Lieblingsserie: Lie to me:Schick und schnöselig

Lightman erinnert an Dr. House. Der Mann kann sehen, ob man lügt - die US-Serie Lie to me startet jetzt im deutschen Fernsehen.

Hans Hoff

Wenn man vom Verkäufer am Imbissstand wissen will, ob er sich nach dem Toilettengang die Hände gewaschen hat, mit denen er gerade den Salat zwischen die Brothälften verteilt, ist man als Normalverbraucher darauf angewiesen, der Antwort zu glauben oder hungrig weiterzuziehen. Dr. Cal Lightman hat es besser. Er schaut hin, wie der Mann antwortet, und dann fragt er provozierend in die Runde der Wartenden, ob noch jemand Lust auf fäkalienverseuchtes Fleisch hat.

Lightman kann sehen, ob jemand lügt. Er liest es aus winzigen Zuckungen, aus der Stellung der Mundwinkel, aus der Hand, die sich den Nacken reibt. Deshalb ist Lightman eine ziemliche Nervensäge. Er sieht alles, bemerkt jede Regung und fühlt sich schon beleidigt, wenn sein Gegenüber nur denkt, er sei ein Idiot. Ein bisschen ist er wie Dr.House, der seine Patienten oft nur anzuschauen braucht, um sagen zu können, was ihnen fehlt.

An diesem Mittwoch startet die US-Serie Lie To Me bei Vox, und ihr Held Cal Lightman ist wie House ein arrogantes Ekelpaket. Er behandelt das Team seiner privaten Lightman Group gerne mal wie Dreck, macht aber all die sozialen Fehltritte durch seine im entscheidenden Moment präsentierte Genialität wett. So wie bei Dr. House selten jemand stirbt, gelingt auch bei Lie To Me meist die finale Rettung, es kommt fast immer die Wahrheit ans Licht.

Nur dass es bei House meist in der Klinik passiert, während Lightman sich regelmäßig aus dem überaus schicken Hauptquartier der Lightman Group in Washington D.C. an den aktuellen Ort der Lüge begibt. Dort forscht er etwa im Auftrag einer Partei nach, ob ein Abgeordneter wirklich regelmäßig Gast einer Prostituierten war, ob ein Soldat eine Kameradin vergewaltigt hat, ob ein Basketballspieler Schmiergeld kassiert hat oder ob die Gäste einer Washingtoner Botschaftsparty eventuell Böses im Schilde führen. Alles, was Leute eben so wissen wollen gegen Geld.

Analyse von Bill Clintons Mimik

Lie To Me wurde von Vox zuletzt heftig mit PR-Aktionen beworben. Zum Beispiel sorgte der Sender dafür, dass es plötzlich überall in den Programmen um Wahrheitssuche ging, nicht nur bei Vox. Auch beim Muttersender RTL musste in der vergangenen Woche Birgit Schrowange in ihrem Magazin Extra schon einen Experten präsentieren, der andere der Lüge überführt, was leidlich gelang.

Gewaltige PR

Ein paar Tage später schickte Vox eine Analyse der Mimik von Bill Clinton beim Lewinsky-Verhör herum, bei der minutiös vermerkt war, in welchem Augenblick man welche Geste und welche Regung des damaligen US-Präsidenten wie zu deuten hatte. Und dann wird gerne noch auf die Werke des Wissenschaftlers Paul Ekman verwiesen, der als Lügenexperte und Wahrheitsberater für FBI und CIA arbeitet - und eben für Lie To Me.

Lügner überführen

Das wirkt kurios, weil die ganze Wahrheitsfindung letztlich dabei hilft, dem Fernsehpublikum möglichst perfekt etwas vorzumachen. Es wird die Illusion erzeugt, man könne in Lie To Me etwas über die Wahrheit erfahren und der Lüge so den Garaus machen. Unterschwellig verspricht das dem Zuschauer eine Art Fortbildungsprogramm. So in der Art: Wir zeigen, wie Lügner überführt werden, und vielleicht können Sie das hinterher auch. Natürlich kann man es nicht, aber dafür könnte man durchaus auf die Idee kommen, sich einmal die Chefs der deutschen Sender im Interview mit Ekman oder Lightman vorzustellen, wie sie Strategien schönreden, Ahnungslosigkeiten vertuschen oder bei unbequemen Fragen einfach nur ausweichen, bevor danach der Experte all das zerpflückt, was gerade so dahin gelogen wurde.

Nach dieser gewaltigen PR wirkt die Serie selbst erst einmal recht mickrig. Lie To Me ist nicht das bessere Dr. House, auch wenn die Koordinaten, um die sich die Geschichten bewegen, nahe beieinander liegen und wie zufällig Dr. House ausgerechnet an diesem Dienstag mit neuen Folgen aus der Winterwiederholungsstarre erwacht.

Eine Spur zu glatt und zu schick

Leider erreicht die Serie nicht ganz die Tiefe, in die House regelmäßig vordringt. Stattdessen bleiben die Geschichten oft undurchsichtig, und der Zuschauer muss sich auf allerlei Behauptung verlassen, weil vieles konstruiert wirkt und sich wenig organisch entwickelt. Tim Roth legt seinen Lightman zudem eine Spur zu glatt, zu schick, zu schnöselig an. Da hilft es wenig, dass der durch die Zusammenarbeit mit Quentin Tarantino mehrfach gestählte Roth wie House-Darsteller Hugh Laurie auch Brite ist.

Zieht man indes den Überschwang der großen Reklame ab, bleiben leidlich unterhaltsame Episoden übrig, die zwischendrin durchaus auch mal hintergründigen Witz entfalten. Das ist nicht so viel wie die Lügen-Reklame vorgibt, aber immerhin noch mehr als bei den meisten anderen US-Serien im aktuellen Privatsenderangebot.

Lie To Me, Vox, mittwochs, 21.15 Uhr.

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