Kriegsfilm "Laconia" in der ARD:Vom hilfreichen Feind

Stoff für eine große Tragödie: Erst versenken die Deutschen ein britisches Schiff, dann retten sie die Überlebenden. Das englisch-deutsche Weltkriegs-Drama "Laconia" soll eine Art Euro-Versöhnungwerk sein - und scheitert am Kleingeist.

Willi Winkler

Erst im August scheiterte Don Crossley mit seinem Protest gegen die Stadtver-waltung von South Kirkby in Yorkshire, die eine Umgehungsstraße nach der deutschen Partnerstadt Sprockhövel benennen will. Der 88-jährige Crossley ist Kriegsveteran und hat sich seine Orden verdient, weil er seinerzeit als Funker dabei war, als die Royal Air Force das Ruhrgebiet und womöglich auch Sprockhövel bombardierte. "Wir haben nicht in unseren Lancasters gekämpft und den Krieg gewonnen, um dann in Yorkshire eine Straße nach einer deutschen Stadt zu benennen."

ARD-Doppelteiler ´Laconia"

Hilda (Franka Potente) und Thomas Mortimer (Andrew Buchan) an Bord der Laconia - sie versucht aus dem Dritten Reich zu fliehen, er ist der gute Offizier.

(Foto: dpa)

Der Zweite Weltkrieg ist lang vorbei, doch ganz will die Vergangenheit nicht vergehen. Ein rostiger Brocken Metall taucht auf, ein U-Boot, eine Hand näht mit groben Stichen einen Sack zu, in dem ein Gesicht verschwindet, eine Fahne mit Hakenkreuz in der Mitte wird drübergezogen, und die Besatzung singt dem Toten zum Geleit ein strammes "Ich hatt' einen Kameraden". Als letzter salutiert der Kapitän, über dem Toten, über dem Hakenkreuz. Der tote Kamerad versinkt im Meer, der U-Bootkrieg geht weiter. Laconia beginnt, ein Kriegsfilm, der aber keiner mehr sein will.

Es ist der Spätsommer 1942. Die Hitler-Armeen haben fast ganz Kontinentaleuropa besetzt. London wird bombardiert, und in Nordafrika führen die Deutschen zusammen mit den Italienern Krieg gegen die Engländer. In Suez läuft der britische Truppentransporter RMS Laconia aus, der fast 1800 italienische Kriegsgefangene mitführt, um sie nach England zu bringen. Die Reise geht erst nach Süden, um das Kap der Guten Hoffnung. Die Fahrt verläuft ruhig, bis das Schiff vor der westafrikanischen Küste von einem deutschen U-Boot torpediert und versenkt wird.

Die meisten Kriegsgefangenen ertrinken gleich, doch dann entschließt sich der U-Boot-Kapitän Werner Hartenstein, möglichst viele Überlebende zu retten. Ein Teil darf mit ins U-Boot, einige hundert weitere Schiffbrüchige versammeln sich in Rettungsbooten um die deutschen Seeleute, den plötzlich hilfsbereiten Feind. Obwohl der Kapitän Notsignale aussenden lässt, werden die Überlebenden von einem amerikanischen Flugzeug bombardiert. Ein Teil der Laconia-Passagiere kommt dennoch mit dem Leben davon.

Diese wahre Geschichte ist nicht nur in Deutschland fast völlig unbekannt, es kennt sie, wie der britische Botschafter Simon McDonald versichert, auch im Vereinigten Königreich fast niemand. Dabei bietet sie den Stoff zu einer großen Tragödie, der in der deutsch-britischen Ko-Produktion Laconia allerdings mit der Aufgabe aufgeladen wird, auch noch die Verständigung zwischen den einst so verfeindeten Staaten zu befördern. Der Botschafter Ihrer Majestät in Deutschland freut sich, dass es mit der klischierten Darstellung der Deutschen im Film endlich vorbei und wie hier in dieser Gemeinschaftsproduktion Gelegenheit für eine differenzierte Darstellung ist.

Kriegsverbrecher mit Hosenträgern

Das Drehbuch stammt von Alan Bleasdale, der in England berühmt ist für seine klassenspezifischen TV-Serien. Bleasdale kann auch den Deutschen humane Züge verleihen. Der Kriegsverbrecher Dönitz wird sich im Grab freudig auf die andere Seite drehen, weil er hier als Gentleman in kleidsamen Hosenträgern auftreten darf. Die Geschichte wird anhand einer fiktiven Hildegard Schmidt (Franka Potente) erzählt, die aus dem mörderischen Dritten Reich geflohen ist und als Hilda Smith getarnt auf der Laconia in die Freiheit zu gelangen hofft.

Die deutsche Version, die nun ausgestrahlt wird, beginnt als Hildas Geschichte mit einem Schwenk über Kairo. Noch im Hafen lernt sie Thomas Mortimer kennen (von Andrew Buchan mit unschuldigem Jimmy-Stewart-Gesicht dargestellt), der ein so guter Mensch ist, dass sogar seine Uniform als Junior Third Officer schlecht sitzen darf.

In der englischen Fassung, die im Januar in der BBC lief, folgt auf das Seebegräbnis eine häusliche Szene, in der Mortimer vorgestellt wird. Es gibt noch mehr Unterschiede: Das Begräbnis ist wie das Hakenkreuz in der deutschen Fassung weiter nach hinten gerückt, und das Absingen des Kameraden-Lieds unterbleibt auch; es wäre dem Teamworx-Produzenten Nico Hofmann "zu nationalistisch" vorgekommen. Das Sentiment wechselt in den beiden Fassungen je nach Landesart: In der deutschen taucht Hilda lange nach ihrem bereits ertrunkenen Kind, das in der englischen brutal beim Sturz ins Wasser gezeigt wird. Aber das sind Kleinigkeiten.

Die BBC ließ die Deutschen deutsch reden und untertitelte sie. In der ARD-Fassung sprechen Deutsche, Italiener, Engländer, Amerikaner allesamt deutsch. Nur der deutschnationale und nicht nazistische Ingenieur Rostau (phantastisch gespielt von Matthias Koeberlin) darf ein wenig Hessisch babbeln.

Das ist umso absurder, als die Englisch sprechende Deutsche Hilda Smith nach der Herkunft ihres "Dialekts" gefragt wird (der im Englischen selbstverständlich nicht "Dialekt", sondern korrekt "accent" heißt). Hildas Untertauchen in der Sprache wird damit ebenso wegplaniert wie die zumindest angedeuteten sprachsozialen Unterschiede zwischen den Männern auf der Brücke und denen im Maschinenraum.

Die BBC macht es besser

Ganz Deutschland platzte vor Stolz, als Christoph Waltz vor eineinhalb Jahren einen Oscar für seine Rolle in Quentin Tarantinos Inglourious Basterds erhielt. Aber wofür (der Sprachwissenschaftler Jürgen Trabant hat in der SZ darauf hingewiesen) bekam er die Auszeichnung? Für die Geläufigkeit, mit der er neben Deutsch auch Französisch und Italienisch sprach.

Der Kino- und Arte-ferne, aber dafür umfassend Degeto-betreute Zuschauer mag sich grundsätzlich an den Untertiteln stören, aber wenn er stattdessen mit dem penetranten voice-over behelligt wird, in dem der Kapitän (Ken Duken) und die flüchtige Hildegard/Hilda die Geschichte, die in langen 180 Minuten gezeigt wird, noch einmal kommentieren, wird er auch nicht vom pädagogischen Eros der ARD verschont. Wieder einmal macht es die BBC besser, die allein auf die Kraft der Bilder vertraut.

Nico Hofmann ist ganz unglücklich, wenn man ihm die zähe Didaktik vorhält. Da hat er soviel Geld und Zeit in eine eigene deutsche Fassung investiert, und dann wird sie ständig angegriffen. Er ist sich dennoch sicher, dass er die richtige Entscheidung getroffen hat. Am Anfang seines Fernsehfilms Mogadischu (2008) ließ er seine Darsteller ausschließlich Arabisch sprechen und verlor allein in den ersten zehn Minuten über zwei Millionen Zuschauer.

Die notorisch feigen ARD-Redakteure haben Hofmann nicht von seinem Kleinmut abbringen können. Die Geschichte habe "uns heute noch viel zu sagen", dröhnt Programmdirektor Volker Herres im Presseheft. Damit es auch jeder versteht, sagen es die eingespielten Stimmen von Franka Potente und Ken Duken immer und immer wieder. So scheitert das große Euro-Versöhnungswerk ganz wie bei den Großen am partikularen Kleingeist.

Laconia ARD, Mittwoch und Donnerstag, 20.15 Uhr.

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