Letzter "Musikantenstadl" mit Andy Borg:Das Leben holt alle Verlierer ein

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Musikantenstadl in Pula/Kroatien

Ein letztes Mal groovt sich Andy Borg bei der Generalprobe der ARD-Sendung 'Musikantenstadl' ein.

(Foto: Bodo Schackow/dpa)

Im Abgang noch mal nachtreten? Das ist nicht die Art des geschassten Andy Borg. Bei seinem letzten "Stadl" lässt er lieber Lieder von Abschied und Schmerz singen. Und zeigt, wie feine Ironie geht.

Von Johanna Bruckner

Andy Borg wird im Abschied ein Meister der ironischen Spitze. Er steht im hellgrauen Dreireiher im Amphitheater von Pula und schwärmt von seinem ersten Open-Air-Stadl im 2000 Jahre alten Gemäuer - dann dieser Satz: "Wir alle gehören zum Weltkulturerbe." Und das an diesem Samstagabend, an dem der Österreicher in Kroatien seinen letzten Musikantenstadl moderiert. Er wurde geschasst, weil die verantwortliche Sendergemeinschaft aus ORF, BR und SF ein "Stadl 2.0" installieren will. Ohne den 54-Jährigen, der immerhin fünf Jahre jünger ist als der durchschnittliche ARD-Zuschauer.

Und ja, auch das entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Denn als Borg 2006 die Volksmusiksendung vom jüngst verstorbenen Karl Moik übernahm, galt er als Erneuerer: Er brachte den Schlager in den Stadl, als noch niemand den Erfolg einer jungen blonden Frau namens Helene Fischer absehen konnte, und ließ eine E-Mail-Adresse für Zuschauerzuschriften an die hölzerne Showkulisse nageln. Entsprechend bitter ist der Rauswurf wohl für Borg. Doch eine offene Abrechnung gab es bisher nicht vom Mann mit der 80er-Jahre-Föhnwelle, der sich gerne auch mal mit James Bond vergleicht. Wohl aber die erwähnten Spitzen, die die Senderverantwortlichen durchaus ärgern dürften. "Man kann mir den Musikantenstadl wegnehmen, aber nie mein Publikum", sagte er beispielsweise in der vorletzten Show. Kurz darauf wurde die Livesendung abgebrochen, eine Störung, lautete die offizielle Begründung.

"Ich hab' euch auch lieb"

So etwas ist natürlich eine Steilvorlage für Verschwörungstheoretiker - oder Fans. Die begrüßen Borg in Pula mit tosendem Applaus. "Sehr lieb, ich weiß, was ihr meint", sagt Borg und seufzt hörbar. "Ich hab' euch auch lieb." Das gibt einerseits das Motto des Abends vor: Abschiedsschmerz, mit a bisserl Sommer-Sonne-Partyspaß. "Mein Publikum hat mich immer umarmt", sagt Borg an einer Stelle, "diese Umarmung wird jetzt gelöst. Doch ich falle in die Arme meiner geliebten Frau, für die ich dieses Lied singe." Und dann singt er, und die Menschen im Amphitheater schunkeln und versuchen dabei, die Handykamera möglichst still zu halten. Einen verwackelten Erinnerungs-Borg will niemand.

Andererseits zeigt die Borg'sche Zuneigungsbekundung, warum der 54-Jährige so beliebt ist. Er ist ein Gentleman, Bond minus Understatement. Das Stilmittel des Wieners ist die Übertreibung, und die Superlative kommen von Herzen. Seinen ersten Gast kündigt er wie folgt an: "Die jungen Menschen finden ihn urgeil. Und wenn ich ehrlich bin: I au." Dann steht Andreas Gabalier auf der Bühne, in Trachtenlederhose und schwarzem Lederblouson, die Elvis-Tolle glänzt. Gabalier ist vermutlich das, was sich BR-Unterhaltungschefin Annette Siebenbürger unter "Stadl 2.0" vorstellt. Da braucht es schon eine gewisse Größe, um im Angesicht der jünglichen Konkurrenz nicht zum Wadlbeißer zu werden. Gabalier weiß sich zu revanchieren - sensible Vokabeln spart er aus: "Ich freu mich auch hier bei deiner ... deiner Show in Pula dabei zu sein."

Business as usual, das kann auch Borg. Nie vergisst er, auf das neue Album seines Musikgasts hinzuweisen. Und wenn es keines gibt, wie beim Duo Fantasy, dann wird eben der Blick in die Zukunft geworfen, da ist Borg schließlich nicht mehr da, um Werbung zu machen: "Im Herbst, glaube ich, kommt das neue Album?" Ja, der Andy ist ein feiner Kerl. Ganz unironisch. Als er die sichtlich nervöse Tänzerin einer kroatischen Folklore-Tanzgruppe interviewt, fordert er Applaus für seine Gesprächspartnerin ein: "Moment mal", sagt Borg, "wenn ich 'Guten Abend' sag', dann klatscht das Publikum!" Und schon klatscht das Publikum.

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