Letzte "Tagesthemen" mit Tom Buhrow:Zum Abschied einen Fontane

Letzter Auftritt Tom Buhrow bei den ARD-'Tagesthemen'

Mit Blumen Richtung WDR-Intendanz: Tom Buhrow.

(Foto: dpa)

Tom Buhrow hat seine letzten "Tagesthemen" präsentiert, von 1. Juli an darf er sich offiziell WDR-Intendant nennen. Aus seiner Nachrichtensendung verabschiedet er sich mit einem überraschend weitschweifigen Monolog und den Worten eines großen Dichters.

Von Matthias Kohlmaier

Die Tagesthemen sollten einfach häufiger den Moderator wechseln. Dann würden sogar zum unangenehm späten Sendetermin um 23:25 Uhr noch mehr als 2,2 Millionen Menschen einschalten. So ganz ohne zu erwartenden - wenn nicht tränenreichen, so doch zumindest etwas schmalzigen - Abschied wäre von den 2,2 Millionen Zusehern sonst gewiss ein Gutteil spätestens nach dem Tatort ins Bett gegangen.

Aber nein, nicht an diesem Sonntag, dem 16. Juni 2013. Man wollte ja live dabei sein, wenn Tom Buhrow zum Ex-"Mr. Tagesthemen" wird. Das ARD-Publikum wurde folglich schon in der Tagesschau auf den letzten Einsatz des künftigen WDR-Intendanten eingestimmt. Sprecher Jan Hofer kündigte mit betretener Miene an, Buhrow werde später "ein letztes Mal von dieser Stelle mit seinen Tagesthemen" auf Sendung gehen.

Noch weiter ging später Günther Jauch am Ende seiner Sondersendung zugunsten der Flutopfer. "Im Namen von Millionen Zuschauern sage ich, dass wir Sie an diesem Platz vermissen werden. Ich wage aber auch die Prognose, dass Sie die Arbeit als moderierender Journalist an dieser Stelle auch noch schwer vermissen werden." Da ging bestimmt ein "hach" durch viele ARD-berieselte Wohnzimmer.

"Eine wunderbare Zukunft"

Und der Vielverabschiedete? Präsentierte seine letzte Show souverän wie eh und je, für die recht tristen Themen "Aufruhr in Istanbul", "Barriere im Deich" und "Streit in der SPD" kann man ihn kaum verantwortlich machen. Nachdem auch noch Wettermann Sven Plöger sich im Namen des ganzen Wetterteams für "eine schöne Zeit" bedankt und "eine wunderbare Zukunft" gewünscht hatte, war es endlich so weit. Buhrow hob an zu seiner ganz persönlichen Verabschiedung.

"Ich habe Sie sehr, sehr gerne informiert und ich hätte das gerne auch noch manche Jahre weiter getan, aber nun wartet eine andere Herausforderung", begann der 54-Jährige. Nach etwas Geschwurbel über Zukunft, Vergangenheit und Gegenwart kam dann der Moment, vor dem sich besonders bei Abschiedsreden viele Zuhörer fürchten. Der Moment, in dem der Redner meint, einen klugen Menschen zitieren zu müssen, der das alles sowieso schon mal viel schöner gesagt hat. In Buhrows Fall handelte es sich um die erste Strophe von Theodor Fontanes Gedicht "Trost":

Tröste dich, die Stunden eilen / Und was all dich drücken mag / Auch das Schlimmste kann nicht weilen / Und es kommt ein andrer Tag.

Wenn das mal kein Rosamunde-Pilcher-Moment war. Jedenfalls schloss Buhrow mit seinem bewährten "Morgen ist ein neuer Tag", die Kollegen stürmten mit Blumen vor die laufenden Kameras - und wer ganz genau hinsah, konnte auch ein bisschen Rührung im Gesicht des nun ehemaligen Nachrichtensprechers erkennen. Der darf jetzt zwei Wochen Urlaub machen, am 1. Juli tritt er die Stelle als WDR-Indendant an. Bis dahin haben sich die ARD-Granden vielleicht dazu durchgerungen, Ingo Zamperoni als offiziellen Nachfolger Buhrows auf den Schild zu heben. Eine Doppellösung mit Zamperoni und ARD-New-York-Korrespondent Thomas Roth wurde mittlerweile offiziell ausgeschlossen.

Eine Lehre kann das geneigte Publikum aber noch aus dem ganzen Abschieds-Pipapo ziehen. Wer la familia, also den Öffentlich-Rechtlichen, treu bleibt (Buhrow), der darf seinem Publikum vor den ARD-Kameras Adieu sagen. Wer zu einem privaten Konkurrenten wie Sat 1 wechselt (Ex-Tagesschau-Sprecher Marc Bator), dem wird jegliche Abschiedsrede untersagt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: