Küchenkonzerte bei ZDF Kultur:Viele Köche rocken den Brei

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Für Zuschauer, die erwarten, dass Fernsehen seriös oder schamlos ist, werden die "Konspirativen Küchenkonzerte" eine Zumutung sein. Doch der Erfolg gibt Moderator Marco Antonio Reyes Loredo recht: Er zieht nun vom Offenen Kanal zu ZDF Kultur um.

Till Briegleb

Wenn man dem Koch Marco Antonio Reyes Loredo so zuhört, könnte man den Eindruck gewinnen, seine Show sei eines dieser privaten Ekelformate. Nach der vierten Folge der neuen Staffel seiner Konspirativen Küchenkonzerte rannte ein Tontechniker vor die Tür, um sich zu übergeben. In der Sendung davor floh eine Besucherin nach einer Platzangst-Attacke. Und der Pressesprecherin der Produktion ging es anschließend auch nicht so gut.

Reyes Loredo inszeniert in seinem kleinen Loft in Hamburg Wilhelmsburg ein Experiment unbekümmerter Herzlichkeit. (Foto: Claudia Höhne)

Schuld daran waren im ersten Fall 200.000 Fliegen, die während dieser alternativen Kochshow in Reyes Loredos Wohnung Gäste und Zuschauer quälten, im anderen Fall dichter Nebel, der die Orientierung unmöglich machte.

Tatsächlich inszeniert Reyes Loredo in seinem kleinen Loft in Hamburg Wilhelmsburg aber nur ein Experiment unbekümmerter Herzlichkeit. Er lädt sich Musiker auf eine winzige Bühne neben den Herd und Künstler für die Dekoration, kocht für das Publikum, was seine Gäste sich gewünscht haben, und plaudert mit diesen beim Bügelbrett-Tischtennis oder im Lastenaufzug im Stil von Versuch und Irrtum.

Nicht jede Frage findet eine Antwort, nicht jede Antwort ist interessant, aber der Umgang ist in einem Maße ungezwungen, normal und dilettantisch, dass dieses Home-Show-Format völlig untauglich für das richtige Fernsehen scheint - und genau darum wachsenden Erfolg hat.

Nach zwei Jahren Verbreitung über 20 Offene Kanäle wird das schräge Kunst-Format ab sofort vom Kulturkanal des ZDF ausgestrahlt. Wobei das Wort "Format" für den freundlichen Mann mit der klaren Aussprache und den markanten Augenbrauen wohl das Schlimmste ist, was man über seine Bemühungen sagen kann.

Eine befreiende Zumutung

Denn Reyes Loredo hasst das deutsche Format-Fernsehen und will erklärtermaßen nur eins: "Kunst und Musik wieder einen Platz auf der Mattscheibe erkämpfen". Da ist es sicherlich ganz hilfreich, dass seine Show zunächst nur im Liebhaberwinkel des Mainzer Senders ausgestrahlt wird. Denn für Zuschauer, die erwarten, dass Fernsehen seriös oder schamlos ist, werden die Konspirativen Küchenkonzerte eine Zumutung sein - wenn auch vielleicht eine befreiende.

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Hier gibt es weder Stand-Cameras noch digitalen Hintergrundzauber, keine abgesprochenen Interviews oder Pannenhilfen. Dafür dreht sich eine Kamera an einem Diskokugel-Motor, eine andere klebt am Kochlöffel, und die vier Handfilmer, die für die spezielle Wackelästhetik der Sendung zuständig sind, rennen zwischen den engen Bierbänken herum, auf denen die Zuschauer gemeinsam mit den Akteuren im Schweiß glänzen - denn in dem kleinen Raum ist es immer heiß.

Eine alternative Kochshow kommt zum Kulturkanal des ZDF. Dort gibt es Fliegen und Fitness-Shakes. So etwas klassisches wie die Frankfurter Grüne Soße bleibt vermutlich außen vor. (Foto: ddp)

Dass hier die Zutat von 200 000 Fliegen, die der Künstler Baldur Burwitz als Studio-Deko für die Sängerin Johanna Zeul mitgebracht hat, die Menschen strapaziert, kann also nicht überraschen. Aber Reyes Loredo nimmt die Wünsche seiner Künstler ernst, sogar jene, die den Chef-Koch selbst größte Überwindung kosten.

"Künstler sind so sozialisiert, dass sie im Fernsehen nur verarscht werden", sagt Reyes Loredo in seinem schnörkellosen Duktus. Sei es durch Schubladen-Erklärungen in den sogenannten Kultursendungen oder als Objekte hämischen Unverständnisses: Die Eigenheit guter Kunst wird stets verschnitten zu Pop oder Skandal.

Aber bei den Küchenkonzerten dürfen die Künstler einfach machen. Tobias Rehberger, der erste Kunstweltstar, der den Weg in den Industriehof auf der Elbinsel fand, verkleidete den Raum komplett mit weißer Pappe und bunten Klebebändern als "schwäbische Favela" (was perfekt zu den ironischen Schlagern von Andreas Dorau passte). Das Ensemble Resonanz (denn es gibt in dieser Küche auch Klassik) musste in dem Trockeneisnebel der jungen Hamburger Künstler Stefan Vogel und Simon Hehemann nach den richtigen Tönen von Bach und Xenakis suchen.

Und Christoph Faulhaber verkleidete die Wände mit den Covern von Bodybuilder-Magazinen und nahm Reyes Loredo auch gleich den Koch-Job weg. In den Cocktails, die Faulhaber während der Aufzeichnung für alle mixte, waren die gängigen Nahrungsmittelzusätze, mit denen Powerlifter, Catcher und Kraft-Poser für die rechte Muskelmasse sorgen. Dazu sang die Band Kreisky ihren bösen Hit "Scheisse, Schauspieler!".

Dass die Regisseurin seit letztem Jahr Geli Fuchs heißt, die ansonsten Beckmann fährt, und dass mit dem Einstieg des ZDF sich das Umfeld professionalisiert, ändert am Sendungsbewusstsein und dem queren Charme der Küchenkonzerte herzlich wenig. Die neuen Folgen sind mindestens so anpassungsfremd wie die früheren, als noch umsonst gearbeitet wurde. Nur neuerdings bezahlt und beworben schlägt man jetzt zwei Fliegen mit einer Klappe. Mahlzeit.

Konspirative Küchenkonzerte, ZDF kultur, freitags, 22 Uhr.

© SZ vom 26.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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