Süddeutsche Zeitung

Magazin "The Continent":Die ganze Vielfalt Afrikas

Die neue Wochenzeitung "The Continent" wird per Whatsapp verbreitet und will alle 55 afrikanischen Staaten abbilden. Und dem Blick von außen etwas entgegensetzen - der zu oft ein Klumpen aus Krieg, Korruption und Krankheit ist.

Von Bernd Dörries

Es ist viel geschrieben und analysiert worden, warum so viele jener Präsidenten und Premiers in Afrika, die so jung ins Amt kamen, es sich dort so bequem machten, seit Jahrzehnten regieren oder so tun, als ob. Die einen schoben es auf eine Art postkoloniale Spätfolge, die anderen auf persönliche moralische Verwahrlosung, Theorien wurden formuliert und Urteile gefällt. Nur die Betroffenen wurden kaum gefragt.

Das hat Simon Allison nun getan, der südafrikanische Journalist ist zu Präsidentinnen und Präsidenten gegangen und hat sie gefragt, was macht die Macht mit euch, was macht es so schwer, von ihr zu lassen? Es ist eine der besten Geschichten aus The Continent, einer neuen Wochenzeitung, die seit Mitte April erscheint, kostenlos per Whatsapp verbreitet wird und den Anspruch hat, den ganzen afrikanischen Kontinent abzubilden. Eine Region, deren Bild bisher oft durch den Blick von außen entstand, in dem die 55 Staaten nicht selten zu einem Klumpen aus Krieg, Korruption und Krankheit schrumpften.

In Afrika schaut man oft gar nicht auf das, was die Nachbarn so tun

Während Afrika von Europa oder den USA aus oft wie ein einziges Land erscheint, schaut man in Afrika oft gar nicht auf das, was die Nachbarn so tun. "Es gab immer das Vorurteil, dass das nicht interessiert und viel zu teuer ist", sagt Simon Allison. Er ist eigentlich Leiter des Afrika-Ressorts der südafrikanischen Wochenzeitung Mail & Guardian, ein Ressort, das nur aus ihm selbst besteht. Ein Dutzend Geschichten hat er bisher jede Woche aus den anderen afrikanischen Ländern geschrieben oder redigiert. Und damit wahrscheinlich mehr als alle anderen südafrikanischen Zeitungen zusammen. Da muss doch mehr möglich sein, habe er schon immer gedacht, sagt Allison.

"Als die Corona-Pandemie begann, haben wir gemerkt, wie viele Fake News auf Whatsapp im Umlauf sind. Freunde und Familie haben mich und Kollegen immer gefragt: Stimmt diese oder jene Nachricht, ist es richtig, dass Dampf gegen Corona hilft?" Also beschlossen Allison und einige Kollegen, dass jetzt der beste Zeitpunkt wäre, das Projekt zu starten. "Auf demselben Schlachtfeld, auf Whatsapp", sagt Allison. Sie steckten eigenes Geld in die Zeitung und ihre Freizeit. Fast dreißig Seiten produzieren sie jede Woche, Geschichten von Afrika für Afrika und die ganze Welt. Bis zu 60 000 Ausgaben werden jede Woche heruntergeladen und weitergeleitet, so Allison, mit Lesern in 81 Ländern der Welt. Ein riesiger Erfolg, für den es auch schon Preise gab.

Als Nächstes wollen sie sich daran machen, die Zeitung profitabel aufzustellen. Ein Abo-Modell funktioniert auf Whatsapp nicht, also soll es Mitgliedschaften geben, sollen Stiftungen angesprochen werden und Werbekunden. Viele der Autoren kennt Allison schon lange, andere sind neu hinzugestoßen. Sie alle bringen ihre eigenen Perspektiven mit, ihren eigenen Stil, nur eines sollten die Texte sein, sagt Allison: unterhaltend. "Wir konkurrieren mit Medien wie Twitter, wir wollen also kurz, scharf und witzig sein." Sofern das eben geht.

"Wo sind all die Blumen hin?", fragte die erste Ausgabe, als durch Corona die kenianischen Blumenexporte nach Europa zusammenbrachen. The Continent berichtete über die Hintergründe einer Entführung in Simbabwe und den ersten afrikanischen Olympiateilnehmer im Skeleton. Über einen Mann in Tansania, der innerhalb weniger Wochen Edelsteine im Wert von mehreren Millionen gefunden hatte. Und das Magazin stellt neue afrikanische Dokumentarfilme vor. Es ist die ganze Bandbreite des Kontinents, des Lebens. The Continent hat schon nach wenigen Ausgaben einen eigenen Ton gefunden, eine eigene Perspektive auf den Kontinent.

"Ich mochte die Politik nicht", sagt dann der kürzlich abgetretene Präsident von Botswana

Von den Präsidenten, die Allison interviewt hat, haben die einen die Macht genossen, die anderen tun so, als hätten sie eher gelitten unter ihr. Pierre Buyoya, der sich in Burundi zwei Mal an die Macht putschte, erzählt, wie Macht auch machtlos machen kann. "Als Präsident hat man eine Menge Verantwortung und Herausforderungen, aber manchmal fühlt man sich machtlos, obwohl man die Macht hat." Ian Khama, der kürzlich abgetretene Präsident von Botswana, sagt: "Ich mochte die Politik nicht. Jeder hat seine Probleme bei dir abgeladen. Es war eine Belastung." Nicht mal auf Familienfeiern habe man ihn in Ruhe gelassen.

Dann sagt Khama noch ein paar Sätze zu Angela Merkel. Er habe immer viel Respekt vor ihr gehabt, aber als sie zu ihrer vierten Amtszeit antrat, habe er sich schon gefragt, ob das nicht etwas zu viel sei? Hier ist es einmal umgekehrt, hält Afrika Europa den Spiegel vor. So will es Allison auch mit der USA-Wahl halten, von der afrikanische Reporter berichten sollen, von einem Zweikampf zweier Greise.

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