Süddeutsche Zeitung

Lauschangriff des "Guardian":Aber wir sind die Guten

Sie deckten den britischen Abhörskandal auf. Doch auch ein Journalist vom "Guardian" hat Mailboxnachrichten abgehört. Wie der "Guardian" den Lauschangriff rechtfertigte.

Nicolas Richter

Als die Abhöraffäre 2006 erstmals die Krawallzeitung News of the World heimgesucht hatte, veröffentlichte der seriöse Guardian ein Geständnis. Sein Investigativreporter David Leigh bekannte, "fragwürdige Methoden" benutzt zu haben.

Auch er habe einmal die Mobilbox eines fremden Handys abgehört, sie gehörte einem mutmaßlich korrupten Rüstungsmanager. Der habe den Zugangscode irgendwo leichtfertig notiert.

"Investigativer Journalismus ist keine Dinner-Party", schrieb Leigh in der Beichte, die jetzt wieder entdeckt wurde, "vor allem in einem verschwiegenen Land, wo der Schutz der Privatsphäre den Reichen und Mächtigen dient".

Natürlich gebe es einen voyeuristischen Reiz, Telefone abzuhören, bekannte er, aber er wies auf den Unterschied zwischen seinen Recherchen und denen eines damals verurteilten Reporters der News of the World hin: Dieser habe sich bloß für belangloses Geplauder der Royals interessiert. Er hingegen sei Korruption auf der Spur gewesen, auch habe er sich einmal als ein anderer ausgegeben, um einen Verdächtigen zu überführen.

Täuschung und Lüge seien für Journalisten erlaubt, als letztes Mittel, wenn es ein öffentliches Interesse an der Aufklärung von Missständen gebe, erklärte Leigh: "Es ist schwer, immer auf der richtigen Seite des Gesetzes zu stehen."

Drei Jahre später kritisierte der Wikileaks-Erfinder Julian Assange, ein Fundamentalist der Transparenz, äußerst scharf den Guardian, weil dieser neue Schnüffeleien der News of the World nachgewiesen hatte. Assange warf dem Guardian 2009 "moralischen Opportunismus" vor. Eine Demokratie brauche informierte Bürger. "Der Skandal ist nicht, dass News of the World Privatdetektive einsetzt, um auszugraben, was die Öffentlichkeit wissen will - sondern, dass nicht mehr Zeitungen das getan haben."

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Quelle:
SZ vom 12.08.2011/caja
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