"Leute heute" im ZDF:Seit 20 Jahren nett zu Prominenten in schönen Kleidern

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"Nachlässiger Pferdeschwanz, viel Ohrschmuck. Na ja!". So bewertet "Leute heute" das Styling eines ihrer Protagonisten. Auf Zynismus aber verzichtet man beim ZDF.

(Foto: Francois Durand/Getty)

Die Boulevardsendung "Leute heute" reduziert Menschen gern mal auf ihr Äußeres - und hält sich seit nun schon zwei Jahrzehnten im öffentlich-rechtlichen Fernsehen.

Von Hans Hoff

Damals, im Paradies gab es kein Leute heute. Eva konnte sich noch bewegen, ohne von der Modepolizei des ZDF auf angemessene Kleidung überprüft und in die Kategorien "Aha!" oder "Na ja!" eingestuft zu werden. Dann kam die Sache mit der Schlange, die nach heutigen Erkenntnissen mit Sicherheit eine sogenannte Society-Expertin war. Der von ihr verabreichte Apfel hatte bekanntermaßen Folgen, und es ist davon auszugehen, dass am Ausgang des Paradieses ein Team von Leute heute stand und Evas Feigenblatt mit einem Modeurteil bedachte.

So muss es gewesen sein, und wenn es nicht so war, dann ist es doch zumindest eine Geschichte, die auch in eine Leute heute-Sendung passen würde, wo es werktäglich von 18.45 Uhr an um Nichtigkeiten geht, also um Berichte von den roten Teppichen der Welt, um die Ausweidung der Instagram- und Facebook-Accounts jener Stars, die zur ersten Glimmer-Garde gerechnet werden, Blaublüter inklusive. Höchst selten geht es um beinharte Fakten, vielmehr eröffnet das People-Magazin des Zweiten eine bunte Welt, in der Spekulationen den Takt angeben. Nichts Genaues weiß man nicht? Egal. An diesem Freitag ist es schon 20 Jahre her, dass Nina Ruge die Sendung einführte.

Immer wieder wird den Sendern ein Zuviel an Rotlicht, Blaulicht und Prominenz vorgeworfen

Nina Ruge ist längst weg, ihren Platz hat Karen Webb eingenommen, sie moderiert die meisten Ausgaben des Magazins, das der Sender so beschreibt: "Leute heute bietet unterhaltsame Information aus den Bereichen Entertainment, Society, Mode, Lifestyle und aus den Königshäusern. Immer nah dran, persönlich und emotional."

Das klingt aufschlussreich, und insbesondere der Begriff "unterhaltsame Information" lässt aufhorchen, da man es in Mainz offenbar für Information hält, wenn Menschen reduziert werden auf ihr Äußeres. Auf ZDF.de firmiert die Sendung in der Adressleiste gar unter Nachrichten. Das sollte man im Kopf haben, wenn die öffentlich-rechtlichen Sender demnächst wieder ihren hohen Infoanteil beschwören.

Gerne erzählen Intendanten von angeblich intelligenter Boulevardberichterstattung

Die Notwendigkeit von Boulevardjournalismus im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist seit jeher umstritten, immer wieder wird den Sendern in Programmstudien oder von Kritikern ein Zuviel an Rotlicht, Blaulicht und Prominenz zum Vorwurf gemacht. Die Reaktionen sind ähnlich habituell wie die Kritik: Gerne erzählen Intendanten dann von angeblich intelligenter Boulevardberichterstattung. Mit dem gleichen Verhalten wird auch reagiert, wenn man fragt, warum boulevardeske Verlagswerbeveranstaltungen wie Bambi oder die Goldene Kamera in ARD und ZDF übertragen werden müssen.

"Nachlässiger Pferdeschwanz, viel Ohrschmuck. Na ja!"

Es gibt diese Sendungen, weil es sie gibt, bei den Sendern sieht man sie als Teil der vom Gesetz verlangten Grundversorgung. Und nimmt gerne in Kauf, dass sie nicht so arg viel kosten, und man hier auch jene Zuschauer abgreifen kann, die am Kiosk nach den regenbogenbunten Blättern mit den knalligen Überschriften verlangen.

Bei RTL erledigen sie das mit Frauke Ludowigs Promi-Magazin Exclusiv recht konsequent. Sie weiden aus, was die Stars und die Promis und Werauchimmer an Schrillem zu bieten haben, und dann basteln sie sich ihre Geschichten drumherum, obwohl sie nicht immer verbergen können, dass ihnen ihr eigenes Tun in Wahrheit sehr nichtig erscheinen dürfte und sie deshalb immer mal wieder einen gehörigen Schuss Zynismus zwischen den Zeilen platzieren.

Leute heute, die ZDF-Version, ist gar nicht zynisch. Die Sendung hält ihr Karma-Konto sauber und präsentiert sich in ausgesprochener Liebenswürdigkeit. Karen Webb wirbt mit einem nahezu unschuldigen Lächeln um das Vertrauen der Zuschauer, und ihre Vertreter sind aus demselben Enkeltrick-Holz geschnitzt. Sie treffen mit dem Publikum die Vereinbarung, dass sie für 20 Minuten die Realität so weit aussperren, wie es eben geht: "Grafisches Paillettenkleid auch bei Schauspielerin Busy Philipps. Doch weder das Camouflage-Muster noch die blasse Farbpalette spricht uns an. Nachlässiger Pferdeschwanz, viel Ohrschmuck. Na ja!"

Wie harmlos sich Leute heute gerne gibt, zeigt auch ein Vergleich mit dem ARD-Pendant Brisant. Dort trennt man den Boulevard nicht immer so streng von der Gosse wie beim ZDF. Man wirft locker Blaulicht-Berichte und Rote-Teppich-Reporte zusammen, und die Moderatorinnen wechseln gerne von sturzbetroffen zu scheinbegeistert. Interessant allerdings, dass sie bei Brisant offenbar ein bisschen von öffentlich-rechtlicher Verantwortung im Konzept gelassen haben. Als es etwa kürzlich um die Trennung ging, die Schauspielerin Jane Fonda gerade hinter sich hatte, zeigte Brisant sie auch in ihrer Rolle als politische Aktivistin. Bei Leute heute begnügte man sich damit, die Kamera durch Fondas zum Verkauf stehendes Haus fahren zu lassen und diese Welt in milchigem Immobilienanzeigenlook zu präsentieren.

Auf diesen Kniff muss man erst einmal kommen: eine Kritik zu erdenken, um diese dann mit der eigenen Kraft abzuschmettern

So ist das öfter: Da besucht die englische Herzogin Kate ein Kinderhospiz, und bei Brisant hat man für die Arbeit dort ein wenig Würdigung übrig. Bei Leute heute geht es darum, ob Kate das grüne Kleid, das sie an diesem Tag trägt, tragen sollte. Es gebe da Menschen, die sagten Nein, behauptet die Sprecherin, um der Herzogin dann aber die Erlaubnis von Leute heute zu übermitteln. Sie darf das tragen. Auf diesen Kniff muss man erst einmal kommen: eine Kritik zu erdenken, um diese dann mit der eigenen Kraft abzuschmettern, was aber gut in das Geflecht passt, in dem ein System sich quasi selbst füttert. Es gibt Promi-Events, damit Promi-Magazine darüber berichten können - und umgekehrt.

Bleibt nur die Frage, wie die Leute heute-Reporterin das damals wohl fand, als Eva sehr knapp bekleidet aus dem Paradies kam. Vermutlich so. "Schlichter Schick mit Wow-Effekt. Aha!"

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