So gesehen hätte ihr Start nach dem knappen Erfolg von Hamburg kaum besser sein können.

Nun aber beginnt ein für Europa und Deutschland wichtiges Wahljahr. Entsprechend neugierig sind die Menschen, was die Erbin von Angela Merkel in diesem Jahr für das Land vor hat. Aufschluss darüber sollte am Mittwochabend ein Auftritt bei Sandra Maischberger liefern. Wie es wirkte, wie es war und welche Eindrücke AKK hinterließ - dazu eine kleine Nachtkritik aus der Hauptstadt.

Der erste Eindruck

Annegret Kramp-Karrenbauer wirkt sehr aufgeräumt an diesem Abend. Sie ruht in sich, ganz egal, ob sie über ihre Familie und ihr Leben spricht oder die Berliner Politik einordnet. Die CDU-Vorsitzende erzählt und plaudert aus der eigenen Geschichte, wird sogar sehr persönlich, als es um den frühen Tod ihres Vaters geht und um die Frage, ob sie ihr Studium hinschmeißt, um ihrer Mutter beizuspringen. Am Ende hat sie das nicht getan damals. Aber man spürt, dass es ihr wichtig ist, wo sie herkommt.

Ruhig und selbstbewusst wirkt sie aber auch, als Kontrahenten wie Wolfgang Schäuble oder Friedrich Merz angesprochen werden. Sie schätze die; und ja, sie respektiere Schäuble, sagt Kramp-Karrenbauer. Das wirkt weder naiv noch verlogen, sondern ziemlich gerade.

Die wichtigste Botschaft

Ist wohl zuallererst die, dass sie keine Scheu hat, auch über sehr Persönliches zu sprechen - und dass sie sich dafür manch merkwürdiger Frage der Moderatorin zu stellen bereit ist. Wann hatten Sie Ihren ersten Rausch? Wann hatten Sie Ihren letzten Rausch? Nachdem Ihre Kinder geboren wurden? Fragen sind das, die wahrscheinlich niemanden weiterführen. Trotzdem versucht die CDU-Vorsitzende, auch darauf Antworten zu geben.

Politisch wichtiger ist freilich ihre Aussage, dass sie nicht vorhat, die CDU konservativer zu machen oder nach rechts zu rücken. Die CDU-Chefin betont zwei Themen, die ihr für die kommenden Monate besonders wichtig erscheinen.

AKK bleibt bei der Ablehnung der gleichgeschlechtlichen Ehe

Zum einen will sie einen Schwerpunkt auf die innere Sicherheit und einen starken, durchsetzungsfähigen Staat legen. Das, so Kramp-Karrenbauer, "wollen nicht nur die Mitglieder der CDU, sondern viele Menschen". Zum anderen gehe es angesichts wachsender Unsicherheiten in der Wirtschaft um die Frage, wie "wir auch in Zukunft unseren Wohlstand sichern". Sie wird dabei nicht konkreter; man muss als Zuschauer schon mitdenken, dass der Handelskrieg zwischen den USA und China, dass der drohende Brexit und dazu die Digitalisierung riesige Herausforderungen darstellen, gerade auch für die deutsche Wirtschaft.

Besonders konkret wird sie also nicht; zentrale Aussagen sind es trotzdem.

Der persönlichste Moment ...

... kommt, als sie über ihren Mann und ihre früh geschlossene Ehe redet. Schon kurz nach dem Tod des für sie besonders wichtigen Vaters lernt sie ihren Mann kennen, sie kommen schnell zusammen und bekommen schon sehr bald Kinder. Wenn sie heute so drauf schaue, so Kramp-Karrenbauer, dann sei das ganz schön mutig und risikoreich gewesen; erstens so schnell und dann noch in einer Zeit, als beide noch studierten. Aber damals sei es für sie beide einfach klar gewesen, und das gelte auch für die Tatsache, schnell Kinder zu bekommen.

Der schwächste Augenblick ...

... ist mal wieder der Moment, in dem ihre Auffassung zur gleichgeschlechtlichen Ehe zur Sprache kommt. Diese hatte Kramp-Karrenbauer schon vor geraumer Zeit abgelehnt und bei der Begründung harte Vergleiche gezogen. In ihrer Ablehnung betonte sie, wer die Definition der Ehe aus dem Grundgesetz öffne, der dürfe sich nicht wundern, wenn dann noch ganz andere Forderungen kämen, zum Beispiel nach einer Ehe mit Verwandten oder einer mit mehr als einem Menschen. Dass sie damit die gleichgeschlechtliche Ehe in die Nähe zweier tatsächlich strafrechtlich relevanter Verhalten rückt, ficht sie nicht an. Auch am Mittwochabend bei Maischberger bleibt sie trotz Nachfragen bei dieser Haltung.

Allerdings stellt sie klar, dass die CDU in dieser Frage inzwischen eine andere Auffassung vertrete und diese Auffassung nun auch in Gesetze einfließe. Und das akzeptiere sie ganz selbstverständlich. Deshalb werde sie diese Linie (der Partei) politisch auch mit aller Kraft vertreten.

Ehrlich wird sie an der Stelle ganz zum Ende hin - und erzählt, dass ihre Kinder die Position der Mutter "außerordentlich doof" finden. So was muss man nicht erzählen. Dass sie es trotzdem tut, spricht für die innere Gelassenheit, mit der sie an diesem Abend auftritt.

Die überraschendste Aussage ...

... ist die Tatsache, dass sie auf die konkrete Frage nach einem Tempolimit in Deutschland ebendieses knallhart ablehnt.

Dazu kommt die Frage, wie sie sich zwischen einem Tesla oder einem Porsche entscheiden würde. Ihre Antwort: Sie wähle keinen von beiden, sondern ein ganz normales Auto. Keine unkluge Antwort.

Wie sie über die SPD redet

Fast überhaupt nicht. Nur als die Moderatorin an die Pläne von Finanzminister Olaf Scholz erinnert, der den Spitzensteuersatz erhöhen möchte, antwortet Kramp-Karrenbauer, dass sie das nicht überrasche. So sei das nun mal mit den Sozialdemokraten, die derlei für gute Politik halten würden. Sie lehne das ab, weil in Zeiten, in denen die Steuereinnahmen hoch seien, man eher über Entlastungen beim Spitzensteuersatz nachdenken müsse; das gelte umso mehr angesichts der Tatsache, dass inzwischen schon Facharbeiter in die Lage kämen, ihn zahlen zu müssen.

Was sie zur AfD sagt

Auch nicht sonderlich viel, außer der klaren Ansage, dass die CDU mit den Rechtspopulisten nicht regieren werde. Allerdings fügt sie hinzu, das gelte für die Populisten von rechts und von links, also auch für die Linkspartei. Das habe ihre Partei so beschlossen.

Weitere Auseinandersetzungen oder Abgrenzungen sucht sie nicht. Und auf die Frage, ob die Flüchtlingskrise von 2015 überwunden sei, antwortet sie zweigleisig: die akute Not mit den hohen Flüchtlingszahlen sei bewältigt; die Integration und die Perfektion der Abläufe sei dagegen noch nicht ganz erreicht worden. Kein scharfer Ton, sondern eine nüchterne Analyse. Die AfD soll keine Bestätigung ihrer vergiftenden Thesen bekommen.

Wie sie über die Grünen denkt

Darüber erfährt man leider fast gar nichts. Was auch daran liegen dürfte, dass Kramp-Karrenbauer dazu nicht gefragt wird. Nur beim Thema Jamaika ist sie einigermaßen offen. Dass das "im ersten Anlauf" nicht gelungen sei, finde sie schade. "Im ersten Anlauf" ist dabei eine interessante Formulierung; es klingt fast wie eine Ankündigung, dass es weitere Anläufe geben könnte.

Welche Linie sie für Europa hat

Dazu gibt es leider auch fast keine Informationen. Sie erwähnt das nicht bei der Frage nach den wichtigsten Aufgaben. Und die Moderatorin kommt nicht auf die Idee, nachzufragen. Einzige Ausnahme ist zu Beginn ein Spiel mit der Aufforderung an die CDU-Chefin, einen angefangenen Satz zu vollenden. In diesem Fall den Satz, was am 29. März wohl passieren werde. Kramp-Karrenbauers Antwort: Hoffentlich ein geordneter Brexit - wenn sich die Briten nicht noch für ein zweites Referendum oder etwas anderes entscheiden sollten.

Ansonsten fällt das Wort Europa und die Frage nach der Zukunft der EU kein einziges Mal; nicht mit Blick auf die Probleme mit den Osteuropäern; nicht mit Blick auf die Gelbwesten in Frankreich; nicht mit Blick auf die Frage, was Deutschland jetzt tun sollte. Das ist - im Jahr einer historisch wichtigen Europawahl - das größte Versäumnis und die größte Schwäche des Abends.

Wie ihre Botschaft für Ostdeutschland aussieht

Hier geht es noch einmal um den Schwerpunkt Sicherheit und starker Staat. Auch wenn sie den Zusammenhang nicht direkt herstellt, gilt dieses Ziel zweifelsohne auch für den Wahlkampf im Osten.

Außerdem betont Kramp-Karrenbauer, in Brandenburg, Sachsen und Thüringen gehe es darum, stabile Mehrheiten der Mitte zu erreichen. Und um das schaffen zu können, müssten auch die anderen Parteien, also die SPD, die Grünen und die Liberalen, genügend Stimmen einsammeln.

Kramp-Karrenbauer will partout kein Gerhard Schröder sein

Was sie über Angela Merkel sagt

Dass sie sich beide vertrauen könnten. Und dass sie mit Merkel von Anfang an ausgemacht habe, in jedwelche Pläne über Verzicht und Rückzug nicht eingeweiht zu werden. Nur so, sagt Kramp-Karrenbauer, sei sie selbst frei im Denken gewesen.

Interessant ist an der Stelle, dass man zweierlei spürt: Kramp-Karrenbauer will auf keinen Fall Misstöne entstehen lassen. Gleichzeitig hält sie demonstrativ Abstand, weil sie das Bild von zwei besten Freundinnen auch nicht entstehen lassen möchte.

Auf die Frage, ob dieses Jahr schon der Wechsel im Kanzleramt anstehe, antwortet die CDU-Chefin betont nüchtern. Ein Blick auf die Verfassung zeige, dass es keineswegs leicht sei, einfach zu gehen oder die Ämter zu tauschen. Offenkundig soll der Wechsel nicht unmöglich erscheinen, aber auch nicht quasi vor der Tür stehen.

Bemerkenswert ist etwas anderes: Selbst die Moderatorin ist überrascht, als Kramp-Karrenbauer gleich mehrfach der Frage ausweicht, ob sie denn nun gerne Kanzlerin werden würde. Stattdessen sagt sie Sätze wie: Wer sich für den CDU-Vorsitz bewerbe, zeige, dass er sich das zutraue. Oder: "Wenn ich mir das nicht zutrauen würde, wäre ich nicht angetreten."

An der Stelle wird klar: Kramp-Karrenbauer will partout kein Gerhard Schröder sein und auch nicht wie einer wirken, der quasi immer schon am Zaun des Kanzleramts gerüttelt hat. Ihre Aufgabe sei es, die CDU so aufzustellen, dass sie bei der nächsten Wahl stärkste Partei werde. Da gehe es nicht um sie persönlich, sondern um die Aussicht der Christdemokraten. Wenn sie also eine Art Vorrecht habe, dann sei das "die Verantwortung, das Recht und die Pflicht, diesen Prozess von vorne zu führen".

Viele Worte sind das, um bescheiden zu wirken.

Ihr (letztes Wort) zu Friedrich Merz

Dass er und Schäuble ihr "gleichermaßen lieb" seien. Ja, sie schätze beide; beide hätten für die CDU auf ihre Art große Bedeutung. An der Stelle will sie keine neuen Provokationen starten. Nur auf eine Aussage mag sie dann doch nicht verzichten: dass ihre Wahl zur Parteichefin schon ein klares Signal dafür sei, wie sich die CDU künftig ausrichte.

Die aufschlussreichste Information

Ist die Botschaft, dass Kramp-Karrenbauer mit dem Kämpferischen einer Alice Schwarzer oft wenig anfangen konnte, vor allem in früheren Jahren. Dass sie die Feministin zuletzt aber getroffen hat für einen sehr herzlichen Austausch. Und dass Kramp-Karrenbauer ganz unabhängig von ihrem Verhältnis zu Alice Schwarzer "am Ende des Tages" eine Parität zwischen Mann und Frau in Partei und Parlamenten erreichen möchte. Frauen nämlich seien keine Minderheit, so Kramp-Karrenbauer. Sie stellten die Hälfte der Gesellschaft. Wer will, kann das als klare Ankündigung lesen, an der Stelle nicht mehr locker zu lassen.

Und wie war die Moderatorin?

Sandra Maischberger hat an manchen Stellen sehr hartnäckig nachgefragt, das war bemerkenswert. Insbesondere die Frage des Umgangs mit gleichgeschlechtlichen Ehepartnern hat offengelegt, wie streng die CDU-Chefin bei ihrer Position bleibt.

Andererseits sind manche politischen Themen dramatisch unterbelichtet geblieben. Vielleicht war das dem Konzept der Sendung geschuldet; zu deutlich galt die erste Hälfte des Gesprächs vor allem der Person und nicht den politischen Aufgaben. Trotzdem sind Fragen nach dem Kurs Kramp-Karrenbauers in Europa oder nach ihrer Erklärung für die Spannungen und Spaltungen in Deutschland zu kurz gekommen. Zu Beginn eines Jahres mit derart wichtigen Wahlen ist hier leider eine heikle Leerstelle geblieben.

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