Landtagswahl im TV:"Sie haben wirklich Typen hier"

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Tagsüber an der Wahlurne, abends vor dem Fernseher: Wer die Landtagswahl am Sonntagabend am Bildschirm verfolgte, erlebte neben den aktuellen Hochrechnungen ambitionierte Moderatoren, von denen es einer übertrieb. Ein Protokoll des Abends.

Von Carolin Gasteiger

Die Landtagswahl spielt sich am Sonntagabend vor allem im Bayerischen Fernsehen ab. Von 15 Uhr an läuft die Sendung "Wahl" im Netz, ab 17 Uhr geht's im Fernsehen los. Dann schalten sich auch ARD und ZDF ins Geschehen ein. Neben all den Hochrechnungen, Informationen und Interviews erleben die Zuschauer an diesem Abend auch skurrile Momente.

17 Uhr: Im Bayerischen Fernsehen geht es noch gemütlich zu. Elmar Wepper und Alfons Schuhbeck garnieren Kalbsnieren auf Orangen-Senf-Sauce. Zur Wahl kein Wort - ist wahrscheinlich eine Aufzeichnung. Im Netz ist der Münchner Sender schon aktiv: Social-Media-Mann Richard Gutjahr ist seit zwei Stunden bereits live auf Sendung, interviewt zwei Erstwähler, kommentiert Twittereinträge zum Thema - und wirkt dabei authentisch und engagiert.

17:30 Uhr: Nun geht's auch im Fernsehen los: Im Ersten bereiten Sigmund Gottlieb und Jörg Schönenborn die Zuschauer auf die Wahlergebnisse im Freistaat vor. Ein Duo, das beim TV-Dreikampf zwischen Brüderle, Trittin und Gysi zuletzt heillos unterging. Amüsant ist immerhin die Begrüßung. Gottlieb: "Herr Schönenborn, willkommen im Freistaat." Schönenborn: "Danke, dass ich einreisen durfte." Dann macht sich der WDR-Chefredakteur am interaktiven Touchscreen zu schaffen, präsentiert dort Umfrage-Ergebnisse und Prognosen. Gottlieb hält sich zurück und moderiert eifrig kurze Einspielfilmchen der Spitzenkandidaten an. Schönenborns Kommentar: "Sie haben wirklich Typen hier."

Kurz vor 18 Uhr: ARD-Haupstadtchef Ulrich Deppendorf kommentiert kurz aus der späteren Kulisse seiner Sendung, dann geht's weiter zu den Parteien im Landtag. Gottlieb ist schon aufgeregt: "Ich verspreche ein deftiges Ergebnis", kommentiert er. Und wirkt da schon ein wenig forsch.

18 Uhr: Schönenborn präsentiert die Ergebnisse. Die CSU also mit absoluter Mehrheit. Das meinte Gottlieb wohl mit deftig. In der kleinen Gesprächsrunde kommt Grünen-Chefin Claudia Roth nicht zu Wort, Gottlieb moderiert resolut. Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch von der FDP fragt er: "Wurden Sie von der CSU erdrückt?" Heubisch reagiert leicht irritiert. Auch Schönenborn kommentiert frech, als SPD-Kandidat Christian Ude betont, es gehe mit der Partei aufwärts. "Ja, da hat er recht. Aber in Maßen", so Schönenborn. Dann noch mal Gottlieb: Der BR-Mann unterbricht Sigmar Gabriel, der gerade das bayerische Wahlergebnis kommentiert, um ein Porträt vom alten und neuen Ministerpräsidenten Horst Seehofer zu zeigen. So gewinnt Gottlieb keine neuen Fans.

18:50 Uhr: Im Ersten läuft jetzt die Lindenstraße. Ernsthaft.

Also weiter ins Bayerische Fernsehen: Hier moderieren Ursula Heller und Mike Lingenfelser eine Runde, in der Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger gerade noch "Wir kämpfen weiter. Für uns hat sich nicht viel verändert" sagt. Auch die beiden großen Kontrahenten des Abends sind anwesend. Seehofer gibt sich bürgernah: Er habe mit der bayerischen Bevölkerung eine Koalition. Ude sagt, die SPD habe die Trendwende geschafft, und zwar - ein kleiner Seitenhieb - entgegen mancher Medienberichte. Hier sind sich Ude und Seehofer einig: viele Äußerungen würden von den Medien zu sehr dramatisiert. Auf Peer Steinbrücks Stinkefinger im SZ-Magazin angesprochen sagt Seehofer, man solle sich mehr Respekt zollen. Alles ungewohnt harmonisch hier. Als Aiwanger seine Taktik verteidigt, sich auf keinen Koalitionspartner festlegen zu wollen - schnell zurück ins Erste schalten.

19:30 Uhr: In Ulrich Deppendorfs Berliner Runde treffen sich die Generalsekretäre der im Bundestag vertretenen Parteien, CSU-Mann Alexander Dobrindt ist aus München zugeschaltet. Weg von Bayern, hin zur Bundestagswahl lautet hier das Motto. Und prompt hauen sich Patrick Döring (FDP), Hermann Gröhe (CDU), Andrea Nahles (SPD), Matthias Höhn (Die Linke) und Steffi Lemke von den Grünen die bekannten Wahlkampffloskeln um die Ohren. Große Koalition ja oder nein, Steuererhöhungen oder -senkungen und meinen die Grünen es mit dem Veggie-Day ernst? Immerhin moderiert Deppendorf die Runde im ARD-Hauptstadtstudio souveräner als sein bayerischer Kollege Gottlieb - und er lässt seine Gäste ausreden.

20 Uhr: Die "Tagesschau" fasst die Landtagswahl zusammen. Wieder kommt Gottlieb mit Seehofer, Ude, Aiwanger und der Spitzenkandidatin der Grünen, Margarete Bause. Auch hier lässt er seine Interviewpartner nicht ausreden. Zurück ins Bayerische Fernsehen.

ab 20:15 Uhr: Immer noch Interviews am Tresen, aber nun mit Kirsten Girschick und Matthias Keller-May und ihren Gästen: darunter der bayerische SPD-Landeschef Florian Pronold, CSU-Generalsekretär Dobrindt und Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). Alles Wichtige wurde an diesem Abend schon gesagt, der Erkenntnisgewinn nur noch marginal. Immerhin bringen die von Netz-Moderator Gutjahr vorgestellten Tweets etwas Stimmung in die Runde. Etwa dieser:

21:45 Uhr: Im Ersten ist der Wiener Tatort fast aufgeklärt, das ZDF trieft noch vom schmalzigen "Herzkino"-Spielfilm und im Bayerischen Fernsehen läuft mittlerweile Fußball. Allein Richard Gutjahr ist im Netz noch auf Sendung, nach inzwischen immerhin knapp sieben Stunden und mit Studiogast: Kabarettist Helmut Schleich. Mit dem spricht er über die Wahlbeteiligung und holt sich zwischendurch ein Bier. Irgendwie nett. Und wenn der Berliner BR-Reporter Stephan Mayer eigentlich die Stimmung in der Hauptstadt meint, so trifft seine Äußerung auch auf das Fernsehen an diesem Wahlabend zu: "Der Abend war bei weitem nicht so launig wie diese Sendung, die wir gerade machen."

* Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, Ursula Heller und Stefan Scheider führten die Tresengespräche im BR. Stefan Scheider moderierte zwar, allerdings nicht die Interviews mit den Vertretern der Parteien.

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