Österreichischer Kanzler Sebastian Kurz bei "Maischberger":"Zarteste Versuchung, seit es Populismus gibt"

Kurz Maischberger ARD

Sebastian Kurz zu Gast bei Sandra Maischberger.

(Foto: WDR/Melanie Grande)

Der österreichische Kanzler Sebastian Kurz lässt bei "Maischberger" seinen Charme spielen - und lächelt den Rechtsruck in seinem Land einfach weg.

TV-Kritik von Leila Al-Serori

Kein böses Wort. Nicht zu Angela Merkel, nicht zur FPÖ, nicht zu Donald Trump. Der österreichische Kanzler Sebastian Kurz ist zu Gast in der ARD-Sendung Maischberger und stellt einmal mehr sein großes Können unter Beweis: Fragen möglichst unkonkret zu beantworten.

Kurz hat Talkshow-Erfahrung. Schon als Außenminister tingelte er durch das deutsche Fernsehen und griff Merkels Flüchtlingspolitik an. Nun ist er mit 31 Jahren der jüngste Regierungschef Europas und ganz oben angekommen. Böse Worte? Hat er nicht mehr nötig. Auch wenn Maischberger den ÖVP-Politiker gleich zu Beginn als die "zarteste Versuchung, seit es Populismus gibt" präsentiert.

Negative Stimmung gegen seine Person ist der österreichische Kanzler genauso gewöhnt wie übertriebene Heilsbringer-Vergleiche. Zuerst waren da die Vorbehalte aufgrund seines Alters. Kurz habe zu schnell Karriere gemacht, hieß es. Im vergangenen Jahr dann wurde er für seinen Wahlkampf kritisiert, der immer mehr nach rechts abdriftete. Mittlerweile muss sich Kurz für seinen Regierungspartner rechtfertigen: die rechtspopulistische FPÖ.

Heiratspläne, abgebrochenes Studium, Auto-Vorlieben

An diesem Abend aber wird im Fernsehstudio vor leuchtend rotem Hintergrund vorrangig gelächelt. Zumindest in den ersten 30 Minuten. Da darf der junge Österreicher im engen Maßanzug über Heiratspläne sowie sein abgebrochenes Studium plaudern und Fragen zu persönlichen Vorlieben beantworten. Cocktails oder Cannabis? Cocktails. Tesla oder Porsche? Weder noch, er hat schließlich ein Dienstauto.

Es folgen ein paar Minuten Gegrinse und weitere Plattitüden. Dann endet der Eiertanz. Maischberger stellt nun endlich die Fragen, die man hören möchte. Aber Kurz sagt auch dann kaum Sätze, die als Antworten durchgehen können.

Ist er nun liberal? Rechts? Konservativ? Ein Opportunist? Schließlich warb er als Staatssekretär für mehr Integration, als Kanzler hingegen wettert er gegen "illegale Migration".

"Ich habe ein klares Wertefundament", sagt Kurz. Und wie lässt sich das mit seinem Koalitionspartner vereinbaren, der FPÖ? "Wir haben schnell gewusst, wo die Reise hingehen soll." Und das ist klar nach rechts. Die Flüchtlings- und Migrationspolitik wird nun verschärft, Leistungen für Arbeitslose gekürzt. Man solle die Regierung doch an ihren Taten messen, appelliert Kurz. Ähnliches sagte er bereits am Freitag in Paris beim französischen Präsidenten Emmanuel Macron, ebenso am Mittwochmittag beim Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel.

"Jede Partei hat eine Vergangenheit"

Die Sorge bei den europäischen Partnern ist groß, bei jeder Gelegenheit muss Kurz beschwichtigen. Bleibt Österreich ein verlässlicher Partner in der EU? Oder stellt sich das Land in eine Reihe mit den EU-kritischen Visegrád-Staaten wie Ungarn oder Polen? Das Regierungsprogramm sei klar proeuropäisch, lächelt Kurz die Vorbehalte weg. Und der Rechtsruck? Er werde reagieren, wenn es Verstöße der FPÖ gebe. Bis dahin wolle er die Hand ausstrecken. Die FPÖler seien nicht die "Erben des Nationalsozialismus", sonst wäre er "keine Regierung eingegangen".

Maischberger arbeitet sich an einer längeren Liste mit klaren verbalen "Verfehlungen" der FPÖ ab: rechtsextreme, islamfeindliche Aussagen verschiedener Politiker der Partei. Kurz entgegnet nur: "Jede Partei hat eine Vergangenheit, bei der FPÖ ist sie teilweise problematisch." Mit der rechtsextremen Vergangenheit seines Vizekanzlers Heinz-Christian Strache konfrontiert, kontert Kurz defensiv, dass man "Jugendsünden als solche sehen sollte".

In den ersten Wochen des neuen Jahres haben FPÖ-Regierungsmitglieder bereits über eine Ausgangssperre für Flüchtlinge schwadroniert und wollten diese in Lagern "konzentrieren". Kurz hat sich dazu nicht geäußert - zumindest nicht öffentlich. Natürlich habe auch er eine "rote Linie", sagt er nun, aber die gehe in beide Richtungen, nicht nur nach rechts, sondern auch nach links. Schließlich würden manche "gegen Reiche hetzen".

Kurz: FPÖ nicht dasselbe wie AfD

Zum Abschluss gesellt sich der Grüne Jürgen Trittin ins Studio. "In Deutschland gibt es einen Konsens, mit den Rechtspopulisten nicht zu koalieren. Das ist der Unterschied zu Österreich", sagt er. "Das gute Recht der Union" sei es, nicht mit der AfD zu koalieren, stellt Kurz klar. Die FPÖ sei aber nicht dasselbe wie die AfD. Schließlich hätten die österreichischen Rechtspopulisten bereits Regierungserfahrung.

Dass aus dieser Zeit mehrere Gerichtsverfahren das Land bis heute beschäftigen, lässt der Kanzler tunlichst aus. Die FPÖ in einer Regierung zu zähmen, sei der Plan, kritisiert Grünen-Politiker Trittin, tatsächlich würde sie erstarken. Der Auftritt Straches beim Tiroler Wahlkampf-Auftakt mit Trommlern, der viel mediale Aufmerksamkeit bekam, erinnere ihn an die SS. "Ich schaue nicht auf die Inszenierung, sondern auf den Inhalt", kommentiert Kurz. Und überhaupt: Die Trommler hätten schließlich schon für die Kommunisten gespielt.

Kein böses Wort von Sebastian Kurz. Auch nicht nach 60 Minuten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: