Süddeutsche Zeitung

"Little Britain":Panoptikum für Freaks

Die Rückkehr von "Little Britain" als "Little Brexit" im Radio galt vielen als beste Nachricht in Zeiten politischer Wirrungen. Zu Recht? "Ja, aber nein, aber ja, aber."

Von Alexander Menden

Terminlich wäre es eine Punktlandung geworden, hätte die Unvorhersehbarkeit der Politik nicht wieder einmal zugeschlagen: Die Rückkehr der preisgekrönten Sketch-Show Little Britain, zu BBC Radio 4, wo sie von 19 Jahren Premiere feierte, sollte an dem Tag erfolgen, an dem das Vereinigte Königreich die EU zu verlassen plante.

Dass dieser Ausstieg auch im zweiten Anlauf nicht klappte, machte den 31. Oktober als Sendedatum für das Little Brexit betitelte Radiospecial einer der prägendsten britischen Sketch-Shows der jüngeren Vergangenheit zwar etwas weniger bedeutsam. Aber die Idiotie des gesamten Brexit-Prozesses schien schließlich trotzdem wie gemacht für das Panoptikum von Freaks, die das Autoren- und Darstellerduo David Walliams und Matt Lucas für ihre Comedy-Serie erdacht hatten.

Tatsächlich ist dann in der Sendung, die im Internet abrufbar ist, die Beschreibung von Boris Johnsons wetterwendischer Brexit-Position durch Unterschicht-Teenager Vicky Pollard mit ihrem Standardspruch "Ja, aber nein, aber ja, aber" durchaus zutreffend. Die Namensverballhornung von Brexit-Protagonisten wie "Joris Bonson" und "Nigel Frog" dagegen wirkt ziemlich zahnlos.

"Brexit sagt nein"

Der Waliser Daffyd Thomas gibt sich, entsprechend dem Großteil seines Landes, als Leave-Wähler zu erkennen. Er befürchtet, der Zuzug freizügiger europäischer Homosexueller könnte seinen Status als "einziger Schwuler im Dorf" bedrohen. Auch die Abwandlung der Catchphrase der passiv-aggressiven Reisekauffrau Carol Beer "Computer sagt nein" zu "Brexit sagt nein" - nämlich zu Reisen ins europäische Ausland - ist dann doch recht berechenbar.

Dabei gibt es keinerlei Zweifel, auf welcher Seite der Brexit-Debatte die Macher Walliams und Lucas selbst stehen: Den Rollstuhlfahrer Andy Pipkin lassen sie im Brexit-Special 100 Bände von David Camerons Memoiren kaufen, weil, wie er anmerkt, "wir kein Klopapier mehr haben". Im zweifellos schärfsten Segment muss die Rassistin Maggie Blackamoor sich übergeben, als sie im Krankenhaus erfährt, dass ihr soeben das Herz einer vom Bus überfahrenen Anti-Brexit-Demonstrantin eingepflanzt wurde. Statt damit weiterzuleben, lässt Maggie lieber den Stecker ziehen.

Der sich exzentrisch gebende schottische Pensionsbetreiber Ray McCooney sagt einem osteuropäischen Angestellten, der sich Sorgen über sein Bleiberecht nach dem Brexit macht: "Ich hoffe doch, dass ihr bleibt - ihr seid so viel billiger als die Leute von hier." Und der in den - auch in dieser Radioversion von Anthony Head gesprochenen - fiktiven Premierminister Michael Stevens verliebte Sebastian Love, der nach einer Traumsequenz erkennen muss, dass in Wirklichkeit Boris Johnson das Land regiert, wirft diesem voll Verachtung hin: "Ich würde mich nicht mal in die Nähe von deinem Backstop trauen!"

Viele der Sketche des halbstündigen Specials erwecken den Eindruck, als hätten sie in fast jeder beliebigen vorherigen Folge auftauchen können. Das Brexit-Thema wirkt oft nachträglich eingefügt oder den Hörererwartungen an die Verhaltensmuster der bekannten Figuren untergeordnet. Die Sorge der BBC-Oberen, möglichst unparteiisch zu erscheinen, dürfte manch schärferem Witz die Spitze geraubt haben. Insgesamt erweist sich die Ungeheuerlichkeit des ganzen Brexit-Vorgangs aber einfach als eine Nummer zu groß für ein Format, das, eingeschränkt durch die berechenbare Exzentrik und Stereotypie seiner Charaktere, letztlich selten wirklich beißende satirische Treffer setzte.

Little Brexit, abrufbar online unter BBC Sounds.

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SZ vom 02.11.2019/lala
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