"Mad Magazine" vor dem Aus:Würg! Schluck! Heul!

"Mad Magazine" vor dem Aus: Das Mad Magazine war über weite Strecken reiner Nonsens, aber immens wichtig für die Popkultur.

Das Mad Magazine war über weite Strecken reiner Nonsens, aber immens wichtig für die Popkultur.

(Foto: Mad Magazine)
  • Das Magazin Mad steht vor dem Aus.
  • In den Sechzigern und Siebzigern wurde es zur Ikone gepflegten Schwachsinns mit satirischen Geschichten, experimentellen Comics und ätzenden Cartoons.
  • Aber die Verkaufszahlen gingen in den vergangenen Jahren immer weiter nach unten. Einige Autoren wurden bereits entlassen.

Von Titus Arnu

Abstehende Ohren, halbdebiles Grinsen, seltsame Frisur, Zahnlücke: Alfred E. Neumann gilt als Symbolfigur für grenzenlose Dummheit. Seit Mitte der Fünfzigerjahre ist Neumann das Gesicht des Satiremagazins Mad, zuvor hatte er schon eine zweifelhafte Karriere als Werbe- und Witzfigur hinter sich. Mit seinem beknackten Wahlspruch "What - me worry?" steht er für die Verblödung und den Niedergang Amerikas, aber auch für das Bedürfnis der Menschen, sich mit Trash zu beschäftigen.

Abstehende Ohren, halbdebiles Grinsen, seltsame Frisur, keine Zahnlücke: Auch Donald J. Trump gilt vielen als Symbolfigur für grenzenlose Dummheit. Seit 2017 ist er das Gesicht der Vereinigten Staaten von Amerika, zuvor hatte er schon eine zweifelhafte Karriere als Werbe- und Witzfigur hinter sich. Mit seinen Wahlsprüchen, die zu beknackt sind, um sie alle aufzulisten, steht er für die Verblödung und den Niedergang Amerikas, aber auch für das Bedürfnis der Menschen, sich mit Trash zu beschäftigen.

Vielleicht waren Alfred E. Neumann und Donald J. Trump Konkurrenten, ohne dass sie sich dessen bewusst waren. Das Überleben scheint jedenfalls schwer zu sein für eine satirische Comicfigur wie Alfred E. Neumann, wenn selbst der US-Präsident wie eine satirische Comicfigur aussieht. Die Wirklichkeit wirkt mitunter bizarrer als jeder noch so überzeichnete Cartoon. Deshalb hat Mad nun kapituliert. Alfred E. Neumann tritt zurück und überlässt das Feld in Zukunft anderen Clowns. Die Redaktion des Satiremagazins gab bekannt, dass keine neuen Inhalte mehr produziert werden. Es wird wahrscheinlich noch einige Best-of-Sammelalben geben, aber über kurz oder lang wird die gedruckte Ausgabe wohl nicht mehr erscheinen.

Gegenwelt zu Disney und Marvel

Mad wurde 1952 von Harvey Kurtzman und William M. Gaines gegründet, ursprünglich unter dem Titel "Tales Calculated To Drive You Mad". Das Heft entwickelte sich in den 1960er und 1970er Jahren zur Ikone des gepflegten Schwachsinns mit satirischen Geschichten, experimentellen Comics und ätzenden Cartoons. Zeichner wie Don Martin, Norman Mingo und Sergio Aragonés prägten das Blatt mit ihrem charakteristischen Strich und einem ausgeprägten Hang zum Flachwitz. Al Feldstein, der das Magazin 30 Jahre lang als Chefredakteur leitete, verhalf Mad zu internationaler Bekanntheit. Die deutsche Ausgabe erschien von 1967 mit mehreren Unterbrechungen bis Januar 2019.

Das subversiv bis surreal wirkende Magazin war eine Gegenwelt zu den niedlichen, sexfreien Disneyfiguren und den patriotischen, brachialen Superhelden der Verlage Marvel und DC. In Märchen-Parodien fing ein zum Frosch mutierter Prinz mit meterlanger Zunge Fliegen, was immer irgendwie schiefging. "Spion & Spion", zwei windige Typen mit Hut, Sonnenbrille und Trenchcoat, konnte man als Metapher für absurden Verfolgungswahn und gegenseitige Neutralisierung im Kalten Krieg lesen. Don Martin kultivierte Riesenrübennasen und Knollenzehen, und dann gab es noch den legendären Centerfold, der keine nackten Frauen wie im Playboy zeigte, sondern beim Falten zwei Zeichnungen zu einer werden ließ.

Ähnlich wie die Donald-Duck-Übersetzungen von Erika Fuchs sorgten die deutschen Adaptionen der Mad-Comics bei Teenagern für einen erweiterten Wortschatz. Lautmalerische Sprechblasen wie "Lechz", "Würg", "Keuch", "Stöhn", "Glitsch", "Schlonk" oder "Dabbadubba" gingen in den allgemeinen Sprachgebrauch über (na gut, Dabbadubba vielleicht nicht). Wesentlichen Anteil am Erfolg auf dem deutschen Markt hatte ein gewisser Herbert Feuerstein. Der spätere Comedian und Sidekick von Harald Schmidt übernahm die Chefredaktion des Magazins, weil er ein glühender Fan der amerikanischen Mad-Ausgabe war. In den 1980er-Jahren gingen in Deutschland bis zu 300 000 Hefte über den Ladentisch. Als die Comedy-Shows im Fernsehen aufkamen und später das Internet mit seinen Katzenvideos dazukam, ging die Auflage nach unten, und Feuerstein wechselte das Medium.

Über weite Strecken war Mad reiner Nonsens, l'art pour l'art - oder besser gesagt Schmarrn pour Schmarrn. Doch die Bedeutung des Magazins für die Popkultur ist beachtlich. In François Truffauts Verfilmung von "Fahrenheit 451" brennt ein Stapel der Witzhefte, ein symbolisches Bild für die Vernichtung von geistiger Freiheit, so gaga sie auch sein mag. Nicht das Feuer oder politische Unterdrückung machen Mad nun den Garaus, sondern die schlechten Verkaufszahlen. 1973 erreichte die US-Ausgabe noch 2,8 Millionen Abonnenten, 2017 waren es nur noch 140 000. Die deutsche Ausgabe kam am Schluss nur noch auf 12 000 verkaufte Exemplare. Der Verlag DC Comics, in dem die US-Version von Mad zuletzt erschien, hat bereits einige Autoren entlassen. Den Fans bleibt nur ein leises "Schluck", "Stöhn" und "Heul".

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