Letzter Talk mit Günther Jauch:Adieu, Dackelblick!

Günther Jauch - letzter Polittalk

Der letzte Auftritt als Talkshow-Gastgeber: Jauch (links) mit Schäuble.

(Foto: Paul Zinken/dpa)

In seine letzte Sendung hat Günther Jauch einen einzigen Gast geladen: Bundesfinanzminister Schäuble. An ihm beißt er sich die Zähne aus. Fünf Erkenntnisse zum Abschied.

Von Carolin Gasteiger

Am Ende war es nur noch Pflichterfüllung. Als Günther Jauch in seiner letzten ARD-Talkshow überraschend früh an die Tagesthemen übergeben will ("Da kommen wir jetzt nicht weiter.") und sich zuletzt mit Lausbuben-Grinsen von seinen Zuschauern verabschiedet, war ihm eines deutlich anzumerken: "Endlich ist es überstanden."

SZ Espresso Newsletter

Auch per Mail bestens informiert: Bestellen Sie hier unseren täglichen SZ-Espresso-Newsletter. Hier bestellen.

Fünf Gründe, warum Jauchs Abschied als Sonntagabend-Talker gerechtfertigt ist.

1. Jauch überlässt den Gästen das Feld.

Viele von Günther Jauchs Talksendungen verliefen so:

Selten konnte sich der Moderator, wenn es in der Runde lauter wurde, durchsetzen. Überhaupt schien Jauch oft scheinbar Unmögliches zuzulassen: Mal wurde die Bühne gestürmt, dann die Deutschlandfahne gehisst und dann erst das Varoufakis-Video!

Vielleicht lud Jauch deshalb nur einen Gesprächspartner ein - um bei seinem Abschied ein Tohuwabohu auf der Bühne zu vermeiden. Einer ist leichter zu händeln als vier. Aber dass ausgerechnet Wolfgang "Mister-Seriösität-in-Person" Schäuble dem Moderator die Butter vom Brot nimmt - man möchte fast sagen, das hat selbst Günther Jauch nicht verdient. Nicht nur, dass der Bundesfinanzminister sich mehrfach über Jauchs altbackene Fragen wundert ("Das ist doch schon längst vom Tisch."), er bringt sogar den ein oder anderen Gag.

Angesprochen auf seinen Lawinen-Flüchtlingsvergleich habe er zur Kanzlerin gesagt: "Es tut mir leid, ich habe bei Ihnen alle möglichen Vorstellungen, aber nicht die eines Skifahrers." Und als Jauch schließlich ob Schäubles Kritik an immer wiederkehrenden Fragen ins Stottern gerät, ermuntert ihn sein Gegenüber: "Nur Mut, nur Mut." Als hätte ihm die Regie heimlich ins Ohr geflüstert: "Schäuble, übernehmen Sie!"

2. Jauch holt weit aus. Sehr weit.

"Am Ende eines Krisenjahres" war Jauchs Abschiedssendung betitelt (ein Schelm, wer daraus auf den Moderator schließt). Aber darüber wollte Günther Jauch nicht nur mit dem Bundesfinanzminister sprechen, sondern auch mit "Deutschlands dienstältestem Abgeordnetem, beliebtestem und wortmächtigstem Minister - und für manche gar heimlichem Kanzler". Heieiei, da wird aber ordentlich gebauchpinselt.

Mit Schäuble einfach nur über die aktuelle Lage zu sprechen - oder eben über das Krisenjahr, wäre auf jeden Fall sendungsfüllend gewesen. Wo liegen die größten Herausforderungen in der Flüchtlingskrise und was sind die nächsten Schritte?

Stattdessen wird zusätzlich Schäubles persönliche Karriere thematisiert, sein Verhältnis zu Angela Merkel (vollkommen loyal, "isch doch klar"), sein Verhältnis zu Helmut Kohl (von Groll keine Spur) und sogar Schäubles verkorkste Kandidatur als Bundespräsident ("Ne, ach bei dieser Debatte - immer dieselben Themen", raunt der genervt). Jedes Thema wird mit den entsprechenden, sendezeitfüllenden Archiv-Einspielern flankiert, sodass vor lauter Rückblicken kaum noch klar ist, wer sich in der Sendung jetzt eigentlich verabschieden will. Jauch oder nicht doch Schäuble?

3. Mehr Show als Talk

Mit dem Nachhaken haperte es bei Jauch schon immer. Stets kratzte er auch bei brisanten Themen lieber an der Oberfläche als sich ins Detail zu verbeißen. Jauch ist eben eher Show als Talk, eher Unterhaltung als politische Analyse.

Auch bei Schäuble ist der Moderator über weite Strecken Statist, lässt den Minister ungebremst reden. Aber wenn dieser schon betont, dass Deutschland die Flüchtlingskrise in den Griff kriegen werde ("Wir werden das meistern."), hätte Jauch doch genauer fragen können, wie. Fehlanzeige. Dann lieber wieder umschwenken ins Private.

Ungleich gelöster - zumindest von seinen Karteikarten - agiert Jauch, als es um Schäubles Privatleben geht, vor allem um die Ehefrau ("Sie kann leider nicht widersprechen - das nutzen Sie aber auch aus", versucht er Schäuble zu piesacken).

Jauch wirkt über weite Strecken unambitioniert, als würde er sich insgeheim schon in die nächste Ausgabe "Wer wird Millionär?" sehnen. Vielleicht geht ihm das schon eine Weile so. Denn als Kanzlerin Merkels Auftritt auf dem CSU-Parteitag eingespielt wird und Jauch Schäuble nach seiner Meinung fragt, kontert dieser trocken: "Es war jedenfalls nicht sehr originell, diesen Beitrag für diese Sendung vorzubereiten. Den haben wir doch schon so oft gesehen."

Vorläufiges Fazit: Als Talker ist Günther Jauch durchgefallen. Aber die folgenden Punkte muss man ihm hoch anrechnen.

4. Mit seinem Abschied beendet Jauch die Talkshow-Flut.

Man muss das Aus von "Günther Jauch" ganz pragmatisch betrachten. Hatte dieser vor viereinhalb Jahren die Talkschiene im Ersten umfassend umgekrempelt, wird sie nun wieder gesundgeschrumpft: Nach Reinhold Beckmann geht Jauch. Nun laufen mit "Anne Will", "hart aber fair" und "Maischberger" nur noch drei Talkshows im Ersten. Damit sind der eifrig diskutierenden und schlussendlich doch nicht weiter erhellenden Diskussionsrunden immerhin eine weniger. Auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich besonders bei Großlagen Thema und Gäste wiederholen, schrumpft.

Besonders Anne Will dürfte sich freuen. Schließlich musste die Talk-Lady einst ihren angestammten Sonntags-Sendeplatz für den schwierigeren Mittwoch räumen und darf nun wieder zurückkommen. Seinen schuldbewussten Appell am Ende der Sendung hätte sich Jauch allerdings sparen können: Man möge Anne Will doch künftig ebenso viel Vertrauen wie ihm selbst entgegenbringen ("Sie hat es wirklich verdient"), sagte er und klang seltsam überheblich.

5. Er weiß, wann es genug ist.

Differenzen mit der ARD hin, private und berufliche Gründe her, immerhin steht fest: Anders als viele weiß Jauch, wann der richtige Zeitpunkt ist, zu gehen. Er möchte einfach nicht mehr. Da erweisen sich selbst die Avancen des Bundesfinanzministers wirkungslos: Als der über eine mögliche Bundestagswahl-Kandidatur bei der Bundestagswahl 2017 mit Jauch in zwei Jahren sprechen will, antwortet dieser: "Ich würde diese Sendung sicher nicht die nächsten zwei Jahre machen." Basta.

Lieber im richtigen Moment und erhobenen Hauptes abtreten. Vielleicht wirkt Jauchs Lächeln zum Abschied auch deshalb spitzbübischer und zufriedener als all die Sonntagabende zuvor.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: