Künstleraktion:Zeichen an der Wand

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"Homeland ist keine Serie", steht links. Angelehnt an einen Slogan, der bei den Protesten in Ägypten beliebt war: "Tahrir (Freiheit) ist kein Platz". (Foto: Showtime)

In Berlin wird als Kulisse für die US-Serie Homeland ein Flüchtlingslager nachgebaut. Drei Sprayer werden beauftragt, die Wände mit arabischen Graffiti zu verzieren - und schmuggeln Kritik an der Produktion in ihre gesprühten Botschaften.

Von Ronen Steinke

Die jüngste Folge der US-Serie Homeland führt ins Flüchtlingselend. Nervös zwängt sich die Hauptdarstellerin durch ein fiktives Lager für Syrer in Libanon. Schwer bewaffnete Blauhelme. An den Mauern Graffiti. Die Schrift ist arabisch. Ein paar Mal rückt sie groß ins Bild: " Homeland ist rassistisch", diese Worte haben Sprayer ins Filmset geschmuggelt - und damit eine der derzeit erfolgreichsten TV-Produktionen der Welt unterwandert, die das Bild vom Anti-Terrorkampf, aber auch von der muslimischen Welt popkulturell prägt. " Homeland strotzt vor Stereotypen", sagt einer der drei Graffitikünstler, die hinter der Aktion stecken, Künstlername Stone. Gebürtiger Münchner, 46 Jahre alt. Sein wahrer Name, den er nicht in der Zeitung lesen will, könnte deutscher nicht sein, seine beiden Mitstreiter Heba Amin und Caram Kapp sind eine Ägypterin und ein Araber aus Berlin. Am Telefon kritisiert "Stone", der ein Standardwerk über arabische Graffiti verfasst hat, sachliche Fehler: Die Homeland-Staffeln zwei und drei etwa handelten von einer Zusammenarbeit al-Qaidas mit dem iranischen Regime, ganz gleich, dass die Ultra-Sunniten und Ultra-Schiiten in Wahrheit Erzfeinde sind.

Die TV-Produzenten hätten Stone im Juni angefragt, ob er ihr Flüchtlingslager - nachgebaut in einer ehemaligen Futterphosphatfabrik bei Berlin - authentischer aussehen lassen könnte. Zur Inspiration legten sie Fotos von Pro-Assad-Graffiti vor. Ausgerechnet. Wer je ein echtes Flüchtlingslager in Nahost besucht hat, wundert sich in Homeland über die schwer bewaffneten Blauhelme. Gerade in Libanon, wo die Szene spielt, gibt es solche UN-Lager zudem gar nicht, die Regierung sperrt sich seit Jahren dagegen. An die Wand gesprüht haben die Künstler auch: "Homeland ist eine Wassermelone". Das steht im Arabischen für eine Sache, die nicht ernst zu nehmen und ein bisschen lächerlich ist.

Ähnliche Kritik gab es an Homeland schon öfter. In Libanon gibt es keine berühmtere Party-Straße als die Hamra Street; Modegeschäfte, Kneipen, Starbucks. In der Serie taucht sie auch einmal auf (in Staffel zwei, Episode drei), allerdings als Staubpiste, über die Milizen-Jeeps mit aufgepflanzten MGs brettern. Gedreht wurde in Israel.

© SZ vom 16.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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