Das Leben mag sich global ausrichten - das Informationsbedürfnis orientiert sich immer noch stark danach, was im eigenen Viertel, in der eigenen Stadt passiert. Nach einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach von 2015 stehen lokale Informationen bei den Interessen der Bevölkerung ganz oben. Der Lokalteil ist weiter der am stärksten genutzte Teil der Zeitung. Lokaljournalismus ist also aus Sicht der Nutzer nach wie vor relevant, aber ist er auch gut? Ein Team der Universität Trier hat in einer groß angelegten Studie dessen Qualität untersucht, 103 Lokalzeitungen und -teile und deren Onlineausgaben, insgesamt 18 000 Artikel. Federführend war die Kommunikationswissenschaftlerin Anna-Lena Wagner.
SZ: Frau Wagner, was hat Ihre Studie ergeben? Wer kriegt die besseren Bewertungen - die Großstadtzeitung oder das kleine Regionalblatt auf dem Land?
Anna-Lena Wagner: Unterm Strich schneiden die Metropolzeitungen besser ab - etwa was die Vielfalt von Darstellungsformen angeht oder das Behandeln von Kontroversen. Kleinstadtzeitungen sind dafür besser beim Service.
Gibt es unterschiedliche Entwicklungen, was die Print- und die Onlineausgaben von Lokalzeitungen angeht?
Nun, die Printausgabe bleibt der Kern der jeweiligen Verlage und Medienhäuser. Online werden oft nur die Inhalte zweitverwertet. Aber sehr viele haben inzwischen online eine Paywall eingerichtet, was ein Indiz dafür ist, dass die Online-Ausgaben mehr gelesen werden. Man versucht, mit diesem Potenzial Geld zu generieren.
Printmedien stecken seit Jahren in einer Krise, es gibt weniger Anzeigen, weniger Leser und Abonnenten. Schlägt sich die Krise bei Lokalzeitungen anders nieder?
Nicht wirklich. Lokalredaktionen versuchen zu überleben, indem sie zum Beispiel verlagsübergreifend zusammenarbeiten, um so Anzeigenverluste aufzufangen. Im Zuge dessen werden aber auch Lokalausgaben eingestellt.
Kleinere Blätter haben weniger Mitarbeiter, dafür oft treuere Anzeigenkunden. Da inseriert noch der Metzger um die Ecke, weil er weiß, dass er mit den Lesern auch seine Kunden erreicht. Wie sollten Lokalzeitungen ihre Stärken besser nutzen?
Bei der Hintergrundberichterstattung ist sicherlich noch Luft nach oben, ebenso bei der Darstellung von Kritik und Kontroversen, die auch vor örtlichen Unternehmen nicht Halt macht. Die Leser, die Bürger vor Ort stärker zu Wort kommen zu lassen, mit ihnen in Kontakt zu treten, Partizipationselemente in ihre Berichterstattung einzubauen, das sollten kleine Blätter fördern.
Warum wird die Lesereinbindung überhaupt so hochgehalten, warum ist das so wichtig?
Wenn ich politisch partizipieren will, fange ich in der Regel bei mir vor Ort an, indem ich einer Partei beitrete oder einem Verein. Und es ist eben meist ein Lokalblatt, das Themen rund um Lokalpolitik und Vereine aufgreift. In Zeiten der Politikverdrossenheit ist es wichtig, dass Zeitungen hier aktiv sind. Und den Medien wiederum wird das inzwischen ja viel einfacher gemacht, weil sie durch alle möglichen Kommunikationskanäle den Kontakt zu den Lesern halten, ja forcieren können - und gleichzeitig Verbesserungsvorschläge für ihre Redaktion einholen können.
Hat es für eine Lokalzeitung mit kleiner Redaktionsmannschaft überhaupt Sinn, über Bundes- und Weltpolitik zu berichten? Oder ist das verschenkt, weil sich die Leser darüber eh in anderen Medien informieren?
Was hier eigentlich die Qualität von Lokaljournalismus ausmachen sollte, ist die Fähigkeit, Überregionales auf die lokale Ebene runterzuziehen. Oder auch umgekehrt ein lokales Thema in einem größeren Kontext zu analysieren. Ein Bundesthema kann man ja mit dem SPD-Ortsverein durchdiskutieren. Was die Presse hier leistet, hat aber wenig überzeugt.
Welche Erkenntnis aus Ihrer Studie hat Sie am meisten überrascht?
Wie umfangreich manche Lokalausgaben sind, damit hatten wir nicht gerechnet.
Sie haben 103 Blätter gesichtet. Haben Sie jetzt eine Lieblingszeitung?
( überlegt lange) Nein, da fällt mir keine konkrete ein.