Lieblingsserie: Dr. House:Greg, der Grantler

Gregory House ist der beste Diagnostiker der TV-Welt. Er verachtet seine Patienten, tyrannisiert sein Team und treibt seinen Freund in den Wahnsinn. Warum wir ihn trotzdem lieben.

Lena Jakat

Vermutlich lieben wir Dr. Gregory House deswegen so, weil ihn der TV-Schirm zuverlässig in der Fernsehwelt und aus der Wirklichkeit heraus hält. Denn im wirklichen Leben hätte der TV-Diagnostiker etwas durchaus Hassenswertes an sich: Ein Arzt, der nur an das Bett seines Patienten kommt, um ihn aufs Übelste zu beleidigen, ein Arbeitgeber, der sein Team tyrannisiert und ein Freund, der das Wort "Freundschaft" auf seine ganz eigene Art und Weise definiert.

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Der Serienarzt Dr. Gregory House (links) ist ein Menschenfeind und Egozentriker. Niemand hat darunter so zu leiden wie dessen bester - und einziger - Freund James Wilson (rechts).

(Foto: RTL)

Als Serienprotagonist aber befriedigt House die innerlichsten Gelüste des dem schwarzen Humor zugetanen Fernsehzuschauers zutiefst: Politisch vollkommen unkorrekte Kommentare, feinster Sarkasmus und elegante Bösartigkeiten am laufenden Band. "Ich nehm meinen Kaffee schwarz - so wie meinen hirngeschädigten Neurologen", sagt der TV-Arzt schon mal zu seinem afroamerikanischen Mitarbeiter Dr. Foreman. Am meisten aber hat unter Houses Eskapaden dessen bester und einziger Freund zu leiden, der Onkologe James Wilson.

Vielleicht verzeiht man House das ständige Suchen nach dem nächsten Ansatzpunkt für Sticheleien auch deswegen, weil die Autoren der Serie dafür eine Rechtfertigung liefern: Durch einen Infarkt im rechten Oberschenkel verlor House einen beachtlichen Teil der Muskulatur. Seither leidet der Arzt unter starken Schmerzen, und muss neben einem Gehstock - wobei er immer darauf achtet, dass es sich dabei um ein stilvolles Modell handelt - auch auf starke Schmerzmittel zurückgreifen. Seine Tablettenabhängigkeit ist der folgen- und staffelübergreifende Rahmen der Serie - bis er sich am Ende der fünften Staffel in Therapie begibt und fortan sein Leben ohne Drogen erträgt.

Ein Brite in Hollywood

Niemand könnte die Hauptfigur der Serie glaubhafter verkörpern als der britische Schauspieler Hugh Laurie. In der Tradition von Monty Python verdiente er in den achtziger Jahren gemeinsam mit Stephen Fry sein Geld mit Sketchen bei der BBC. Laurie war zudem in der Reihe Blackadder zu sehen - und Ang Lees Jane-Austen-Verfilmung Sinn und Sinnlichkeit. Für seine Schauspielkunst verlieh ihm die Queen höchstselbst 2007 den Order of the British Empire.

Die Rahmenhandlung für Sprüche und Kommentare von Greg, dem Grantler bilden Differentialdiagnosen. In der Regel gibt es pro Folge einen Patienten mit mysteriösen Symptomen, die es aufzuklären gilt. In einem oft aufwendig produzierten Teaser - jener kurzen Sequenz vor dem Vorspann - wird der Patient eingeführt. Meist sind es kerngesunde Lehrerinnen, Fahrradboten oder evangelikale Prediger, die plötzlich zusammenbrechen - mit blutunterlaufenen Augen, gelähmten Gliedmaßen oder schrillen Halluzinationen.

Kult statt Krimi

Die folgende Episode verbringen House und seine Mitarbeiter damit, den rätselhaften Fall aufzuklären. Dabei erinnert der Diagnostiker beständig daran, dass es ihm allein um die Wissenschaft, um die Lösung ebendieses Rätsel gehe - und nicht etwa darum, das Leben eines Patienten zu retten. Die Macher um David Shore streuen aber zwischen die schroffe Rationalität des Medikus ab und an einen Fetzen Menschlichkeit ein, gerade genug, um einen kleinen, aber steten Zweifel an dieser Behauptung zu erhalten.

House' Team besteht im Kern aus drei Charakteren: Allison Cameron, die stets mitfühlende, jung verwitwete Immunologin, Robert Chase, Australier mit Chirurgenhänden und Eric Foreman, Afro-Amerikaner, jugendlicher Straftäter und hochqualifizierter Neurologe. Zwischenzeitlich erweitert House seine Entourage um einen jüdischen Schönheitschirurgen und eine bisexuelle, todkranke Internistin namens Thirteen - Dreizehn.

Seine Mitarbeiter beflügeln sich nicht nur untereinander zu allerlei Liebeleien, Allianzen und Kleinkriegen, sie bieten auch House ausreichend Reibefläche. Die benötigt der Diagnostiker für seine - nach oft langen Tagen voller Fehldiagnosen und meist kurz vor dem Ableben des Patienten - zuverlässig plötzlich eintretenden Geistesblitze. Mit der rettenden Diagnose nimmt die Folge in der Regel einen positiven Ausgang.

House und Holmes

Ein feines Händchen beweisen die Serienmacher bei der Musikauswahl. Die Songs, mit denen die Episoden ausklingen, passen oft so gut dorthin, als seien sie auf die Szene hin geschrieben worden. Zudem verhalfen sie dem Song Teardrop der britischen Trip-Hop-Band Massive Attack zu nie gekanntem Ruhm, indem sie ihn zur Titelmelodie der Serie machten.

In der Serie finden sich zahlreiche Anspielungen auf Arthur Conan Doyles Sherlock Holmes. Sowohl House als auch Holmes lösen Probleme, an denen andere scheitern, auf bisweilen unkonventionellen, kreativen Wegen. Beide beschäftigen sich nur mit Fällen, die ihnen interessant erscheinen, beide pochen auf ihre Einzigartigkeit und werden von einem einzigen treuen Freund begleitet: Die Figur des John Watson entspricht der des James Wilson. Mitunter verstecken die Macher der Serie weitere Parallelen zur historischen Vorlage, sei es in den Namen von Patienten oder in der Apartmentnummer - Holmes und House wohnen beide in Nummer 221b.

Aus dem ursprünglich als schnöder Medizin-Krimi geplanten Format ist inzwischen viel mehr, man möchte - ja, hier scheint das inflationär gebrauchte Wort tatsächlich angemessen - Kult geworden. House trägt den Dreitagebart noch souveräner als George Clooney. T-Shirts mit der Aufschrift "Jeder lügt" - eine wiederkehrende Erkenntnis des Diagnostikers - zu tragen, ist keine Huldigung an den Kommerz, sondern cool. Wir sparen für den klassischen Eamus Lounge Chair, wie er auch in House' Büro steht.

Der beste Beweis für den Kultstatus der Serie dürfte allerdings ihre Langlebigkeit sein: In den USA startet am 21. September bereits die siebte Staffel.

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