Corona-Diskussion bei "Maischberger":Welchen Preis Kinder in der Pandemie zahlen

Corona-Diskussion bei "Maischberger": Boris Palmer in der Sendung

Boris Palmer in der Sendung

(Foto: WDR/Max Kohr)

Grünen-OB Palmer glaubt, die Corona-Maßnahmen schadeten Kindern möglicherweise mehr als das Virus selbst. SPD-Politiker Lauterbach holt die steile Aussage auf den Boden der Tatsachen zurück.

TV-Kritik von Felix Hütten

Diese kleine Geschichte soll mit einer für Mediziner eher banalen Weisheit beginnen: Mit Prävention, leider, leider, erntet man wenig Ruhm und Ehre. "There is no glory in prevention", sagte Charité-Virologe Christian Drosten zu Beginn der Corona-Pandemie. Dabei ist Vorbeugung das allerbeste Mittel der Medizin, um eine Katastrophe zu verhindern. Die Katastrophe ist in Deutschland - zum Glück - bislang ausgeblieben, und die große Frage lautet jetzt: Kommt sie, mit etwas Verspätung, als Abschiedsgruß des Sommers doch noch?

Zu dieser Frage diskutierten am späten Mittwochabend im ARD-Talk von Sandra Maischberger der SPD-Gesundheitsexperte und Epidemiologe Karl Lauterbach und Tübingens grüner Oberbürgermeister Boris Palmer. Der Kontext: weiter steigende Infektionszahlen weltweit, jetzt auch wieder in Deutschland. Was also tun?

Karl Lauterbach plädiert für eine härtere Gangart: Die zweite Welle rollt an, Deutschland ist noch zu retten, wenn die Menschen jetzt Vorsorge treffen mit Abstand und Masken. Palmer widerspricht, wenn auch nur zart: Ganz so schlimm sei es vielleicht (noch) nicht. Dabei sollte der studierte Mathematiker Palmer eigentlich wissen, wie schnell sich die momentane Lage zum Schlimmeren, wenn nicht gar Schlimmsten wenden kann: Steigen die Infektionszahlen weiter, droht das bereits aus dem Frühjahr bekannte und gefürchtete exponentielle Wachstum.

Es scheint, als gebe es ein Menschenrecht auf Auslandsurlaub

Karl Lauterbach warnt davor, dass - kommt es so weit - die Strategien dagegen erneut und vielleicht noch mehr als bisher auf Kosten der Kinder gehen: Urlaub im Ausland, das ginge jetzt. Schule und Kita, das gehe dann vielleicht bald nicht mehr. Das aber gehe gar nicht, sagt er. Palmer stimmt zu. Und verhakt sich sogleich in der These, dass Kinder global betrachtet womöglich mehr unter Anti-Corona-Maßnahmen leiden könnten als unter der Krankheit selbst. Er verwendet den Ausdruck: "Kinder opfern".

Wie gesagt: Für Prävention gibt's wenig Annerkennung. Und während Deutschland darüber diskutiert, ob Schüler schon bald im Unterricht Masken tragen sollten, werden zeitgleich auch jene Stimmen laut, die gerne wieder Fans im Stadion sehen wollen. Ein Menschenrecht auf Auslandsurlaub scheint es zumindest in Deutschland eh schon zu geben, und die auffällig vielen positiven Abstriche der Reiserückkehrer lassen nichts Gutes erahnen. Schul- und Kitaschließungen sind weiterhin eine Option, Flughafenschließungen offenbar nicht.

Aber klar, niemand möchte Kinder opfern, weder weltweit, noch hierzulande - außer vielleicht, wenn es um so was wie Bildung geht. Und deshalb, man muss es ihm danken, holt Lauterbach Palmers steile Aussage auch zeitnah wieder auf den Boden der Tatsachen: Wenn Kinder irgendeinen Preis für Corona zu zahlen haben, dann sei es der Preis der fehlenden Unterrichtsstunden hierzulande. Dann sei das Hunger, dann sei das Chaos, das eine unkontrollierte Pandemie schon heute in vielen Ländern der Welt hinterlässt. Nicht Anti-Corona-Maßnahmen gefährdeten Kinder, sondern ein Virus, das in der Lage sei, ganze Nationen kollabieren zu lassen.

Als Vorschlag zur Güte fordert Boris Palmer, in Deutschland "besser austarierte Maßnahmen" zu ergreifen, um einen zweiten Slowdown (einen Lockdown gab es hierzulande nie) zu verhindern: In Tübingen, nur als Beispiel, biete man fortan älteren Menschen an, kostenlos mit dem Taxi zu fahren, damit sie nicht mit jungen Menschen zusammen im Stadtbus sitzen müssten.

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