Liveberichterstattung zu Kate und William:2500 Minuten Kitsch

Stundenlang wird die ARD von der Hochzeit des britischen Prinzen William und seiner Kate Middleton live berichten - wie auch der Partner ZDF. Dazu kommen Sendungen der privaten Kanäle.

Senta Krasser

Für 13.25 Uhr Ortszeit am 29. April ist der Kuss auf dem Balkon von Buckingham Palace terminiert, und da der Bräutigam nicht irgendwer ist, sondern Militär mit Aussicht auf den englischen Thron, ist davon auszugehen, dass die Kuss-Szene der Hauptdarsteller Prinz William und Kate Middleton exakt um 14.25 Uhr deutscher Zeit im Kasten sein wird.

Prince William And Kate Middleton Visit Darwen

Ein poshes Vergnügen: Die Hochzeit von Prinz William und Kate Middleton wird ein großes Medienereignis - auch für die ARD und das ZDF.

(Foto: Getty Images)

2,5 Milliarden Menschen weltweit könnten am Freitag der kommenden Woche die angebliche Jahrhunderthochzeit verfolgen. In Deutschland übertragen sechs Sender jeweils bis zu zwölf Stunden live, das wären so 2500 Fernsehminuten, es hätten mehr sein können, wenn der Pay-TV-Kanal Sky nicht ausgestiegen wäre. Sky Deutschland und BSkyB wollten die Prinzenhochzeit dreidimensional filmen. Doch das Königshaus, dessen strenge, auf Sicherheit bedachte Medienstrategie der eines G20-Gipfels gleicht, war not amused. Als Begründung wurde fehlender Platz für die wuchtigen Spezialkameras angegeben. Ohne 3D keine Hochzeit auf Sky.

Trotzdem, noch immer ganz schön viel Brimborium: RTL, Sat 1 sowie die News-Kanäle n-tv und N24 lassen am Vermählungstag diverse Königshausexperten auftreten, zu denen neuerdings für RTL auch das Model und Ex-Jurymitglied (Germany's next Topmodel) Bruce Darnell gehört. Die ARD schickt den Doyen der royalen Berichterstattung, Rolf Seelmann-Eggebert, und die NDR-Talkshow-Moderatorin Barbara Schöneberger nach London. Schöneberger soll rasend reportieren, das ZDF setzt auf die Unterhaltungskünste der Fernsehgarten-Frau Andrea Kiewel - man ahnt, welche Zielgruppe mit der Personalie Kiewel angesprochen werden soll: nicht die junge.

Ob kommerziell oder öffentlich-rechtlich, bei der britischen Hochzeit geht es nur um die Quote und zwar an einem sonst eher einschaltschwachen Tag. TV-Manager gehen von Zuschauerrekorden aus. Doch rechtfertigt selbst ein großes Bevölkerungsinteresse, dass beide gebührenfinanzierten Anstalten stundenlang live übertragen? Würde es nicht reichen, wenn einer das machte und der andere normales Programm brächte?

Nein, jedenfalls nicht nach Meinung des ZDF-Chefredakteurs Peter Frey, der früher mit Nina Ruge (ehemals Leute heute) von Prinzenhochzeiten berichtete. Es gebe nun mal "Ereignisse von überragendem, ja globalem Interesse, bei denen ein Sender, der international in der ersten Liga mitspielt, dabei sein muss". Martin Gartzke, der für den innerhalb der ARD federführenden NDR spricht, verlautbart: "Die Übertragung der Hochzeit ist konkurrenzlos günstig." Natürlich. Die ARD - wie auch das ZDF - übernimmt das so genannte Weltbild über die Eurovision kostenlos von der BBC.

Regel zur Übertragung

Es mag auch sein, dass die englische Hochzeit im Vergleich zur Fußball Champions League "Discount-Ware" sei, wie Frey einfällt - der es genau wissen müsste, denn das ZDF kaufte die Free-TV Live-Rechte an der Champions League gerade für ungefähr 150 Millionen Euro (2012 bis 2015). Doch richtig belastbar ist kein Argument für eine Doppelausstrahlung, auch nicht das Argument, NDR und ZDF würden die Produktionstechnik gemeinsam, also partnerschaftlich nutzen. Was da eingespart wird, bewegt sich doch wohl ebenfalls bloß im Discount-Bereich.

Eigentlich hatten ARD und ZDF versprochen, sich bei der Übertragung von royalen Ereignissen abzuwechseln. Die Regel wurde vor sieben Jahren aufgestellt, damals vermählten sich drei Prinzen innerhalb kurzer Zeit, das deutsche Fernsehen berichtete so toll, dass sich ARD und ZDF vorwerfen lassen mussten, Gebührengelder zu verschleudern.

2010, als Schwedens Kronprinzessin Victoria in die Ehe mit Daniel einwilligte, stand die Übereinkunft noch. Das ZDF zeigte alles, die ARD verzichtete auf alles - möglicherweise auch, weil sie die Fußball-WM-Spiele Niederlande - Japan und Ghana - Australien bieten konnte. Bei Kate und William will keiner zurückstecken. Weltfußball ist nicht in Sicht. Und so schwärmt der NDR von der Welthochzeit als Fernsehen "der so genannten Kategorie A" (Gartzke). ZDF-Chefredakteur Frey besteht darauf, dass sein Kompetenzteam - die Moderatoren Karen Webb (präsentiert Leute heute) und Norbert Lehmann (verantwortete das im März eingestellte Magazin ZDFReporter) - den Menschen mehr vermitteln werde als den Schnitt des Brautkleids: "Wir schauen auch auf ein Land, das in einer tiefen Finanz- und Wirtschaftskrise über die Zukunft seiner Monarchie diskutiert."

Also politisch ist das spannend - wie 1981, als Williams Vater Charles die 1997 tödlich verunglückte Diana Spencer nach bis heute unübertroffenen Romantikmaßstäben zur Frau nahm - mitten hinein in Thatcherismus und IRA-Terror-Angst. Privatfernsehen gab es vor 30 Jahren noch nicht in der BRD, die Öffentlich-Rechtlichen übertrugen wie selbstverständlich zu zweit. Für die ARD vor Ort war bereits: Seelmann-Eggebert. Als Korrespondent in London konnte er der Hochzeit nicht entkommen.

Wenn am 2. Juli Prinz Albert von Monaco und die frühere südafrikanische Olympia-Schwimmerin Charlene Wittstock heiraten, ist das ZDF mit Übertragen dran. Die ARD hält sich dann raus. Die Monegassen, das lernt man, sind eben nicht so posh wie die Windsors.

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