Lokaljournalismus:Per Adler zum Abo

Der lokale Blog "Prenzlauer Berg Nachrichten" sucht dringend neue Abonnenten. Auch mit Hilfe von Bundestagsabgeordneten - aber die Gestaltung des Werbebriefs gefällt nicht jedem.

Von Max Hägler

Der Brief ist ein klarer Aufruf, Geld auszugeben: "Abonnent werden und Lokaljournalismus unterstützen!" lautet der Titel. Die beiden Berliner SPD-Bundestagsabgeordneten Cansel Kiziltepe und Klaus Mindrup sowie der Grünen-Parlamentarier Hans-Christian Ströbele haben das Papier unterzeichnet, das sich um den Fortbestand des Blogs Prenzlauer Berg Nachrichten sorgt. Der Anzeigenverkauf wurde weitgehend eingestellt, weil Kunden zu oft zusätzlich noch eine nette Berichterstattung forderten. Das Ziel sind nun 750 Abonnenten bis Monatsende. "Alles oder nichts", steht in dem Politikerbrief, der dazu aufruft, "4,90 Euro pro Monat zum Erhalt des Lokaljournalismus auszugeben". Mittig darüber prangt der Bundesadler, der den Absendern Gewicht verleiht, der Aktion etwas Staatstragendes gibt. Wobei der Vogel mindestens ein Geschmäckle hat: Verwenden Politiker Hoheitssymbole für eher private Zwecke, dann gibt es regelmäßig Ärger. In den 1990er Jahren empfahl der damalige Vizekanzler Jürgen Möllemann auf Dienstpapier den deutschen Handelskonzernen Einkaufswagenchips, die ein Verwandter vertrieb. Nachdem ihm Amtsmissbrauch vorgeworfen wurde, trat er zurück.

Philipp Schwörbel, auch Geschäftsführer der Krautreporter, hat die Prenzlauer Berg Nachrichten vor fünf Jahren gegründet. Sie versorgt den Berliner Kiez Prenzlauer Berg mit seinen 150 000 Bewohnern, für die politisch die drei Abgeordneten zuständig sind, mit Geschichten. Die Finanzierung war immer schwierig - jetzt aber stehe die Existenz auf dem Spiel, schreiben die drei Macher auf ihrer Seite, die sie auch "Prenzlette" nennen.

Nun ist ein Abo-Aufruf zur Rettung natürlich nicht vergleichbar mit Möllemanns Einkaufschips. Aber zumindest eine Konkurrenz ist dennoch empört, konkret der Blog Prenzlberger Stimme, der Vetternwirtschaft zwischen den SPD-Politikern und Schwörbel vermutet. Der war früher Referent von Gesine Schwan, die mit Unterstützung der SPD zweimal für das Bundespräsidentenamt kandidierte: Der Werbebrief sei "offensichtlich eine Gegenleistung vor allem der beiden sozialdemokratischen Abgeordneten für die Schützenhilfe, die Schwörbel ihnen mit seinem Prenzlauer-Berg-Blog während des Bundestagswahlkampfes 2013 leistete", schreibt der dort Verantwortliche Olaf Kampmann in seinem Blog. Schwörbel verwahrt sich gegen die Vorwürfe: "Wir arbeiten völlig unabhängig."

Nun liegt Kampmann mit der Prenzlette und auch dem Abgeordneten Mindrup schon länger im - auch juristischen - Clinch. Beim aktuellen Streit verteidigt sich Mindrup: Die Verhaltensregeln für Abgeordnete erlaubten die Verwendung des Bundesadlers zur Unterstützung einer unabhängigen Lokalzeitung.

Tatsächlich erklärt der Bundestag auf SZ-Anfrage, dass die Verhaltensregeln zur Verwendung des Bundesadlers nicht den Wettbewerbsschutz zum Ziel hätten. Sein Mitstreiter Ströbele kannte die Prenzlette bislang nicht, unterstützt aber Lokaljournalismus, deshalb hat er auch dem Brief zugestimmt. "Der Briefkopf ist aber nicht richtig", sagt Ströbele, "damit muss man zurückhaltend sein." Er habe nur eine Version ohne den Adler gesehen, so hätte er es auch gerne verbreitet, sagt der Abgeordnete. Und will nun selbst nach dem Prinzip "Alles oder nichts" vorgehen: Er prüfe, ob er die Stimme ebenfalls unterstützen könne.

Ob das hilft, ob genügend Leser für "hyperlokalen" Journalismus überhaupt regelmäßig Geld zahlen wollen, ist allerdings fraglich. Jedenfalls haben sich bei den Prenzlauer Berg Nachrichten trotz des Werbens der Politiker bislang nur 379 Abonnenten gefunden.

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