Süddeutsche Zeitung

Lieblingsserie: Prison Break:Ausbrechen auf die krasse Tour

Lesezeit: 2 min

Ein paar Knastbrüder beim Ausbrechen zu zeigen, ist eigentlich ein alter Hut. Bei Prison Break ist aber genau das unglaublich fintenreich inszeniert.

Carsten Matthäus

US-Serien laufen im deutschen Fernsehen meist zu unmöglichen Zeiten, werden lange nach dem Start in den USA gesendet - oder sind überhaupt nur auf DVD oder im Pay-TV zu sehen. Dabei sind wir süchtig. sueddeutsche.de- Redakteure bekennen in loser Folge ihre heimlichen Leidenschaften - und merken auch Kritisches an.

"Na klar!", "Echt jetzt!", "Ach komm!" - solche und ähnliche Ausrufe hört man von Serienfans in der Regel dann, wenn es die Drehbuchschreiber übertrieben haben. Stundenlang arbeiten die Helden der Serie auf ein Ziel hin und - natürlich - passiert gerade dann wieder ein Unglück und alles ist wieder durcheinander, wenn die Folge zu Ende ist. Ratlose und entsetzte Gesichter, Fortsetzung folgt.

Die Mutter dieser "Ach komm!"-Serien ist wohl 24, in der ein Agent 24 Stunden lang durch alle möglichen Fegefeuer gejagt wird. Jede Sekunde der Ruhe an einem Ort ist mindestens von vier gleichzeitigen Katastrophen-Sekunden andernorts umgeben. Minutengenau nach jeder Stunde ist wieder alles durcheinander. Genau nach 24 Stunden aber hat der Agent dann die ganz große Weltkatastrophe abgewendet und darf austreten - na klar!

Prison Break wirkt auf den ersten Blick ähnlich konstruiert. Der Held der Serie will seinen Bruder vor der Todesstrafe bewahren, lässt sich mit einem halbherzigen Banküberfall ins gleiche Gefängnis einweisen und betreibt von da an den gemeinsamen Ausbruch.

The Company, natürlich!

Natürlich war er als Ingenieur zufällig selbst an der Konstruktion des Gefängnisses beteiligt. Natürlich merkt keiner, dass die Tätowierungen auf seiner Haut einen verschlüsselten Fluchtplan darstellen. Natürlich wird sein Bruder, wiewohl in der Todeszelle, auf gemeinsamen Arbeitsdienst mit Normalkriminellen geschickt. Zugleich ist dieser Bruder aber immer kurz vor der Exekution, weil er einen Mann, der natürlich der Bruder der US-Vizepräsidentin ist, umgebracht haben soll. Unnötig zu sagen, dass ein dunkles Netzwerk von Politikern, FBI-Agenten und Managern (Codename: The Company) hinter dem Ganzen steckt.

So bescheuert und konstruiert die Rahmenhandlung klingen mag, die Serie ist extrem sehenswert. Schauerlich-faszinierend wird der Alltag in einem amerikanischen Gefängnis dargestellt: Korrupte Wachen, verschlagene Mafiabosse, homosexuelle Psychopathen und arme Schlucker in einer Horrorwelt zusammengepfercht. Der nächste Angriff, die nächste Schlägerei ist immer nur eine falsche Geste entfernt. Alles wird getauscht: Golduhren gegen Pillen, gutes Essen gegen Verrat, Weiterleben gegen Sklavendienste.

Scofields nächster Schachzug

Das fesselt schon deshalb, weil die Serie in einem ausgedienten US-Gefängnis gedreht wurde und das Grauen damit eine realistische Kulisse bekommt, die abgründige Dramen geradezu fordert. Zudem werden alle tragenden Rollen so überzeugend krass gespielt, dass man ganz froh ist um die Gefängnismauern und Stacheldraht drumrum.

Besonders wird die Serie aber gerade wegen der Brechung dieser Hölle auf Erden. Hauptfigur Michael Scofield (gespielt von Wentworth Miller) ist nicht nur ein guter Mensch, der seinen Bruder vor großem Unrecht retten will. Er setzt, einem Schachspiel gleich, Intelligenz und gekonnte Improvisation, Manipulation und Intrige gegen die brutalen Mechanismen im Gefängnis. Meisterhaft und zielsicher spielt er auf dieser Klaviatur und schreckt nicht davor zurück, Vertrauen gezielt zu missbrauchen. So mischt sich in die ständig präsente Spannung ein Rätselraten, mit welchem Schachzug sich Scofield nun wieder aus einer scheinbar ausweglosen Situation befreien kann und wer dafür dann schlussendlich büßen muss.

Weil es wirklich alles andere als klar ist, ob der Ausbruch gelingt, ob Scofields Bruder Lincoln Burrows (gespielt von Dominic Purcell) seinem Todesurteil entgehen kann und wie es "draußen" weitergehen soll, ist Prison Break zumindest die 22 Folgen der ersten Staffel großes Kino. Gegen Ende der zweiten Staffel steigt der "Ach komm"-Faktor dann leider wieder deutlich an, die Handlung zerfasert. Deshalb hat der Autor dieses Textes die dritte Staffel noch im Regal und weiß noch nicht, ob er die vierte und letzte Staffel sehen möchte.

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